23.04.11
Eine Seite pro Tag schreiben, immer wieder verschoben, weil nicht Montag war, nun an Ostern wird es Zeit für die prosaische Wiederauferstehung. Die Wörter viel zu lange im Hirnloch verwest, zwei Augenbälle vor den Eingang der Schreibhöhle gerollt. Schwierig sie herauszuholen unter den alten Knochen, die sich der Zensurhund kritisch ansieht, was wäre wichtig genug, um es niederzuschreiben; ja die alte Bremse, aber bis auf weiteres muss sie über Bord geworfen werden – die Schreibmaschine muss wieder anlaufen, hat Dir zwar kein Arzt gesagt, aber doch eine innere Stimme, auf die es besser zu hören gilt: es gilt, wieder die Lust zu finden, und selbst, wenn Du’s Dir wie ein Rezept verschreiben musst, pro Tag eine Seite, Du freust Dich schon jetzt: Willkommen zurück zwischen den Zeilen!

26.04.11
Was Du genau geträumt hast, weißt Du nicht mehr, aber es war irgendwas mit Vater, dem man eine Schnuffeldecke (wie Linus) aus Aluminiumfolie geben musste, weshalb, das wurde von dem penetranten Geruch nach Hustenbonbons oder Holzlack (diese Verbindung denkt man sich nicht aus) auf dem Gehweg verdrängt, ausgerottet, dezimiert. Morgens kümmert sich die Welt nicht darum, ob Du schon bereit für alles bist: Bauarbeiten im Nachbarhaus mit Bohrmaschinen & Schleifgeräten (jeder Handwerker ist insgeheim doch ein Sadist, kann mir keiner erzählen, dass er beim Anschalten der Gerätschaften um 7:30 Uhr sich nicht wie ein Konzertmeister fühlt, statt Anstimmen die Kakophonie verärgerter & aufgeschreckter Lebensgeister des Hauses), Müllabfuhr, überfüllte Straßenbahn, Gebrabbel Gehuste Gelächter… Du willst ins Exil, stimmt’s?

27.04.11
Gestern Nacht hat der Platzregen sich mit nassem Pinsel auf die Kirschbäume in den Straßen gestürzt, rosa Flachkleckse überziehen die Autos, und mindestens vier Menschen stehen staunen und lächelnd und fotografierend davor, das ist so ein Anblick, den man sich auf seinen Sarg wünschen könnte, kurz bevor es in die dunkle Erde geht, frischt der Wind über den Gräbern auf, weht zwecklos in zusammengebundene Frauenhaare, trocknet dafür viele Tränen und schüttelt irgendwo einen Kirschbaum leer, trägt die Blüten in einer unsichtbaren Tüte zur Trauergemeinschaft, wo sich die Tüte öffnet und als dichter Vorhang auf die schwarze Kleidung, den überraschten Talar und das Kiefernholz legt, und selbst im Sarg liegend, hörst Du das weiche Aufprallen, als wären es winzige Katzenpfoten über Dir, und dann machst Du die Augen auf und regst Dich über den falschparkenden Porsche da auf.

28.04.11
Vielleicht kommst Du jetzt wirklich in das Alter, wo Du den wachsenden Bauchansatz bekämpfen solltest, bevor Du mit einer Wampe endest, die sich nur noch mit Fettabsaugung verkleinern lässt, flüstert die Narbe am Bein, die früher noch problemlos und schnell verheilt wäre und nun einzig und allein für den Fall einer Gliedmaßenzerfetzenden Explosion einen Sinn hat – zur Identifizierung durch die Angehörigen. Vielleicht solltest Du Dir über die Rente Gedanken machen, schreibt Dir die Bank, die sich ja nur Sorgen macht um die richtige Altersvorsorge; Schäfchen ins Trockene bringen, das gehört sich doch so für intelligente Menschen, die an die Zukunft denken und intelligent bist Du ja hoffentlich, vergesslich aber auch und vielleicht ist es ja eine Frühform von Alzheimer, wenn Du Glück hast, denn dann vergisst Du das Alles einfach, hat doch was.

29.04.11
Das kommt von der Höflichkeit – statt sich wie ein rüder Berliner ganz im Sinne des Klischees vor den Kerl zu drängen, der sich am Fahrkartenautomat in gleicher Distanz wie Du aufhält, Ihr beide habt gesehen, dass der andere Automat kaputt ist, er 20 Sekunden vor Dir – lässt Du ihn mit großer Handgeste den Vortritt, woraufhin der andere mit verwirrten Gesichtsausdruck beginnt, wie ein Baby sein Spiegelbild die diversen Touchscreen-Symbole ratlos durchzutippen, und jetzt erst siehst Du den Koffer hinter ihm, während Deine S-Bahn einfährt, es ist ein Tourist ohne Plan. Schließlich lässt er resigniert vom Herumdrücken ab und lässt Dich heran, zwei schnelle Zuckungen Deines Revolverfingers, parallel die abgezählten Münzen eingeworfen, das Ticket abgestempelt, und obwohl der Zugführer Dich beobachtet, fährt er los, hat die Türen geschlossen, soviel zum Thema Höflichkeit.

30.04.11
Bleibt mal
nur die Frage
ob Asiaten
an das Wort
„Schlupflider“
denken
wenn sie in den Spiegel sehen
und ob
und wie
das Wort auf
chinesisch
japanisch
ist
und ob letztere
nicht mehr ausgehen können
ohne dass jeder von
Atomkraft spricht
anstatt
Sex with asian chicks with boobs

01.05.11
Blabliblub-Rirarutsch – wir fahren mit der Kutsch & das alles kurz vor Mitternacht, um das Tageswerk hinter sich zu bringen, diesen verrosteten Hebel so lange abzuschleifen, bis sich die Zahnräder wieder in Bewegung setzen, schnell surrend will ich sie haben, damit sie die Schleusentüren öffnen, so wie früher. Das Personal mit den Scheren im Kopf wird ausgewechselt, das ist der Plan, aber noch sind die verdammten Kerle in einer Gewerkschaft, klammern sich dran an den selbstgefälligen Blick auf den unterseelischen Teich, angeln die seltsamen Fische heraus, klassifizieren die unbekannten Arten und lass sie dann wieder frei, weil sie eigentlich auf den großen weißen Wal warten, oder auch Nessie – und erst dann greifen sie zum roten Telefon und sprechen hinein: „Das sollten Sie sich ansehen!“

02.05.11
Bin Laden is dead. Das ist ein Fakt, mit dem Du gar nicht gerechnet hast, an diesem Morgen, wo der Urin noch nach dem gestrigen Spargel riecht – Frage wäre nun, ob Du nun nach jedem Spargelessen in Zukunft an Bin Laden denken musst – oder Du beim nächsten Terroranschlag plötzlich diesen eigenartigen Geruch in der Nase hast? Natürlich wird das nicht ohne Folgen bleiben, Du wartest auf das Videospiel, bei dem Osamas Tod nachgespielt werden kann, wird sich prima verkaufen, und Du wettest, sie schreiben jetzt ein zwei Folgen der letzten „Rescue Me“-Staffel um, denn das ist natürlich ein Pay-off par excellence, den man besser nicht erfinden kann – und mal sehen, ob der Navy Seal, der Osama einen Headshot verpasst hat, Alpträume bekommt, trotz alldem..

03.05.11
Der picklige Kerl mit der Sonnenbrille (verspiegelt) natürlich spielt den Bad Boy In der Tram, setzt sich zu einem Mädchen und nennt es Schatz, die darauf „Ich kenn dich nicht“. Er lässt nicht locker, spitzt die Lippen, und sie wieder: „Ich kenn dich nicht“, und das bekommen alle mit, denken an die diversen „Wie verhalte ich mich in möglichen Gewaltsituationen in öffentlichen Verkehrsmitteln“-Tipps, schauen auf die Uhr – es ist doch nicht nachts auf einem verlassenden Bahnsteig -und du fragst dich ob du den Kugelschreiber als spitze Waffe benutzen kannst oder sollst, was wohl das Gericht dazu sagen würde, da küsst das Mädchen die Pickelfresse, kleine Schauspielerin seufzt die Kugelschreiberfeder zurück, und dann gehen sie händchenhaltend davon. Manchmal ist Liebe in Berlin wie ein verpackter Tampon auf der Bahnstationstreppe.

04.05.11
Ach ja, das erste, was Du beim Einsteigen hörst, ist „Wenn ich ihn kriege, dann werd‘ ich ihm auf die Fresse hauen“ – das Äquivalent zu „Guten Morgen in Berlin!“, daran gewöhnt man sich, legt sich schnell ein mentales Wörterbuch an, keine Sorge. Ob es irgendwo auf der Welt wohl S-Bahnen gibt, in denen sich die Leute untereinander nicht mit den Augen auf Böden, Buch, Fensterblick aus dem Weg gehen? Vielleicht in Soldatenzügen, die an die Front fahren? Wie war es in den Viehwagons Richtung Konzentrationslager? Immerhin haben sie die grandiose Idee gehabt, die Plastiksitzmuster in Graffiti-Camouflage zu designen, da gehen die gekritzelten Kuli-Liebes- und Schundsprüche in der blauschwarzrotheißen Sauce unter und wenn man lange genug darauf starrt, wirst Du wahnsinnig.

05.05.11
Schwierig, jeden Tag zu füttern, aber notwendig, was zum Glück doch funktioniert aus dem kleinen Tick, obsessiv-kompulsiv eventuell den eigenen Gesetzen der Chronologie zu folgen, siehe Serien, die bis zum bitteren Ende jahrelang geglotzt werden müssen, fragt sich wie viele Monate zusammengerechnet Du vor dem Laptop gesessen hast, klassischer Faktor fürs Sterbebett, wenn einem bewusst wird, wieviel Zeit (kostbar wie ein Atemzug) du vergeudet hast, aber was soll’s. Auch die vollgeschriebenen Notizbücher – wäre ja immerhin möglich, dass sie posthum jemanden was bringen, Dir dann jedenfalls nicht mehr, aber darum geht’s ja nicht. Scheint ein wenig so, als müsstest Du wieder Fahrrad fahren lernen, diese Scheiß Zensur-Stützräder abschrauben und in den Sonnenuntergang radeln.

06.05.11
Ausnahmsweise steigst Du morgen in die Zeitmaschine ein und springst einen Tag zurück, denn so ein leeres Blatt inmitten schwarzblauem Tintenmeer stört das Gesamtbild, Marmorstein auf freiem Feld, darunter liegt der Hund begraben, Du weißt schon, der Schweinehundzombie, der es geschafft hat, Dich 24 Stunden von Deinen Plänen fernzuhalten, die faulige Pfote durchs Erdreich gräbt und die rechte Schreibhand umklammert, die Finger aufbiegt, um sie um Zigaretten und Flaschenhälse, Essstäbchen und Frauenbrüste zu legen, alles, nur keine Füller, Bleistifte, Kugelschreiber und sonstige Schreibutensilien. Die Schrotflinte mit Tachyonen-Patronen geladen legst Du also auf das untote Biest an, feuerst zeilenweise Salven ab, die das Monster einfach so schluckt & lacht & in der Zukunft verschwindet.

07.05.11
Du wirst nicht glauben, was ich heute gesehen habe – da war dieser Amerikaner, der mit einer blonden Frau (Jeans-Minirock über nackten Schenkeln) in die Bar kam, eine rote Rose dabei hatte, mit dessen Blüten er ihre Brüste von unten anstupste, ihren Unterarm streichelte und dann plötzlich aufstand und ging, und als Du aufs Klo gingst, sah Dich die Frau seltsam lächelnd an und Du dachtest, sie hat ihm einen Korb gegeben, und er ruckzuck weg, naja, Du hast dann versucht, sie saß danach da draußen am Tisch, durchs Fenster ihr unter den Rock zu sehen, ohne Erfolg, und letztlich kam der Amerikaner wieder zurück, er hatte wohl nur Geld geholt, und er zahlte und die beiden gingen Arm in Arm die Straße hinunter, von wegen Drama und so.

08.05.11
Muttertag, seltsame Sache, sich nur wegen des Datums zu bedanken, da kommt man sich doch ein wenig schäbig vor. Aber eine Mutter hat ja bekanntlicherweise jeder, auch der komische kleine zwergenartige Freund oder Bekannte des alkoholkranken Nachbars — hat immer einen roten Arbeiterlatzhosen-Look zusammen mit dem zugewachsenem Gesicht wie der achte Zwerg, den die anderen sieben rausgeworfen haben, weil er immer am Tisch saß mit seiner Schürfaxt und mit sich selbst gesprochen hat, naja, und heute trägt er mal keine Bierflaschen durch die Gegend, sondern tatsächlich einen verpackten Blumenstrauß, und die Haare scheinen auch etwas gekämmt, da fragt man sich schon trotzdem, wie wohl die Mutter aussieht und ob sie vielleicht das Grünzeug einfach auffrisst.

09.05.11
Langsam wachsen die Daumennagelrillen aus Dir heraus, falls Du sie wieder haben willst, um den Leuten die Geschichte vom brennenden Auto inkl. Baby auf dem Rücksitz, das Du natürlich unter Einsatz Deines Lebens gerettet hast, dabei aber Dein Daumen (apropos: jemand hat Dir mal erzählt, dass Daumen und große Zehen sehr ähnlich aussehen, das war im Zusammenhang mit der Geschichte von dem Kerl, der seinen Daumen verloren hatte, der daraufhin mit dessen großen Zeh ersetzt wurde) blöderweise von der aufgestemmten Fahrertür eingequetscht wurde, dann musst du einfach das Nagelbett abkauen, Dir mit den Viren und Bakterien eine schöne Infektion ranspeicheln und schon hast du die Rillen der alten Platte drauf.

10.5.11
Die Hand vor den Mund beim Gähnen halten macht kein Spaß, gehört sich zwar so, aber schau Dir mal eine Katze oder einen Hund an, da wirst du neidisch wie genüsslich die die Mäuler aufsperren, Augen zu, Ohren klappen nach hinten, und danach schütteln sie die Müdigkeit aus den Borsten, und jetzt denk daran wie ansteckend Gähnen ist und warum eigentlich – und dann überleg doch mal, ob Du ein Gähnen einmal um die Erde schicken könntest, Gähnkette sozusagen, eine völlig harmlose Ansteckung, eine kleine Pandemie, dazu müsste man eine Art Staffellauf starten, jeder nimmt das Gähnen mit, reicht es weiter, könnte man theoretisch auch wie ein Videovirus übers Netz verbreiten, aber damit fangen wir nicht heute an, weil wir gerade so verdammt müde sind.

11.05.11
Was du heute gelernt/gehört/gedacht hast: Fangen wir beim Halbmond heute Nacht an, und beim Gedanken daran, dass es die dunkle Seite der Schatten der Welt ist, die Du vom Balkon aus beobachtest und dann denkst, wie wäre es, wenn Du jetzt Deine rechte Hand ausstreckst und mit Deinem Finger ein kleines Häschen formst, dass man als Schattenspiel auf der beleuchteten Seite des Mondes plötzlich sieht, von überall auf der Welt, nur die Nazis nicht oder die Typen, die wohl auf der Erde abgewandten Seite Spargel anbauen, muss ganz schön schwerer Spargel sein bei der geringen Schwerkraft, aber egal: Das wichtigste ist, dass du nicht besoffen segeln darfst, Dich nicht mit anderen vergleichen solltest und der Alkoholikerin nicht sagen, dass da noch eine Flasche auf dem Balkon steht usw. usf.

12.05.11
Da war dieser Traum von gestern Nacht: viel wie immer nicht hängengeblieben, nur das ist eine Art Bewerbungstag bei Apple war, der damit endete dass Dir Wozniak vor allen Anzugträgern eine miese Abfuhr erteilte, eigentlich grundlos, wie einer der alten Bundeswehrkameraden von damals (er trug Anzug und übereinandergestapelte Tupperware-Boxen) zwar leise einwandte, was aber nichts daran änderte, und Du dermaßen enttäuscht und wütend wurdest, dass Du – jetzt war es Steve Jobs – am Kragen packtest und ihn zweimal mit dem Gesicht gegen eine Tischplatte schlugst, vor allen, u.a. zwei Frauen, denen Du sagtest, sie könnten mit Dir, und ihr klettertet über Zäune, Mauern, kamt in einen seltsamen Künstlerwald, Mischung aus Zirkus, Burning Man und Kreativkollektiv, das krasse Gegenteil der Apple-Szene vorher, aber letztlich gehörtest Du dahin, und als Du eine der Frauen küsstest, wachtest Du auf.

13.05.11
Trink mal trotzdem mit, ist nicht so Schwieppie-yippie, da kann man tanzen, aber es schmeckt nicht nach Wodka, aber irgendwann stehst Du auf und es killt Dir Deine Beine, also wenn wir – ein Drink – wenn noch jetzt, dann, nee, when the rain begins to fall, das wäre eine Alternative, […] aber es geht nicht um Sex, das ist relativ, aber das sagst Du so, aber unser Nachbar kam dazwischen, und zum Beispiel gestern abend, kommt ja immer darauf an, mit wem Du unterwegs bist, kennste die Stammkneipe, eher schrabblig aber total charming, da haben wir die Rollläden zugemacht und mir war total schlecht.

14.05.11
Und dann war da noch die Frau an der Bar mit dem Netzoberteil & dem Speck über der Hüfthose & dem türkisen Schal am Hals, probates Anti-Falten-Mittel, deren Rücken Du sahst und darauf entweder ein Sticker in Form eines Blumentopfes, der direkt auf der BH-Linie wuchs, die Träger Richtung Schulter sahen aus wie Fensterrahmen, oder das Ganze war ein durchschimmerndes Tattoo, das sie im Urlaub auf Balkonien sich hat stechen lassen, als Andenken, und allein deswegen hättest Du sie eigentlich anflirten sollen, um die Frage später im Bett klären zu können, und dann nix wie weg, oder andererseits vielleicht einen schwarzen Edding nehmen, während sie schläft und in großen Buchstaben „das ist kein Tattoo, sondern gehört zur Oberbekleidung“ darauf zu schreiben.

15.05.11
Das Hirn in Cellophan gewickelt, die Staubschafe blinzeln in die seltsame Freiheit, die Spülmaschine pinkelt sich vor Angst ein, irgendjemand hat im Häuserkampf die Magazine aller Waffen mit Dübeln bestückt, hier nach Spinnen gejagt, während die Katze einen Do-it-yourself-Baldachin bekommt und eine Extraportion, die Unlust baut im Kopfe Molotov-Cocktails, will den ganzen Kram in ein Zimmer packen und dann das Ding rein, Tür zu und nicht mehr umdrehen, Hut auf wegen dem Ergebnis eines Parkinsonkranken Barbiers auf deinem Kopf, aus der Erde rülpst es durch Rohre in die schönsten Badezimmer, vor der Tür reißen sie den Gehweg auf und legen neue Pflastersteine zwischen Kiesel, Kippen und Kunststoff, und wenn Du Gold suchst, schau nicht in der Truhe mit den Schrumpfköpfen nach.

16.05.11
Du hast auch schonmal besser geschlafen, aber der tickende Countdown im Geist hat eine eigene Stromversorgung, die Du nicht ausschalten kannst, also wachst Du dann frühmorgens exakt eine Minute vor dem gestellten Wecker auf, innere Uhr par excellence, aber das Klingeln reißt Dir trotzdem mit scharfen Krallen das Herz auf, jetzt geht’s los, Du wälzt den Körper müde von der Bettkante, Autopilot an, und trotz Dusche & Frühstücksbrötchen & Zigarette läufst Du als Marionette neben Dir her, irgendwas steuert zwar, aber das Hirn ist auf Durchzug, die Augen sind mit Lack bepinselt, zwischen den Zähnen wachsen Moos & Flechten – wer kam nur auf die Idee, den Menschen die Morgenstund im Goldmund ins Arbeitshirn zu betonieren, und wehe, später ist kein Auge zu.

17.05.11
Am Ende des Tages hat sich das Blut in Deinen Füßen gesammelt, stinkend und aufgebläht am anderen Ende des Körpers die Käsemauken, am besten abschrauben und wegwerfen die Dinge wie Deine Wandersocken, damals zwei Wochen lang auf Korsika getragen und dann feierlich entsorgt, abschrauben und neue aus der Folie holen, keine Schwielen, Blasen, dreckige Nägel, Warzen, Krampfadern, Hämatome, Überbeine, Fusselhaare etc. pp. Achso- die Achillessehne nicht vergessen, die spannt der liebe Herrgott wie Stahlseile, damit Du auch schön jede Treppenstufe zum neuen Olymp spürst, aber einmal schließlich angekommen, hat alles ein Ende: Die ewig nachwachsenden Kartons, der chronische Lack- und Farbgeruch zwischen Nase und Neuronen, und keine schreienden Nachbarn mehr, nur eine schöne ruhige graue Wand und Heizungsrauschen.
18.05.11
Noch sind die nackten Füße schmutzig, aber immerhin kann nicht einer aus dem Nachbarhaus Dir dabei zusehen, wenn Du den Dreck der Welt aus Deinen Poren kärcherst, zu viele Luftblasen auf der Milchglasfolie, mindestens genauso viele wie unbeantwortete Anrufe, so ein Umzug hat die Aura einer tödlichen Diagnose, scheint es, aber die Abschottung im Zuge der Abhäutung (alte Wohnung, alter Kiez  neue Wohnung, neuer Kiez) ist ja fast ein ähnlich biologisch-neuronaler Prozess, das kann auch Neid erzeugen, nicht so wie eine Nahtoderfahrung, aber immerhin – selbst die fette alte schwarze Katze gewöhnt sich erfreulich schnell an ihr neues Revier, springt sogar auf den Küchenstuhl auf den Küchentisch, was sie noch nie gemacht hat, gutes Omen für die Zukunft, sagst Du mal.

19.05.11
Was stinkt hier – Deine Schuhe, Deine Achseln, der purifizierte Schweiß Deiner Arschritze, irgendetwas Totes unter den glattgeschliffenen Dielen, was die Handwerker da absichtlich hinterlassen haben, aus Neid, weil sie niemals in so eine Wohnung ziehen könnten, hat die Katze eine dunkle Ecke für noch dunklere Analgeschäfte gefunden, da gibt’s ja diese teure Kaffeesorte – oder kommt da was aus der Kanalisation nach oben, ein missratenes Experiment oder ist irgendwo eine Güllefabrik explodiert, ausgelöst durch die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, oder ist es peinlicherweise der Freund einer Freundin, Deiner Freundin, dem das Herz durch den Darm zu tief in die Hose gerutscht ist oder ist einfach nur was mit Deinem Geruchsinn nicht in Ordnung oder – nein, es sind die Schuhe.

20.05.11
Wenn Du morgens aufwachst und Dein Gute-Morgen-Kuss sich in leerer Kleidung verirrt, ist also das Ende der Welt gekommen – Rapture – und einige sind in den Himmel aufgefahren, nur Du nicht. Sondersitzung im Bundestag, die alle verfügbaren Leute zu Kleidersammlern befördert, die Textilbranche bricht zusammen, weil 100-facher Überschuss herrscht – während oben im Himmel die größte FKK-Parade des Universums stattfindet, oder die größte Sauna. Fragt sich nur, was mit den Daheimgebliebenen eigentlich passiert, wenn sie sich damit arrangiert haben, neue Partner und Kleidungsstyles durchprobiert haben, das Geld der anderen besitzen, genügend Lebensmittel und Wohnungen und Jobs für alle, klingt doch eigentlich wie das Paradies auf Erden, vielleicht muss man das so sehen?

21.05.11
Noch hat Gott oder das Spaghettimonster oder Cthullu oder whoever 90 Minuten Zeit, die Welt untergehen zu lassen, aber ich glaube ja, dass er sie es sich gerade Indiana Jones III anschaut, den Gebetemodus auf AB gestellt hat (muss er ja, wenn er aufs Klo geht, katholisch gesehen resp. „nach dem eigenen Abbild“, da muss er auch mal Urlaub machen oder die Lider schließen, und dann zieht Nacht über den Planeten), sich eine flauschige Wolke unter die Füße gestellt hat, vielleicht raucht er auch eine Tüte, reicht sie an River Phoenix weiter, der sagt, Mann da war ich aber jung – und Einstein fragt nach Erdnüssen, weil Newton ihm mit seinen Äpfeln auf den Sack geht und dann klingelt es an der Himmelspforte und eine GEZ-Seele will rein.

22.05.11
Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen. Ich darf aus Frust nicht mit der Faust gegen Dinge schlagen.
Herrgottsakrament, tut das beim Schreiben weh.

23.05.11
DAS MACH ICH DOCH MIT LINKS FÜR BESCHISSENE 3 WOCHEN! MUSS NUR DAS HIRN UMPROGRAMMIEREN UND DEN STIFT RICHTIG HALTEN, VERDAMMTE AXT, ALLES SPIEGELN.

24.05.11
IMMERHIN KANNST DU JETZT EIN WENIG AUF „FENSTER ZUM HOF“ MACHEN, PSEUDOGIPSHAND ZWAR NUR, ABER TROTZDEM GEGENÜBER EIN ZWEI DREI ERHELLTE ZIMMER & DAZU EINE VIDEOKAMERA MIT ZOOM FÜR LANGE NÄCHTE.

25.05.11
DIE HANDSCHRIFT ZIEHT MUSKULÄR-MECHANISCH IMMER NOCH IN DIE FALSCHE RICHTUNG, ABER EGAL, HEUTE FRISST DIE KATZE STYROPORKÜGELCHEN UND MÄNNER LAUFEN MIT KNOBLAUCH IN DER HAND ÜBER DIE STRASSEN.

26.05.11
ZEITMASCHINEN-EINTRAG MIT LINKS & GIN TONIC IM SYSTEM, TAUBER DAUMEN, PUTZFANATIKER ÜBER UNS, BIKINI-BLONDCHEN GEGENÜBER, LINKS BIEDERE ANTIRAUCHERIN KOPFSCHÜTTELND AUF DEM BALKON, DIE GESCHICHTE VOM TIEFEN DUNKLEN ERDLOCH IM OHR & DEN GELIEBTEN URLAUB.

27.05.11
[…] LINKSRUM & IM HOLPERTAXI.

28.05.11
EBEN NOCH IN HH MIT CLUBSANDWICH UM 2:30 UHR, KLEINEN KÜKEN IM WASSER, UND DANN AUF DEM BALKON GEGENÜBER EINES FREIDHOFS MIT BIER & BARCA, KURZBESUCH IM ALTEN KIEZ, UND DEM KOMISCHEN OUT OF ORDER (URLAUBSGEFÜHL INCL. TABLETTEN).

29.05.11
FRAGT SICH, WIE SELBST HÄNDE ES SCHAFFEN, WIE KÄSEMAUKEN ZU STINKEN UND WIE DAS GANZE AUSSIEHT, WENN DREI WOCHEN UM SIND, OB SICH DIE HANDSCHRIFT BIS DAHIN EVOLUTIONIERT HAT – DAS HIRN WILL JA, ABER DER BEWEGUNGSAPPARAT NICHT…

30.05.11
DIE KIPPENAUTOMATEN HIER MACHEN GESICHTSKONTROLLE, DIE BIKINIBLONDINE HAT SICH VERDOPPELT, DAS VERLIEBTE TAUBENPAAR HAT WOHL DIE RUSSISCHE SAATKRÄHE VERJAGT, ABENDS MASSIEREN ELEKTROBÜRSTEN RAUCHERZÄHNE & IN DEINER ERINNERUNG EINE KOKSENDE MUSCHI.

31.05.11
ODE AN TNT
KEIN KOPF IST KLARER
KEINE SEITE WEICHER
IN DIR ERKRANKEN SICH
LEGIONEN VON LIMETTEN
UND ZITRONEN
NICHT DURCH HALMPLASTIK
SOLLST DU RINNEN, SONDERN
ÜBER ROTE TEPPICHZUNGEN
BIS AUF DEN LETZTEN SCHLUCK

01.06.11
HEUTE LERNEN WIR:
– EIN KREUZ KANN AUCH MIT SOLARENERGIE BETRIEBEN WERDEN
– ALLE EVANGELEN TRAGEN BRILLEN, GORETEX ODER JACK WOLFSKIN, VERKAUFEN KEINEN ALKOHOL & SIND HÄSSLICH, WOLLEN ABER SEX MIT JESUS.

02.06.11
ZUM VATERTAG KLOPPEN SICH DIE SCHNAPSGEHIRNE, BIS DIE BERITTENE POLIZEI EINGALOPPIERT, ERZÄHLT DER DRESDNER TAXIFAHRER. STADT UND STRASSEN NICHT MEHR MIT LINDGRÜNEN EVANGELEN VERSTOPFT, ALSO EIN GRUND AM KILOMETERLANGEN AUTOSTAU AUF DEN STRASSENBAHNSCHIENEN VORBEIZURASEN A LA „TAXI, TAXI“.

03.06.11
DIE TÜRSTEHER RAUCHEN ZIGARREN OHNE GLUT; LADY DI IST AUF (AUS TEPPICH GEWOBEN); VOR DER BARTÜR STEHT EIN DIXIE FÜR DIE, DIE KEINE LUST AUF KÄLTE HABEN.

04.06.11
Fast forward rewind – das Linksrumprojekt kommt zu einem Halt, zu ungelenk und zeilenfressend; nun, da die Schiene ab ist, gilt es die alten leeren Seiten zu füllen, so wie die Stapel Tageszeitungen, die sich nach einem zweiwöchigen Urlaub angesammelt haben, durchzusehen auf Wichtigkeiten, die man vielleicht in der Stadt verpasst hat. Mit rechts den Stift zu halten funktioniert zum Glück wieder, eine Woche haben die verwaist-steifen Fingersehnen gebraucht, um das Biegen wieder zu lernen und nicht wie taub vor Kälte, vollgepumpt mit dicken Gummisehnen nur den leichten Hauch einer Krümmung zu schaffen, bis sie von einer inneren Gegenkraft gestoppt wurden. Und die Moral von der Geschicht‘: den Mittelhandknochen besser man nicht anbricht.

05.06.11
Frag‘ nicht, an welchem Tag Du Dich befindest, rückblickend verschwimmt alles zu einem treibenden Geflecht, bewundernswert die, die auf einen Kalender sehen können und in 24h-Schritten zurückgehen können. Bei dir würde Salter schreiben, ist die Vergangenheit eine Lichtung im Winterwald, der Oblatenweiße Boden durchkerbt mit dutzenden Fußspuren scheuer Tiere, so viele, dass sie selbst einen erfahrenen Jäger verwirren würden – und da die Grundidee dieser Notizen nicht die eines Tagebuches ist, sondern eher einer Zwangskladde, und es zudem das einzige Schreibpapier im Urlaub auf Sardinien ist, und es mal wieder der fixe Gedanke ist, mindestens fünf neue, gute Kurzgeschichten zu schreiben, sei dies nur ein erklärender Prolog.


06.06.11
Jeden Mittag wurde es so heiß, dass sogar die breite Ameisenstrasse auf ihrer Terrasse verschwand. Das erste Mal fragten sie sich, ob vielleicht irgendwer Gift in den Bau im Garten geschüttet hatte. Er ging über die eingelassenen Steinrechtecke zu den kleinen Löchern in der bröckeligen harten Erde, um, nachzusehen und kam dann kopfschüttelnd wieder zurück.
„Da ist nichts“, sagte er.
„Komisch, Schatz, oder? Die ganze Zeit waren sie da und jetzt plötzlich nicht mehr.“
„Vielleicht sind sie in den Urlaub.“
Er stellte sich die langen, verzweigten Gänge vor, in denen die Ameisen in Scharen winzigkleine Koffer trugen, ganz vorne an der Spitze die Königin, die Kopfschmerzen hatte, weil sie nicht wusste,

07.06.11
ob sie alle Ausweise mithatte.
„In Südamerika gibt es eine Art, die auf ihren Wanderungen sogar Flüsse überqueren. Die verhaken sich in riesige Knäuel und treiben so durchs Wasser, ein lebendiges Floß.“
Sie antwortete nicht, hatte auch nicht wirklich zugehört, weil sie versuchte, mit einem „Ariel pocket“-Stift die eingetrockneten Tomatensoßenflecken aus der Tischdecke zu rubbeln. Sie mochte es sauber, wischte immer das Wasser auf der Spüle trocken, damit keine Flecken entstehen konnten, pickte Brosamen von Tischen und Fussel aus seinem Bauchnabel. Es war noch kein Putzfimmel oder eine Zwangsstörung, aber manchmal fragte er sich, ob das noch kommen würde, und was es eigentlich in ihrer Vergangenheit gewesen war,

08.06.11
das sie innerlich so befleckt hatte, dass sie es an der Oberfläche abwischen wollte. Andererseits ging sie völlig gleichgültig mit Sperma oder Periodenblut um, drückte an seinen Rückenpickeln herum und zog graue Härchen aus seiner Haut – alles Dinge, die ihn anwiderten.
„Schatz, das funktioniert? Glaubst du das?! Siehst du, so: draufdrücken und reiben!“, sagte sie begeistert und auffordernd, also stellte er sich neben sie und sah zu, wie sie glücklich dem Flecken den Garaus machte.
„Den muss man immer in der Handtasche dabeihaben!“
Sie drehte den Kopf in seine Richtung, irgendjemand hatte ihr zwei Löcher in den Schädel gebohrt, so dass der Himmel links und rechts vom Nasensattel

09.06.11
Hindurchleuchtete. Er nickte.
„Willst du was essen?“, fragte er dann.
„Machst du Caprese?“

Sie wischten mit dem geschnittenen Brot gerade die Reste ihrer Teller auf, als drüben der Säugling anfing zu brüllen. Im Nebenhaus wohnte eine fünfköpfige Familie, die nie runter an den Strand ging. Die drei Jungs spielten stattdessen in ihrem Vorgarten Fußball, während die Mutter den Kinderwagen auf dem kleinen Weg hinter den Häusern hin- und herschob, um den Säugling zum Einschlafen zu bringen. Es waren Deutsche, der Vater streng, der den Jungs lautstark eintrichterte, nicht im Nachbargarten zu spielen. Sie hatten ihn gestern auf dem Nachhauseweg vom Strand getroffen, wie er auf dem

10.06.11
sandigen Parkplatz einen Lenkdrachen steigen ließ. Der Wind war so stark gewesen, dass er ihnen den feinen Sand wie winzige Schrotkugeln über die nackte Haut gescheuert hatte, als wären sie alte Volkswagen beim Autolackierer. Die Kinder sahen ihrem Vater dabei zu, wie er mit zwei Händen das farbige Dreieck durch die Luft schickte, in der Hoffnung, dass er ihnen die Schnur geben würde. Der Drachen flog eine scharfe Linkskurve und raste dann mit der Spitze auf den Boden.
„Bumm“, sagte der Vater.

Im Flugzeug saßen sie durch den Gang getrennt kurz hinter den Tragflächen. Neben ihm ein Paar, die Frau am Fenster atmete schon auf

11.06.11
der Rollbahn stoßweise, als läge sie in den Wehen. Sie hatte den Kopf tief ins Polster gedrückt, die Augen geschlossen und ihre Fingernägel in den Unterarm ihres Mannes gegraben. Er überlegte, ihr zu sagen, sie hätte keine Angst vorm Fliegen, sondern vorm Abstürzen, wurde dann aber von der brasilianischen Stewardess abgelenkt, die mit ihrem Hintern seine linke Hand beim Schließen der Gepäckablagen streifte. Früher hätte er die Gelegenheit genutzt und wäre ihr mit der Hand unter den Rock die Schenkel hochgefahren.
Nein, das war gelogen. Er hätte so etwas nie gemacht, und würde es auch nie tun. Fragte sich nur, ob ihm dadurch etwas entging, was sein Leben in andere Bahnen gelenkt hätte, das Leben eines anderen Mannes. Die Stewardess ging weiter, und

12.06.11
von der Gangseite gegenüber streckte sie ihre Hand aus, klimperte mit den Fingern in der Luft. Er nahm und drückte sie, schloss die Augen, als das Flugzeug beschleunigte und die Insassen in ihre Sitze drückte.

Die Ferienanlage war in der Dunkelheit fast unmöglich zu finden, weder das Navi noch die ausgedruckte Wegbeschreibung mit Fotos, die tagsüber gemacht worden waren, halfen weiter.

(t.b.c.)

13.06.11
Shame on you, da galoppieren die eingetragenen Kopfzeilen mit ihren Tagen voran und die Hand stolpert mit dem Kopf Wochen hinterher, aber auch weil das Handschriftliche doch leichten Schmerz verursacht, da tut das eher unpragmatische Buchformat mit den gewellt hohen Innenrändern sein übriges zur Verkrampfung dazu. Lösung also Nachholen, als wäre man in der Schule für einen Monat krank gewesen, Stoff verpasst und jetzt Büffeln, damit die anderen einen nicht abhängen, in diesem Fall bedeutet das für eine Weile in der Vergangenheit zu leben und schreiben, schließlich macht es keinen Sinn, strikt am Ursprungsplan festzuhalten, wenn die Umstände das nicht zulassen, also auffüllen & dann plötzlicher Zeitsprung ins Jetzt zur Synchronisierung.

14.06.11
Hemd klebt auf Haut
Die Sonne auf Beton gebaut
Zusammen mit der Brille
beschlagen die Sinne
Nazis, cremt Euch gut
die Glatzen ein
Flaschensammler, bindet Euch
frische Orangenschalen vor den Mund
hoffen wir mal, dass die
alten Trampeltiere über uns
an Hitzeschlag sterben
zwei letzte schwere Plumpser
und danach weht der Ventilator
den Leichengeruch aus dem Fenster
ich will nichts Böses
nur meine Ruhe
ist ja wohl nicht zuviel verlangt
denn Oropax ist
zum Wachsklumpen geschmolzen.

15.06.11
Face your enemy – oder der Blümchenbrief der Trampeltiere: auf ein Gläschen Sekt also hoch, ins Feindesland, wo die Straßen mit Teppichen ausgelegt sind, die Gebäude bis zur Decke vollgestopft sind von Sammlerwut (Porzellan sie, Apothekerfläschen er), Rokokomöbeln mit Deckchen und Untersetzern, Vanilleeis mit frischen Erdbeeren und Mokka mit Ingwer aus Puppenhaustässchen, und das Auge schweift überrascht über jedes einzelne Ausstellungsstück in dem durchsterilisiertem Käfig, in dem die Rentnerterroristen seit 50 Jahren wohnen, jetzt ist auch klar, warum die alte Dame soviel auf den Köpfen herumtrippelt, bei den ganzen Staubfängern, aber das Stein im Brett ist immerhin jetzt da.

16.06.11
Geh‘ ruhig davon aus, dass Du anhand des Geruchs in der S-Bahn den Tagesabschnitt definieren kannst, frühmorgens die geduschte Parfumschicht, dazwischen evtl. ein paar Alkoholleichen von gestern, die der Morgen ausgekotzt hat, gegen Mittag das Essen von Tourigruppen und Altschrankkleidergeruch diverser Senioren auf dem Weg ins KaDeWe oder auf den Friedhof, Arzttermine ebenso und gegen später die Stressschweißherden, die ihre ausgearbeiteten Augenhöhlen müde wie Kleiderhaken an die Deckenhandschlaufen hängen, gerne löst sich im Gedrängel auch noch die Gasblase des hastig verschlungenen Mittagpausen-zwiebelkuchen im krampfenden Darm, und alle ziehen scharf die Luft ein, fluchen und wünschen sich Flügel.

17.06.11
Da stehen wir also
mit knurrendem Magen
die Ohren mit Musik verstöpselt
durchs gekippte Kneipenfenster
wälzt sich besoffener Tabakrauch
wer hier eine leere Dose aufs
Trottoir stellt, gilt als Millionär
Natürlich musst Du jede
Zigarette als deine letzte deklarieren
und jedes Kleingeld das klimpern
könnte aus der Hosentasche
nehmen
Pass mit den Scheuklappen
Auf, im Tunnelblick verstecken
sich Hundehaufen
woanders stecken Pensionäre
kleine selbstgebastelte Flaggen hinein
aber hier gehören ihnen die Hunde
die hören immerhin noch zu

18.06.11
Du fragst dich, wo die Disziplin hin ist, der verdammte Deserteur angesichts des übermächtigen Heeres aus Prokrastina hat sich irgendwo ein tiefes Loch gegraben und hält die Luft an, liest mit Kippe im Mundwinkel und Tränen in den Augen im Funzellicht von alten Projekten, Massen vollgeschriebener Seiten, Kreuzzüge der Kreativität, seufzt und sieht hoch in den Nachthimmel – früher explodierten da im Sekundentakt noch Supernovae großer Ideen, zogen Sternschnuppen einen …?… Feuerschweif hinter sich her, darin bildeten sich Formen und Wesen im Endlostakt, Mythenwesen, die Augen, Herz und Seele fesseln, ganze erogene Zonen zum Brennen bringen, aber jetzt ist da nur das Signalleuchten der Airliner auf ihren Routen von A nach B, Kondensstreifen aus Chloroform.

19.06.11
Du fragst dich, wer oder was die Horden morgens aus ihren Betten scheucht, das Geräusch aller Wecksignale zusammengenommen und simultan abgespielt würde für globale Taubheit sorgen – fragt sich, wie die Taubstummen aufstehen, vibrierende Wecker unter dem Kopfkissen oder per Licht, wahrscheinlich – also dann: Taubstumm und blind und gestörte Nervenbahnen, die Impulse taktiler Art nicht ans Hirn weiterleiten – das wäre der Schlaf der Gerechten, nur die innere Uhr ist am Pumpen, und die abzustellen schwierig, logische Schlussfolgerung und Erklärung des Begriffes „Der große Schlaf“ ist also: nur wer tot ist, schläft und träumt ewig, wenigstens immerhin bis zum jüngsten Gericht.

20.06.11
Wenn sie Deine Freundin irgendwann (hoffentlich nicht so bald) begraben wollen, wird sich in dem Moment, wenn der erste Trauernde das Schäufelchen Erde auf den nagelneuen Sarg schüttet, dessen Deckel öffnen, Reanimation pur, und ein wutschnaubendes Etwas mit entzückenden blauen Augen herausspringen und schreien, wie es den Flachpfosten in Schwarz überhaupt einfallen könne, das schöne Holz mit Dreck zu verschmutzen, all die Kieselsteinchen darin und die Dornen an den Rosenstielen würden doch die Oberfläche zerkratzen, und nichtmal mit Politur könne man da etwas anrichten, der Sarg sei also bis in Ewigkeit verschandelt, und wenn auch nur einer glauben würde, sie würde drin liegen bleiben, sowas von nicht!

21.06.11
Heb‘ die Augenbrauen
skeptisch in den Himmel
sprüht Musik statt Wetterschafen
don’t tell the DJ what to play
gib jedem Punk-Krüppel im
Vollsuff eine Kippe ohne Bezahlung –
warte bis sich Strumpfhosenbeine öffnen
weil der Leadsänger von Tocotronic da ist
und dann wieder nicht
weil: du hörst nicht Tocotronic
& Strumpfhosen gleich no visibility
oder eher auf einen …
den Du kurz über den …
streifen kannst
4 Pappbecher voll Weißwein
& die Frage
Warum da jetzt schon
Eine Lücke ist zwischen 2 & 3

22.06.11
Das war’s wohl mit dem Sommer, blubbern die Pfützen, lacht die Regenjacke, und schlimme Dinge geschehen im Nest in der Baumkrone vor dem Balkon, nichts zu sehen als ein Eichhörnchen, das zwischen den alleingelassenen Küken Amok läuft, so klingen die panisch zirpenden Vogelschreie jedenfalls, die immer lauter werden und in einem Chor enden, bei dem nach und nach einzelne Stimmen gen Himmel geschickt werden, bis nur noch ein blinder Solist übrigbleibt, der die Gang von Kolkraben und das turtelnde Taubenpärchen auf dem Dach um Hilfe bittet, die Frage ist, ob man vielleicht einen Stein Richtung Nest schmeißen soll, aber ob und was man dann trifft, steht in den Sternen.

23.06.11
Das Hirn leergesaugt, im Bauch ein Loch und nervöses Zucken des rechten Augenlids, das Zeigefingergelenk so knochig wie ein Astloch, Augenbälle wie mit Schleifpapier angeraut, leichte Kopfschmerzen als würden Wespenbeine über Neuronen krabbeln, hin & wieder ein Mandibelbiss, im Ellbogen knackt jedes Mal beim Armstrecken eine Sehne oder der Rost, bewegst Du den Kopf, sagst Nein, heute kein Kleingeld, springen Eiswürfel aus dem Behälter, das ist die Müdigkeit eines gefühlten Winters, du könntest dich zusammenrollen mit der Bettdecke über dem Kopf und dir Wachs in die Ohren stecken, damit dich dein eigenes Schnarchen nicht aufweckt, obwohl du so schön träumst.

24.06.11
Weit draußen vor den Toren der Stadt, irgendwo in östlich-ausgestorbenen Landstrichen wohnt dieser verrückte Genetiker, der in einem kleinen Schuppen Raben hält, die er mit Fleischbrocken auf dem Dach geködert hat, es sind eine Menge und etwas versetzt neben dem Elektronikschrotthaufen liegen die Überreste der Patienten, die es nicht geschafft haben, Exempel schiefgegangener Testreihen, Knochen, fleddrige Flügelfetzen und lose Fleischhaufen, die wiederum neue Raben anlocken, die er mit Drahtschlingen fängt, betäubt und in den Hobbykeller bringt, wo er mit Skalpell, Schraubenzieher und Lötkolben jene Kreatur erschafft, die er dann in die Stadt schickt, wo der Cyborg aus Rabe & Elektrowecker morgens sein Unwesen treibt.

25.06.11
Drüben ein Flohzirkus aus Mini-Schülern, und der Dompteur, laute Stimme als Peitsche, der arme Mann muss ja auch aufpassen, dass er nicht der Depp ist, wenn eines der Kinder in the gap verschwindet und beim Durchzählen fehlt, Verantwortung galore, schwierig, wenn einige davon richtig kleine Kackbratzen sind, denen so ein kleiner Ausflug aufs Gleisbett gar nicht so schlecht bekommen würde, denkt er für eine Millisekunde, seine Hand auf der kleinen knochigen Schulter des Schützlings, darüber muss er unbedingt mit jemandem sprechen, aber die Zierfische zuhause antworte ihm ja nicht, die Telefonseelsorge ist besetzt, also schaut er sich eben im Netz eine Bilderserie von Wildunfällen an, atmet durch, so ist besser.

26.06.11
Da gibt es immer noch die Amateure, die tatsächlich versuchen, in der U-Bahn zu telefonieren, Funklöcher zum Trotze, und so klingen sie nach Platten mit Kratzern, Hallo Hallo, ich hör Dich nicht Hallo hörst du mich was was Hallo nein bin in der U-Bahn was hallo kein Empfang U-Bahn was Hallo kein Empfang U-Bahn, und das alles in einer Lautstärke, dass sich sogar der Motz-Verkäufer dran stören könnte, dessen Stimmbänder ebenfalls verkratzt sind vom Leben und Alkohol und seinem Monolog, von dem er jede Nacht träumt, seine Vita herausleiert zwischen Zahnlücken, in die ein Handy passen würde, längs, wobei der Empfang hier Hallo? Hallo!?

27.06.11
Ja, schick die Frau vor in die Rückgabeschlacht, du hättest gar nicht bemerkt, dass der Pullover ausgeleiert wurde vom ersten Mal waschen und vielleicht eher gedacht, beim Blick in den Spiegel, Du hättest abgenommen, aber nein, scheiße, und dafür gibt man Geld aus und hat damit den Salat & ein Glück hast Du den Bon aufgehoben, aber nur, weil die Frau es Dir geraten hat, weil Dir sowas schonmal passiert ist, und tatsächlich hast Du auf sie gehört, sonst würdest Du dir die Krätze ärgern, aber so hat sie den Bon als Schild und auch noch das Beil selbst in die Waschmaschine gesteckt und danach Dich in das Beil, und mal sehen, ob und wie sie wieder kommt, paar Minuten ist’s schon her.

28.06.11
Und dann ist der letzte vorgeschriebene Datumseintrag da, langsam nährt sich das Eichhörnchen und lehrt uns eines: was da alles kommen mag, ist stets unsicher und auch wenn’s zu simpel klingt, aber die Zukunft ist und bleibt am besten ein ungeschriebenes Blatt. Daher gibst du auch nicht viel auf den schwachen Röntgenbildschatten der Katze, Krebs oder Fingerabdruck oder der Tabakgeist. Die Zukunft ist also, halten wir fest, ein wackelnder Tisch, und je nachdem, was du zu Trinken bekommst, hast du evtl. die Möglichkeit, mit Bierdeckeln den Horizont zu berichtigen, aber selbst dann kann es sein, dass Du aufstehst, um deine Blase zu entleeren, am Tischbein hängenbleibst und dein Tabula sowas von rasa macht. Also besser sitzen bleiben.

21.09.11
Wieder in der Gegenwart und dem alten Plan, den täglichen Schreibfluss mit Zeilenbooten zu füllen, Anlegestelle Hirn, nun gerade olfaktorisch vom Kanalisationsgestank und knatternden Mopeds auf der Straße und dem Gelaber vom Nachbartisch über geile Internetkonzepte und dem unpraktischen Papierbogen am rechten Rand verärgert, Design ist eben nicht alles, fragt sich, ob der Macher dieses Essay-Heftes überhaupt mit der Hand schreibt oder nur noch auf seinem Ipad, weil das ist ja irgendwie schick und retro ist, die Idee, irgendwo gepitcht hat als geil, aber die einzigen Klicks, die du hier zählen kannst, sind die vom Hervorschnappen der Kugelschreibermine, mein Freund.

22.09.11
The pope is in town und zu diesem Anlass ein kleiner Retroschlitten den Memory Hill herunterschieben, 90er-Kufen: „The pope smokes dope!“ Heute füllt er immerhin das Olympiastadion, wobei, das hat auch Mario Barth geschafft oder der DFB, also hat das auch nichts groß zu sagen. Kurz, den meisten geht der Zinnober peripher am Podex vorbei und Pech für den Pontifex, dessen einzige Verbindung zur Jugend ein Internetmeme ist, der ihn zum Doppelgänger des Imperators aus Star Wars macht, aber das wird immerhin im unsterblichen Gedächtnis des Netzes bleiben, wenn der schwarze Rauch wieder aus dem Kamin steigt, ob wohl irgendwann ein inhaftierter Christ im KZ an den Krematorien vorbeiging Richtung Tod, darauf deutete und sagte: „Ihr braucht aber Jahre, um Euch auf einen zu einigen, was?“

23.09.11
Die Elstern fliegen Dogfights kurz über den Dächern, Maschinengewehrkeckern im Schnabel, das Magazin entladen sie kreisend über der Freigängerkatze, die schön drei Mäuse und zwei Vögel im Garten zerrupft hat, in den Überresten stochern begeistert kleine Stadtjungs herum, Mäuse nur bekannt vom Zocken und Poesiealben vom Klassenschwarm. Die Mutter ruft nach ihnen, doch die Zeit bleibt stehen, sowas Totes fasziniert immer, das ist nur menschlich. Währenddessen maunzt die Katze am leeren Outdoor-Fressnapf neben dem umgestülpten Wasserbehältnis, beides Auswirkungen des nächtlichen Igelbesuches, der kein Bock auf die ganzen Nacktschnecken zu haben scheint und als niemand ihr was zu futtern bringt, legt sie sich beleidigt in eine IKEA-Tasche.

24.09.11
Der Bringdienst hat ein scharfes Messer dabei, schneidet Dir den Bauch auf, füllt ihn mit schwer verdaulichen, mit Hackfleisch und Speck belegten Pac-Mans, betäubt das Ganze mit Häägen Dasz-Eis, so dass Du die OP nicht bemerkst, erst 30 min später, wenn der Samstagabend dich aus dem Sofakissen herausrufen möchte, hat sich das trojanische Pferd in deinem Magen in einen Zementmischer verwandelt, der dich von den Zehen an aufwärts bis zu den Ohren mit einem neuartigen Beton auffüllt – der besteht aus schwarzen Löchern und Magnetstaub, zieht alles dermaßen Richtung Boden, dass selbst der Griff zur Fernbedienung, Bierflasche, Kippenschachtel nur in Zeitlupe gelingt. Und währenddessen wünscht du dir, eines dieser neuentdeckten Neutrinos zu sein, die schneller als das Licht reisen können, zack&weg.

25.09.11
Going to the park, und nicht die Sonne, nicht das Gras und der blaue Himmel, völlig untypisch für diese Jahreszeit (wir sind die letzte Generation, die den normalen Jahreszyklus erlebt hat), nicht der Grillgeruch oder die spielenden Kinder, die flirrenden Libellen, die Aussicht auf die Stadt, sondern die auf die sonnenbadende Frau im Kleid, deren schwarzer Slip durch deine Sonnenbrille begutachtet wird, jetzt hat sie sogar den Saum hochgezogen, Bein übers Knie geschlungen, um an ihrem Zeh herumzuspielen, nicht lasziv, aber leicht voyeuristisch – nein, das bist du – exhibitionistisch veranlagt, treffen sich also die richtigen, so to speak, aber dann wird das Kinderspiel zu laut und nervig und der Reiz verfliegt.

26.09.11
Beim Kinderladen riecht es nach Gras, die Bäume werfen dir Kastanien auf den Kopf, alte Frauen mümmeln in Wartezimmern, wie die Katze neben deinem Ohr morgens, wenn sie hungrig ist – schmatz schmatz – bevor die Tatzenklatsche kommt, Lebkuchen stehen schon in den Supermärkten, im Behandlungsraum steht eine Metallbox (weiß) mit roter Schrift darauf: „HEILAND“, keine schlechte Idee, eine Box mit Jesusteilen, die bei den schweren Fällen herausgeholt werden, und deine Zehennägel sind schon wieder gewachsen und die Unterhemden werden kürzer und die Zahlen auf der Waage größer, was dir gut tun würde, flüstert es aus der Heiland-Box, wären ein paar Tage ans Kreuz genagelt, schön in der prallen Hitze & Essig zu trinken, da schwinden die Pfunde im Nu.

27.09.11
Klingelton: „I just died in your arms tonight…“
„Jaa? Bin grade… hmm… ich meld‘ mich nachher. Nachher. Ciao-Ciao.“
Dann schniefend und trockenrasselhustend das Handy wieder weggesteckt, während der nächste Patient lautstark das Klo benutzt, und es ständig schrill an der Tür klingelt, der Geruch von Krankheit kommt hier aus der Klimaanlage, wer aufgerufen wird nach einer Ewigkeit, verschwindet hinter einer der zwei Türen, mit Leder ausgeschlagen zur Dämmung, trotzdem hört man jeden Nadelpieks mit, während die Lunge der Telefonistin versucht, aus ihrem Hals zu krabbeln, stell‘ dich besser schonmal auf den Stuhl, bevor das Ding dich noch anspringt.

28.09.11
Morgen wirst du deine Katze einschläfern, aber das weißt du noch nicht, nicht den magnetisch-traurigen Blick einer Joggerin dir gegenüber einer Ampel siehst du, du hörst auch nicht deine Freundin, die Mascaradunkle Flecken auf deinem T-Shirt hinterlassen wird, wie sie in der leeren Wohnung mit der verschwundenen Katze redet und mit sich selbst, dass Weingläser zweier Chardonnayflaschen vom Kiosk einfach so in deinem Magen verschwinden ohne Konsequenzen, anfangen zu weinen, Weißweintränen, die innen am Glas herabgleiten, das Lungensekret mit Blut, dass am Ende der Lungentumor aus der kalten Schnauze presst, mag dir jetzt noch wie eine Reminiszenz an Schnee & Blutstropfen erscheinen, aber es ist kein Märchen.

29.09.11
Namen, die du deinem ersten Haustier – Europäisch Kurzhaar, schwarz, übergewichtig, Sternzeichen Fische, Alter 14 Jahre – gegeben hast:

  • Miekeltüte
  • Purzelchen
  • Se fätt Kätt
  • Miekatoni
  • Mieksel
  • Brummer
  • Batman
  • Katzenpatzen
  • Dicko

Und keiner davon steht auf einem Grabstein, denn dafür würde sie sich schämen, Asche im Rosengarten und ein Sonnenfleck der Ewigkeit

30.09.11
Der Hals der Stahlgiraffe schwenkt sich über den Biergarten, Feierabend, die …zunge muss keine Steinblöcke mehr durch die Gegend hieven, das Bier verschwindet wie gestern der Wein im gleichen schwarzen Loch im Innern, gut, dass es morgens duschen gibt, da spielen die Tränen Undercover-Cop, die üblichen Verdächtigen tauchen immer wieder auf, kein Wechsel, es sind immer die Gleichen, das leere Klopfen auf dem Sofa ohne Tatzensprungecho, das pelzige Etwas auf einem Stahltisch, von dem Du so sehr gehofft hast, dass es die häusliche Matratze sein würde, die letzte Kanüle, der letzte Atemzug und der vergebliche Versuch, dem Tierchen die Augen zu schließen für den Großen Schlaf.

01.10.11
Und dann war da noch der alte Mann, dessen Nacken im 90°-Winkel vom Körper abstand, alles was er sehen konnte, war der Gehweg, der kleine Fleck vor seinen schlurfenden Füßen und dem Gehstock, so hatte er sich wohl von Gottes Anblick abgewandt, und es zuckte in deinen Händen, hinzugehen und ihn wieder geradezubiegen, genauso wie der Ansporn, eine sich ständig schließende Kofferraumtür eines Kombis zu reparieren. Ob der Mann zuhause alles auf seine physiologische Fehlstellung eingerichtet hatte? Ein Fernsehsessel, auf dem er wie ein Astronaut beim Launch sitzen würde? Oder komplexe Spiegelmechanismen an Böden, Wänden und der Decke? Oder saß in Wirklichkeit ein Gnom auf den Schultern eines zweiten Mannes im Mantel? Woran man nicht an alles denkt, wenn man sich ablenken will.

02.10.11
Im Sand sitzt eine alte Frau im Rollstuhl, im Zentrum des Palmenwedelschattens abgestellt, sieht sich das gigantische Hotelschiff vor dem Hafen an, stellt sich vor, am Bug auf dem Helikopterlandeplatz (direkt auf dem H-Querstrich) zu sitzen, volle Fahrt voraus, so dass es ihr den vermaledeiten Campinghut von den dünnen weißen Haaren wirbelt, ins Blaue wie eine mit dem Schrotgewehr abgeschossene Seemöwe hinabtrudelt, und im besten Fall springt ein Delphin aus den Wogen, kurz bevor die Seemöwenmütze von den Wellen geschnappt wird, macht einen Salto, und zwar so perfekt, dass der Hut genau auf dessen Kopf landet, Freeze-frame für die Erinnerungsfotowand, wenn die alte Frau alleine im Bett und im Dunklen liegt und wieder mal nicht schlafen kann.

03.10.11
Die Seemöwen hier sind so clever, dass sie nicht mehr Richtung Meer fliegen, sondern stadtwärts, zu den Fischrestaurants, kurz nachdem sie geschlossen haben, wo sie sich auf die blauen Müllcontainer hocken und mit ihren Schnäbeln die weggeworfenen Brocken aus den Mülltüten herausklauben, das Essen zahlen andere, aber während die menschlichen Esser das Zeug später mit den Cocktails, Bieren und Weinen in die Hotelkloschüssel kotzen, fliegt die Möwe zurück ins Nest und serviert den hungrigen Küken 4-Sterne-Kost, anverdaut und angewärmt. Klingt eklig, hat aber durchaus mehr Sinn, und im Gegensatz zu den Zweibeinern in Zweireihern können die Viecher immerhin fliegen, während der Rest auf der Straße auf ein Taxi wartet, weil es im Darm schon bedrohlich brodelt.

04.10.11
Und noch einmal die Möwe, weißer Blitz im Nachthimmel, leg‘ den Kopf in den Nacken und wünsch dir was, das Ganze dauert nur einen Bruchteil einer Sekunde, da darf der Wunsch nicht allzu lang sein, nicht so wie die Bein der Pan-Am-Hostessen, Tierchen wieder zum Leben erwecken funktioniert aber nicht, alles, was du kriegst, ist ein Kater am nächsten Morgen, da hat wohl einer da oben nicht richtig zugehört, und dass du eine meterlange Alkoholfahne hinter dir herziehst, sagt dir auch keiner, und dass dir die Sockenbänder das Blut abschneiden, merkst du auch zu spät, die nimmst du nicht mehr mit, und soviel herumlaufen bei dem Muskelkater ist sowieso ungesund, Schritt beschleunigen am Russischen Pavillon, wo es davor nach Kotze riecht, geht dementsprechend nicht, hilft nur Luft anhalten und Fassung bewahren bis zum Strand.

05.10.11
Augenlider wie ein Fallbeil
dahinter stets ein Abgrund
der Deinen Körper ansaugt
wenn du hineinfällst
erscheint
ein elektrisches Feld
so muss das
bei einem Defibrilator sein
ein kurzer Schock
die Hände kontraktieren
wenn du Pech hast
ohrfeigst du deinen
Sitznachbar im Flugzeug
trittst dem Vordermann
volle Kanne ins Kreuz
wenn der Stromstoß
deine Zehen erreicht hat
tu einfach so
als würdest du träumen

06.10.11
„Boah ist die dünn, was für ein schönes Kleid sie anhat… Meinste die freut sich auch, wenn sie mal in ne Jogginghose kommt? Das darf die schon, oder? Was meinst du? Das wird ja immer schlimmer… Hanno, ich glaube, das wird schwierig ohne deine Gläser in den Augen… boah, hat die lange Beine. Sag mal, spinnst du? Stop, jetzt… ich glaube nicht, dass du das tust, um zu zeigen, wie sehr du mich liebst, sondern weil du mich ärgern willst, richtig? Ich weiß es nicht, ob du das wirklich so – guck mal da, jetzt holen sie alle so ein Lifting-Serum, glaubst du wirklich, dass der schwul ist, Hugh Jackman? Nein, ich mag das Knacken in deinem Arm, hmm..hmmm. Hmm, also irgendwie sind die alle ganz schön armselig, oder Schatz, findest du das nicht auch?“

07.10.11
Wer hat dir denn
die Nägel geschnitten
so kurz
da kannst du
niemandem die Augen
mehr auskratzen
wer hat dir denn
die Zähne stumpf geschliffen
da schneidet sich ja
kein einziges böses Wort
die Adern daran auf
wer hat dir denn
die Haare verklebt
so sehr
da kannst du dir
dein eigenes Nest bauen
und drin hausen
und die Jahre versauern

08.10.11
Ob acht ob Neun
ob flach ob Stein
so glitscht es
Marmorjesus übers
Wasser & keiner zählt
Man sagt den Läufern
Spinnenbeine gegen die
Spannung nach
Man hält die Luft an
Ob acht ob neun Sekunden
die Schwimmblase lässt
dich im Horizontalen schlafen
Strichlinien malt die Sonne
herunter auf die Quallen
in jedem Tentakel ein Harpunenwald
gut Kirschen essen
ohne Mund ganz schön knifflig
wie tief muss man sinken
bis nichts mehr geht

09.10.11
Wenn ich den erwische, der vor nicht allzu langer Zeit direkt vor meinem Gesicht genossen hat, ohne die Hand vor den Mund und die Nase zu halten, ich habe schon genau in dem Moment die herumfliegenden Viren in meiner Einbildung gesehen und nicht eingeatmet, aber wohl umsonst, durch schlechtes Benehmen kratzt schon der Hals beim Schlucken, die Nase ziept, die Gaumenspalte juckt, da schüttet man sich präventiv nun literweise Tee hinein und schluckt Tabletten, aber bringt nichts, Nasenschleimproduktion läuft wie geschmiert, als gäbe es dafür einen asiatischen Markt, jetzt, da Steve Jobs tot ist, wollen sie eventuell ja einen neuen Guru, der seltsames Zeug fabriziert, das keiner braucht, aber dafür jeder haben will.

10.10.11
Unterwasser brabbelt der Fernseher, der Schluckapparat fährt Lift, auf & ab, die Heizung gluckert vor sich hin; jetzt eine Fußmassage für ein Königreich, der Kopf voll Rotz & verklebter
Gedanken what to do, und wie schön wäre es doch, ein Bär zu sein, schön holziges Zeug fressen, bis man von innen das Arschloch verstöpselt, sich eine Höhle bauen, noch ein letztes Mal auf die Waage steigen, 86,7 kg (früher warst du leichter), und dann schön in den Winterschlaf gleiten, sich einen Roman durchträumen – oder mehrere Staffeln „Wunderbare Jahre“ und draußen vor der Höhle havarieren Tanker und Banken, Kriege als lautloses, abstraktes Ballett, die Atombombenexplosion sieht der Bär als kleine Punkte hinter den Lidern und schnarcht.

11.10.11
Willkommen im Hintertreffen
für einen wie dich
haben wir stets einen Platz reserviert
und einen Laternenmast gepflanzt
an dem dein innerer Schweinehund
das Beinchen heben kann
und hier ist noch ein Schaffell
für den Lichtkegel
die Spiegel sind abgehängt
die Waagen manipuliert
auf dem Herd steht ein Kessel
da kannst du alles aufwärmen
und da das Teppichmesser
für den Kratzersprung in der Platte
die Eiswürfel im Glas
frieren das Hirn ein
such dir nur den passenden
Gedanken aus –
der wird heute dein Bodyguard

12.10.11
Liebes Tagebuch, was du ja nicht bist, nicht im klassischen Sinne, sondern im definitiven, aber macht nichts, einmal wolltest du das wenigstens mal schreiben, sehen, wie sich das anfühlt, nach der Pubertät von anderen auf jeden Fall. Und wenn wir schon dabei sind, probieren wir das mal aus: Lieber Gott, warum warst du so böse und hast mir meine Katze weggenommen? – könntest du fragenschreiben, aber auch der Ansprechpartner klingt nach krakeligen 9/11-Zetteln, die eingeschweißt auch noch die nächsten Jahrhunderte lesbar bleiben werden und vielleicht von Zukunftsarchäologen unter Hochhausschutt herausgepinselt werden, in der Hoffnung, dass eine gesunde menschliche DANN (Träne o.ä.) plastiniert wurde für die Wiederbelebung einer untergegangenen Lebensform.

13.10.11
Merke, Kohlrabi verursacht Blähungen, don’t eat, in closed rooms open window immediately and keep girlfriend from entering, besonders, wenn deine Nase völlig verschnupft ist und dir der Rotz schon aus den Ohren quillt, das ist per se schon nicht romantisch: geschwollene Augen, rote Nase, trockener Husten und dann noch Flatulation, na vielen Dank. Nicht, dass das hier Richtung Thomas Mann geht, der nichts besseres zu tun hatte, als seinen Stuhlgang täglich zu dokumentieren, wenn es denn Mann war, vielleicht auch jemand anderes, auf die Idee würdest du niemals kommen, peinliche post-mortem-Infos an die Nachwelt, da ist es egal, ob du mit deinem bahnbrechenden Roman damals Literaturgeschichte geschrieben hast, das Einzige, woran sich die Leute erinnern werden, ist, dass du deine Scheiße gewogen hast.

14.10.11
Und gegen 4 Uhr morgens erzählt dir deine Freundin plötzlich, dass sie hinter deinem Rücken mit vier Männern Zungenküsse ausgetauscht hat und das schmeißt die Welt zusammen, auch wenn es nur Provokation war, was sie im Nachhinein beteuert, aber eine Art, die du schon kennst und fürchtest und deswegen hofft, dass nicht derselbe Bruch passiert wie damals, irreparabel, von wegen Parabel: es war einmal ein Maulwurf, dem versprochen wurde, nicht blind zu sein, er war ein fleißiger Maulwurf, hatte gefühlt schon tausende Hügel aufgeworfen und die Stimme sagte ihm, sie hätten aus allen Hügeln einen Berg geformt, höher als der höchste Berg der Welt, er könne es sich das einmal ansehen, aber der Maulwurf verschwand.

15.10.11
Schön die Haare mit Ionen durchgefönt, das Blut schmuggelt sich an jeder Alkoholkontrolle vorbei, statt weißen Mäusen siehst du einen brennenden Mann und noch reitest du auf der Prä-Kater-Welle, all is sweet and the sky is blue, im toten Winkel erscheint schon ein pelziger Schemen unter Wasser, nimmt deine Fährte auf und folgt dir. Als erstes schmeißt du Kopf-schmerztabletten in sein Maul, die schluckt er dann mit Cola, davon muss das Monster rülpsen und von dem fettigen Essen gibt’s höchstens einen Pickel, machst du die Augen zu, schnappen die Tatzen nach deinem Hirn, schlagen die scharfen Krallen übers rechte Auge tief in deine Schläfe und jonglieren damit die Neuronen durchs Schwarze, bis du aufgibst und auf deine Strafe wartest.

16.10.11
Fuck
mal wieder in Verzug
war aber nicht
meine Schuld
die Motten
hatten den gleichen Geschmack
wie ich
Loch im Lieblingspulli
trotz Klebefallen
und ich dachte
die Drecksviecher
ernähren sich nur
von Müsli und alten Pistazien
nächstes Mal
wenn ich euch sehe
schalte ich nicht
die Schreibtischlampe aus
sondern seh‘ zu
wie ihr den Mond findet

17.10.11
Mit der Disziplin
haperts
in den Eingeweiden
knatterts
deine Freundin
labert
zu sich selbst im Bad
was sie sich wohl erzählt
vielleicht wie alles
mal zugrunde geht
und hurra
man danach sich
Fotos anschauen kann
wie es war
und wie schön eigentlich
und mein Gott das ist doch normal
ich rede mit mir selbst
sonst ist ja keiner da
der sich sonst den Blödsinn anhört

18.10.11
Du bist der Dämon
Zeit
ich dachte
wir treffen uns erst
wenn ich 70 bin
aber Nein
du musst ja
die Siebenmeilenstiefel anziehen
damit ich
Pseudo-Lyrik
als Zeilenfutter benutze
ich weiß
es geht auch anders
ich weiß
da war mal was
so vor 33 Jahren
und dazwischen
aber was
genau?

19.10.11
Da hast du den Kampf & den Krampf: jeden Tag was schreiben und das bei deiner Schere im Kopf und deinem monotonen Leben, was soll da schon kommen an wunderbaren / interessanten / packenden / manifesthaftigen / bleibenden Dingen, was soll da noch kommen außer den kleinen Lebewesen / Lebensweisen, die nichts und dich ausmachen, aber immerhin hast du es dir vorgenommen, als wäre es die Hartz IV-Aufgabe, jeden Tag etwas für deine Zukunft zu tun, zu beweisen, dass es ja doch geht, die 24h-Deadline, die Kiefer Sutherland ja auch hatte, nur dass du keine Knarre hast und kein Land zu retten, und was du wohl im Dritten Reich gemacht hättest, weiß du auch nicht, vielleicht den Hitlergruß mit Stinkefinger erfunden, hoffst du.

20.10.11
The good old times
und wenn es schon englisch ist
stimmt es nicht
da ist die Weinflasche
in der Ledertasche
da ist die Kippe
in der Unterlippe
da ist der verlorene Furz
mitten in der Gruppe
und die Flucht nach draußen
die einen weinen nachts am Meer
die anderen sitzen auf dem Trockendeck
die Blase gefüllt
den Arsch zusammengeklemmt
die Eier gibt es morgen früh
und irgendwie fliegt im Jägermeisternebel
der letzte Gedanke Richtung Süden
trifft auf schlafende Haare
und baut sich dort sein Nest

21.10.11
Pass bitte mit dem Kaugummi auf
nicht, dass du dir ein Loch
in die Innenbacke beißt
die in Singapur haben’s ja verboten
weil so ein neues Loch im Gesicht
nicht wirklich ansehlich ist
außer du bist ein Yogi
in dem Fall
freut sich die Stricknadel
pass nur auf
dass sie nicht festrostet
und die Feuerwehr dann kommen muss
um dir das Teil
rauszuflexen
da fliegen dann die Funken
und dein Bart fängt Feuer
wird mit Löschschaum eingesprüht
statt die Rasierklingen zu schlucken
kannst du dich damit rasieren

22.10.11
Dein Furz ist dein bester Freund
folgt dir dein ganzes Leben lang
hält dir den Rücken frei
und böse Geister ab
manchmal schnarcht er nachts
so laut
dass du dich schämst
wenn jemand bei dir liegt
wenn er leiste flüstert
braucht keiner spitze Ohren
zwei Nasenlöcher reichen
ja, der Kerl führt sich
manchmal Scheiße auf
keine Ahnung warum
ich immer noch was mit ihm zu tun habe
manchmal ist er
wie ein Teil von mir
tief unterhalb des Herzens
er wartet auf sein Coming-Out

23.10.11
Chronischer Husten
& ein Pickel am Hinterkopf
die Fingernägel bis zum Mond
meine Botschaft haben sie ausgewiesen
die Paparazzi haben keinen Film
in ihren Apparaten
und was besseres zu tun
dein Leibarzt zieht vor Gericht
das Leben ist ein Bluescreen
ohne Verfolgungsjagden
und Special FX
die children bleiben zuhause
da was raubkopieren
lohnt sich nicht
die Community hat keine Likes übrig
der Kommunismus hat
ein neues Logo
das kannst da sogar selbst
draufbügeln

24.10.11
Grimasse an
Krallen raus
Hände hoch
Bauch rein
Augen auf
und zu
und durch
und
1
und
2
und
3
Hilfe Polizei
Hip Hip Hurra
die Schule brennt
die Schwarte kracht
heute wird
einer draufgemacht

25.10.11
Das Hinterherhinken
reißt Häuser ein
in denen die Linientreuen wohnen
nimmt die Prosa
gefangen &
verpasst ihr ne Gehirnwäsche
ab heute wird Lyrik geschossen
den Letzten beißen die Hunde
der Weg nach vorn mit
Daten in Eselsohren getackert
Hurry up
da gibt es noch so viele Seiten an dir
die man nicht
verpassen sollte
dies ist kein Winterschlaf
dies ist purer Ernst
komm in die Puschen
reiß dich am Riemen
für’s Up-Date

26.10.11
Yes, I’ll call you later
I am so happy
And you’re so cute & sexy
Okay my dear
Wow
You really look
so much younger
call me crazy
or Herbert
you’re the one and only
so far so good
Baby Baby
I’m on fire
Liar Liar
Like a virgin
Let’s take
these diapers off
and start
grooving

27.10.11
Drüben jault der Hund
die Katze sitzt in der Wanne
den einen hauen wir
in die Pfanne
mit der anderen
werden Monologe geführt
die Spülung rauscht
die Kasse klingelt
wer ein Stück Pizza
in der Kühlbox findet
darf den König spielen
zwei Tränen hast du
stets im Ärmel
und die ASU
für deinen Darm
go home
or
go weg
vom Leben nur ein dunkler Fleck

28.10.11
Was hat zwei Beine
& ein Lügenmaul
Wer macht die Nacht
zum Tage
& nimmt Eintritt dafür
Wer schreibt deine Liebeslieder
um
& wer lässt den Gärtner
ins Gras beißen
wer ist eine Insel
& besteht nur aus schroffen Klippen
Wer steckt das Neugeborene
in die Bosch-Waschmaschine
die Füße in den Sektkühler
& jeden in die Tasche
Wer legt sich ins ungemachte Bett
& vögelt mit dem Zimmerservice
Wer starrt in den Spiegel
und weiß die Antwort

29.10.11
Die Zeit ist der Roadrunner
die unter deiner Schlappschnauze
vorbeirast, auf & davon
& dass, obwohl Du noch in der 30er-Zone bist
Wie wird das erst mit 70
da blinzelst du
& schon wieder ist eine Woche um
Zeit für eine neue Relativitätstheorie
Wenn du mich fragst, Albert
Ich hoffe nur
dass mein Parkschein
nicht kontrolliert wird
wenn doch
ist die Scheiße vorbei
schon längst vollgepflastert
aber bis der Mahnbescheid kommt
sind wir schon durch
drei neue Wohnungen durch
immerhin etwas

30.10.11
Irgendwann reicht es
dein Kopf sagt
Boarding completed
Handgepäck geht über Bord
um den Vogel in die Luft
zu kriegen
der Schrank mit allen Tassen
nimmt deinen Nebenplatz ein
auf Schnittchen & Getränke
kannst du lange warten
& auf hübsche Flugbegleiterinnen auch
die hängen alle noch
mit dem Kapitän
in der Raucherbox ab
haben sich die Sauerstoffmasken
geklaut & fressen
Mega-Toblerone
die einzigen Turbulenzen
kommen aus dem Darm

31.10.11
Im Vordersitz steckt die Flugbroschüre, drei Models lächeln dich an, aber die Ausschnitte werden von der Kotztüte verdeckt, schönes Bild und apropos Kotztüten: wer hat dir nochmal erzählt, dass sich seine Schwester übergeben musste und im Flugzeug nach der Kotztüte griff, die aber bereits gefüllt war und dadurch die eigentliche Kotzeritis erst richtig losging? Als fiesen Trick könnte man natürlich auch mit einer Rasierklinge die Böden heraustrennen und die Tüten wieder zurückstecken – auch ´ne Überraschung und Bescherung, auf Anzughose oder Businesskleidchen, da hilft das sexy Lächeln der Hochglanzstewardessen auch nicht mehr.

01.11.11
Vielleicht bist du ja sowas wie eine Goldmine, die du jahrelang ausgeschlachtet hast, ohne zu merken, dass die Goldader nicht unendlich in die Tiefe geht, und jetzt, wenn du ins Innere kletterst, reflektiert da nichts mehr, kein Funkeln, nur ausgehöhlte Löcher, in denen alte Kippen liegen, Dynamit für neue Wege hast du auch nicht mehr, also kriechst du mit der Nase knapp über dem harten schorfigen Boden, fährst mit den Finger in alle Ritzen, leckst ihn mit der Zunge immer wieder nass und suchst weiter, in der Hoffnung, etwas Diamantenstaub bleibt daran haften, oder wenigstens ein bisher nicht entdeckter Satz, eine Inschrift, die ein Genius hier unten in den Bimsstein gemeißelt hat, aber letztlich verirrst du dich nur dabei.

02.11.11
13000 Jahre floss unser Brauwasser durchs Vulkangestein, bis es im Sixpack unter dem Arm deines Vaters landete, der ihn mit der SUEDDEUTSCHEN ZEITUNG zu verbergen versucht, die roten Äderchen auf der Nase werden aber von mal zu mal deutlicher und die Frage, ob du neben der Kurzsichtigkeit noch anderes unschönes geerbt hast, steht auf der Rückseite des Flaschenetiketts, die Antwort auf dem Flaschenboden – aber darüber wird nicht geredet, man wartet wohl, bis es zu spät ist oder wird, und wer nichts wird, wird Wirt oder alkohol-abhängiger Pensionär; ja, es ist traurig und ein wenig dramatisch, aber letztlich wohl kein Einzelfall, das passiert in jeder guten Familie.

03.11.11
Im Barte des Propheten
lauert der Furunkel der Wahrheit
Im Arsche des Propheten
die Klabusterbeere der Feigheit
von der blinden Katze
im Tränensack
wollen wir gar nicht erst anfangen
so lange es noch Fässer gibt
die seltsame Schatten in die Höhle werfen
ein kluger Mann sagte einst –
& hatte nach dem „T“
einen Herzinfarkt
Die Leute um den Schaffner
sahen ihn fallen
ein Baum im Menschenwald
ohne Geräusch
er war ein großer Mann
weinten die Traueranzeigen
und der Sargtischler freute sich

04.11.11
Zeitmaschine / Studentenparty
alles in IKEA gehalten
& das heißt
sie stehen noch davor
geschmacklich entjungfert zu werden
oder auch nicht
ist doch Lehramt
bei denen hält das gerne
auch ein Leben lang
& natürlich hast du
seltsames blaues Zeug
an der Fußspitze
der böse alte Wolf
mit der Kinderscheiße am Haxen
der blonde Rest nippt Prosecco
& raucht nicht
das kommt noch
warte nur ein Weilchen
irgendwann findest auch du die fehlende Schraube

05.11.11
Vom Krieg mit den Nägeln, Schrauben und Möbeln kehrst du als alter Bartzausel mit Augenringen und Hautabschürfungen zurück, aber was sollst du tun als deine brüderliche Pflicht, gut fürs Karma, aber irgendwann ist auch mal gut, Herz ruft nach dem Bett zuhause und die Arme deiner Liebsten und vielleicht noch ein pelziges Kuscheltier warten auf dich, lange Ausschlafen, rasieren, richtig Duschen ohne den Buckel krumm zu machen, aber dass übermorgen die Woche mit ihren Fängen lauert, gefällt dir gar nicht, urlaubsreif wäre wohl der passende Begriff, mal sehen, ob dir im Flugzeug die Augen zufallen und du die Kabine zusammenschnarchst und eine tief dekolletierte Stewardess dir eine Decke, ein Kissen und ein kleines Küsschen gibt.

06.11.11
Das Bett zerkracht
wenn man darauf Liebe macht
die Katz springt
mit einem Satz
ohne sie zu verfehlen
direkt auf deine Kronjuwelen
so hast du dir
den Sonntag auch nicht vorgestellt
Nacht wird es schon um vier
Dein Spiegelbild hat jemand abgehängt
& ersetzt mit einem, dass dir nicht gefällt
Kann dir mal jemand endlich sagen
wann dein Winterschlaf anfängt
und die Fenster Eisblumen tragen
nicht dass die Kälte was Tolles ist
macht nur Spaß, wenn du in den Schnee pisst
aber rausgehen bitte nur im Notfall
lass Jesus und die Family im Ochsenstall
und mach die Äuglein zu

07.11.11
Klapp-klapp, Ding-Dong, das ist der S-Bahnsong, das Publikum steht in Nationen, der mit dem Hund verkauft das Programmheft und alle schauen sich gegenseitig auf die Schuhe oder lesen zwischen den Zeilen, die Uhrzeiten werden abgelöst von Haltestellen, noch 10, noch 9, das ist der Pendler-Countdown von A nach B, wieviele Kilometer du wohl in deinem Leben hinter dich bringst, man könnte ja eine Anzeige auf deinem Sargdeckel anbringen, oder wenigstens auf dem Grabstein eingravieren, die gelangweilten Grufties auf dem Friedhof könnten damit dann Leichenquartett spielen. Wenn man dann noch einen Zähler in die Seele einbauen könnte, wüssten wir, wieweit Himmel und Hölle von der Erde entfernt sind, wär doch was.

08.11.11
Drüben macht die Katz Rabatz
wenn ich’s nicht besser wüsste
würde ich sagen
klarer Fall von ADHS
während in Nachbars Wohnung
der Hund des Nachts zu jaulen anfängt
klarer Fall von Tierquälerei
würde ich behaupten
wenn ich‘s besser wüsste
klingt so, als würde er sich
von innen gegen eine Duschkabine werfen
vielleicht drehen die da drüben ja
auch Tierpornos
statt Flaschensammeln
eine Variante die Rente aufzubessern
die Katze hört es auch
spitzt die Ohren und starrt
als sähe sie Gespenster

09.11.11
Heute schluckt das Nichts die Großstadt, die grauen Herren sitzen in ihren Türmen und unten protestiert die Occupy-Bewegung, stecken Zeitblumen in die Gewehrmündungen, über Funk der Befehl: pflanzt die Bajonette auf, und meanwhile stehst du auf dem Balkon im Betonlautsprecher der Wände läuft Schlagermusik von oben, die Katze rennt die Schrankwand hoch auf den Ausguck und deine Zigarette ist das Leuchtfeuer für deine Liebste. Zwischen Mond und Erde rast ein Flugzeugträgerbrocken vorbei, das liest man einen Tag davor in den Medien und fragt sich, ob das usus ist, wenn ja, ist beim Doomsday-Asteroiden nur 24h Zeit, um aus deinem Leben noch irgendwas zu machen, da helfen auch die gesammelten Blüten auch nichts mehr.

10.11.11
Things you hate:

  • Zu kleine Duschen
  • Nasse Handtücher
  • Haarföns ohne Power
  • Letzte Reste der Zahnpasta, die von der Bürste rutschen
  • Wimpern im Auge
  • Pommes frites ohne Ketchup
  • Kalte Ohren
  • Falsche Socken anziehen
  • Abgeknickte Zigaretten
  • Fehlende Taschentücher
  • Abrutschende Schraubendreher
  • Gerissene Schnürsenkel ohne Ersatz
  • Leere Kugelschreiberminen
  • Pickel im Nasenflügel
  • Eine Mücke im nächtlichen Schlafzimmer
  • Löcher im Socken
  • Abknickende Streichhölzer

11.11.11
Eins Eins Eins Eins Eins Eins
Da feiert sich der Jeck ein Ei
im Konfettiregen
durch Kotzlachen stolpern
und sich zerbrochene Flaschenscherben
durch die Sohle treten
tut nicht weh
Gott sei Dank gibt’s Kölsch
die schütten sich‘s in den Nacken
und der vorm TV nur mit dem Kopf
seltsam, dass es dich
nach bestimmten Dingen nicht giert
überlegst du einen Moment
während des Kanalwechsels
landest bei Botoxlippen / weiter
den Nachrichten / weiter
den bedrohten Tierchen / aus
& dann dein Gesicht gespiegelt
in der Mattscheibe

12.11.11
Draußen gibt’s Nebelsuppe
mit Blättersuppe
da hab ich keinen Hunger drauf
und schon gar nicht
auf das Eisdessert:
Zitronenhundepisseeis mit Kackstreuseln
und irgendjemand hat den Kühlschrank
offengelassen schon wieder
bald ist monatelanger Kindergeburtstag
mit Schneekonfetti &
Schichtenkleidung zum Schokoladeaufreißen
mit Handschuh, Messer & Gabel
Anwesenheit ist Pflicht, leider
Immerhin gibt’s dann irgendwann Geschenke
und brennende Kerzen im
Himmelskuchen
Vielleicht fange ich an zu heulen
mal sehen, ob mich jemand
frühzeitig abholen kommt

13.11.11
Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt. Pass beim Fußball auf, wenn neben Dir ein Fettkloß umfällt – sonst macht’s Knack & the shit hits the fan.

14.11.11
Na wunderbar, jetzt bist du der letzte Teil des Sphinx-Rätsels, darfst die nächsten Wochen auf vier Beinen durch die Weltgeschichte humpeln, während dir immer wieder die Kollateral-Szene im Repeatgeiste erscheint, gepfeffert mit wachsender Aggression auf den unschuldigen Trottel und Verursacher. Well, get over it, Kurs für Anfänger. Immerhin hast du jetzt einen Vorwand, auf dem Sofa rumzufläzen und die Beine hochzulegen und zudem die Punkte „OP“ und „Krankenhausaufenthalt“ auf deiner Lebensliste abgehakt. Nicht, dass das überlebens-wichtig wäre, und andererseits hattest du ja gehofft, bis ins hohe Alter die Ärzte damit zu beeindrucken, zu sagen, du wurdest noch NIE operiert, aber tja, besser als Krebs zu kriegen.

15.11.11
Schön den Bauchspeck zusammenrollen und dir die Thrombosespritze reinjagen, Grundlage für Scherze in puncto frühere Drogensucht, und das Wadenbein erinnert doch auch an Michael Ballacks Tragödie, je mehr Stoff für Spaß du liefern kannst, desto glücklicher sind die Blicke der mitleidigen Besucher, hinter den Augen in Versalien: MEINE FRESSE, BIN ICH FROH, DASS MIR DAS NICHT PASSIERT IST. Nicht schlimm, das Gleiche hast du auch schon des Öfteren gedacht, die gleichen Scherze gemacht, um dem armen Teufel Mut zuzusprechen, immerhin tut die Deutsche Nationalmannschaft auch ihren Teil dazu und gewinnt gegen Holland 3:0, wenn mir jetzt noch jemand eine Zeitmaschine schenken würde, entweder zurück oder fast forward, wäre das echt was.

16.11.11
Immerhin hast du irgendwie den Vorteil, dass die Scheiße vor Weihnachten passiert ist, Vorteil im Sinne von: Die X-Mas-Zeit vergeht bekanntlicherweise immer verdammt schnell, Turbo-Boost, ob das auch dann funktioniert, wenn man an einer Verletzung laboriert, wird sich zeigen. Nachteil wiederum das Wetter: Glatteis und Schnee in Kombi mit Krücken ist nicht so der Knaller, aber vielleicht dauerts ja noch bis zum ersten Schnee. Weitere Pro’s, um mal optimistisch zu sein: deine Hühnerbrust freut sich zusammen mit den Bizepsen, wenn schon keine Fitnesscenter-Mitgliedschaft, dann eben die im Klub der Krüppel, auch ein Workout, und vielleicht hörst du ja doch mit Rauchen auch, mal sehen.

17.11.11
Das OP-Höschen hier wäre der Verkaufsschlager bei Beate Uhse, die Haarkappe eher nicht so, und die verabreichten Sedativa kannst du auch niemandem andrehen – auf den Narkosearzt hattest du dich ja am meisten gefreut, aber nüschte: keine Hallus, strange „Big Lebowski“-Träume oder derartiges. Bißchen Drogen-Nachhall wäre hier in der 4er-Stube nicht übel gewesen, wobei Du das ja vom Bund kennst, trotzdem hast du derzeit noch Hemmungen, in die Flasche zu pinkeln, aufstehen ist verboten, mal sehen, was die Abendvisite sagt, aber immerhin haben sie hier doch wenigstens eine hübsche Kraneknschwester, die dir die Spritzen in den Bauch jagt, bei der Gelegenheit hättest du ihr natürlich auch das schicke Sex-Höschen zeigen können, aber du kennst ja nicht mal ihren Namen.

18.11.11
Wann war der letzte Stuhlgang, fragt die hübsche Krankenschwester den Nebenmann, bevor sie ihm die Thrombosespritze reinjagt, für Romantik ist hier kein Platz, die Zikadengeräusche plus Blätterwald letzte Nacht kommen nicht von draußen, sondern von dem Kerl mit dem Tremor in den Händen und dem offenen Mundgeruch gerade, schlimmer als normales, das seltsame Tiergeräusch schleicht sich an jeglichen Ohropax vorbei, macht aber nix, weil er alle halbe Stunde sein Neonlicht über dem Bett anmacht, um auf seine Uhr zu schauen, da trägt man sich doch mit dem Gedanken, dem Gesicht einen Besuch mit der Kissenfee abzustatten, Mord im Krankenhaus, aber er hat Glück – mit dem Wadenbeinbruch darfst du nachts nicht alleine aufstehen, sagte die Schwester jedenfalls.

19.11.11
Look at me
I’m Frankenfoot
mit Plattfuß
die Beinchen rasiert
& rot lackiert
mit schwarzer Naht zugeschnürt
Geschenkpaket vom Krankenhaus
bitte ohne Rückadresse
einmal hat gereicht fürs Leben
& späteren Smalltalk auf Partys
nicht dass mir nicht was anderes
zum Reden eingefallen wäre
aber mich hat ja keiner gefragt
der Rest ist Schwerkraft & Physik
der Fuß ein impressionistische Gemälde
der Holzwurm drin besteht aus
Eisen & wenn ihm langweilig ist
puckert er sich einen von der Palme
diese Drecksau!

20.11.11
Wenn ich der Einbeinige bin
Wer sind dann die Blinden bitteschön?
Die Seele baumelt am Galgen
der Fuß liegt hoch
auf Kissen gebettet als
wäre er ´ne Trophäe oder
ein Museumsstück auf Samt
& innendrin machen die
Bauarbeiter aus „Es war einmal der Mensch“
Überstunden am Knochenbruch
schweißen und betonieren hoffentlich
24/7
ohne dass die Mafia vorbeischaut
oder die Gewerkschaft für Lohnerhöhung kämpft
come on, eure Familien wollen
Geschenke an X-mas
legt euch ins Zeug
ich will Überstunden sehen, verdammt

21.11.11
Irgendwann ist das Fußthema ja wohl auch mal durch, hoffst Du, kannst ja nicht die nächsten Wochen jeden Tag was drüber schreiben, außer Du hast vor, das an Fußfetischisten zu verkaufen. Dass du die Thai-Hose noch vor nächstem Sommer anziehen würdest, ist auch so ´ne Überraschung, und im besten Fall ein neuer modischer Wintertrend, braucht nur von einem Scout auf die Straße gesehen werden und los geht’s – mit dem chinesischen Penner hat’s ja funktioniert, warum nicht auch dann bei Dir. Fragen über Fragen, mal sehen, was der Herr Dokter dazu sagt, die 2-Klassen-2-Kassenschleuse geht heute immerhin schneller auf als beim letzten Mal, kurz vor Feierabend ist wohl die beste Zeit dafür – merken!

22.11.11
Die Katze verjagt dich vom Stuhl
das Fenster zum Hof
könnte mal geputzt werden
wobei da draußen
nicht wirklich was passiert
wo sind die nackten Tatsachen
und Dramen
wenn man sie braucht
wenn man eine raucht
auf dem Balkon macht sich
der Winter breit
Frischluft kriegst Du aus dem Freezer
die Stunden ein Brei
aus Youtube-Minuten
nennt mich Reinhold Messi
Duschen ist was für Gymnasten
Essen was für Standfeste
Rasieren für Halbstarke
Der Rest für Krüppel

23.11.11
Immer die gleiche Leier
Die Nadel springt:
Ach du Armer
ist schon total blöd
wird schon wieder
Gute Besserung
Naja, was soll man machen
immerhin hätte es schlimmer sein können
alles wird abgesucht
der Fuß liegt abgeknickt
im Freeze-Frame der Erinnerung
dafür wird jemand büßen
flüstert jede Heparin-Spritze
ins Bauchfett hinein
aber zur Couchpotato
fehlen dir die Wurzeln
Pommes frites
wären jetzt besser
und dazu ne Curry

24.11.11
Ein Monat bis X-mas
auf die Wunschliste kommt
ein Hoverboard
ein Raketenrucksack
und ein fliegender Teppich
mal sehen, ob Amazon das hat
oder doch der Weihnachtsmann
so fühlt sich also Hausarrest an
´ne elektrische Fußfessel
braucht man nicht dazu
die Sonne geht unter
der Mond geht auf
das alles auf den Sack
immerhin ist der nicht so groß
wie der von dem Internetclip
da könnte man fast denken
das ist der Weihnachtsmann
in zivil, ein Sack voller Geschenke
für die Kinder & Urologen

25.11.11
Und immer dieser Schwachsinn
Jeden Tag die Seite füllen
sone gute Idee war das nicht
wenn’s zum Zwang wird, oder
da kann nichts bei rumkommen
der kreative Quell ist zubetoniert
vielleicht ist diese Zeit einfach vorbei
das Mindestschreibbarkeitsdatum
abgelaufen
der Kick fehlt
der Blick fehlt
dabei wäre jetzt der beste Zeitgrund
mit dem Roman anzufangen
oder mit irgendwas anderem
in der Rekonvaleszenz-Phase
eine prosaische Verarbeitung zu starten
so wie sich das gehört
aber darauf kannst du lange warten
wenn das so weiter geht

26.11.11
Das Lichtermeer aus Kabeln
das soll wohl ein Rentier sein
da kriegt der Weihnachtsmann
noch ´nen epileptischen Anfall
wenn er darüber fliegt
zack
fällt vom Schlitten
landet kopfüber im Schornstein
und verstopft das Ding
durch Adiposität
im Haus schlafen alle
und hören seine Schreie nicht
die Heizung pumpt weiter
der Rauch landet in der Sackgasse
dreht um
und schleicht sich in die Träume
rein
schöne Bescherung am nächsten Tag
die Feuerwehrleute heulen

27.11.11
Ich brauch´die Glotze
Zum Abschalten
& Du zum Abkotzen
Du surfst auf den Kanälen
Ich schmeiß Blut unters Bett
& streu´ Sand unter
deinen Rollator
du weißt ja wie
sowas enden kann
meistens böse
hat dir die Flimmerkiste
beigebracht
Familiendrama im
Halbstundentakt
Und du spiegelst dich darin
auf dem Boden liegend
wie ein Käfer
Beinchen in die Höh´
Ach wie schön

28.11.11
Was hast du da
das sag ich nicht
jetzt zeig´schon her
hee, das ist meins
Du bist gemein
Und du zu neugierig
Ich wills doch nur mal sehen
Sehen ja anfassen nein
Wo sind wir denn hier
etwa im Puff
woher weißt du denn
wie’s im Puff aussieht
Hab´ich doch nur so gesagt
Jaja, netter Versuch
Du liebst mich wohl nicht mehr
Wie kommst du denn darauf
Na hör´dir halt mal zu
Ach was soll’s, ich will’s nicht
sehr sehen, so.

29.11.11
Und wieder in der Wartschleife
Musik aus gebrochenen Knochen
gezupft auf losen Bändern
die Partitur liegt auf dem Beistelltisch
Stern Gala Schöner Wohnen
Das Publikum ist still
nur die Garderobendamen quatschen
wer aber aufmuckt
bekommt böse Blicke &
wird ans Ende der Warteliste versetzt
Allmachtsphantasien ahoy
Bitte kurz warten, ist der Refrain
kurz ist relativ
vielleicht kam Einstein ja so auf seine Theorie
fragt sich nur
wer von denen
das Schwarze Loch generiert
und das Raum-Zeit-Kontinuum
verbiegt

30.11.11
Ende November.
Schreibpause.

18.04.13
Weiter geht’s, weil dir wieder mal jemand klargemacht hat, dass du ein wildes Tier bist, dass da draußen für sich alleine jagt & jagen muss, um nicht zum Auftragsschreiber zu mutieren, und hell why not, da muss man durch, auch wenn man gerade wieder merkt, dass die Linien zu eng für deine Schrift sind, so eng, dass du nur wenig von dem lesen kannst, was in dem Seitenbatzen to your lefthand side steht, und die Dicke des Notizbuches ist auch nicht optimal, da fangen schon die Fingerkrämpfe an, weil man so fest aufdrücken muss oder auch der Tatsache geschuldet, dass man ewig lange nichts mehr handschriftlich festgehalten hat, it’s a shame & da draußen der Dschungel, den es abzuholzen gilt, Seite für Seite, Blatt für Blatt.

19.04.13
Gegenüber wieder mal der Serienkiller-Nachbar, versteckt hinter einer Armada aus Topfpflanzen, akkurater Kurzhaarschnitt, Brille, am Ohr ein Handy, damit er so tun kann, als wäre er am telefonieren – aber in Wahrheit glotzt er nur rüber, während wahrscheinlich im Kühlschrank geköpfte Frauenleichen neben der Tiefkühllasagne liegen, und vielleicht irrst du dich ja auch und der Kerl ist einfach nur ein einfacher Bürosklave mit Allergien und hätte so gerne eine Katze und / oder einen Mann (schwul passt, aber nicht geoutet), an den man sich abends kuscheln kann, mit dem man in den Baumarkt fahren kann und die anderen schweren Sachen tragen kann, einer mit Muskeln, den er im Schlaf ersticken und dann mit der Gartenschere filetieren kann und verspeisen.

30.04.16
Knapp drei Jahre später grünen die Kastanien, die Hexen probieren schon mal ihre Besenstiele und der Teufel bestellt sich eine Extraladung Pflastersteine und Aspirin für den Kater. Und du? Solltest dir eine von diesen Pfauenartigen Wedeln besorgen, weil mindestens fünf vollkommen neue & leere Notizbücher auf deinem Regal verstauben. Zeit für den Frühjahrsputz in den Schreibfingern und daher das alte Mini-Schreiblinien-Handkrampf-Tagebuch ausgepackt. Joblage bzw. Auftragslosigkeit schlecht, dafür 3x die Woche zu McFit, um endlich mal den schwachen Oberschenkel in Form zu bringen, dadurch das Kreuzband-OP-Knie stabilisieren und hoffentlich die angestauten Kilogramme wegbrennen. Yes, it’s a very spectacular life. Verliebt, verlobt, verheiratet und trotzdem weiß keiner, wohin die Reise geht und wie dort das Wetter sein wird.

01.05.16
Fuckinghell – kann dir einer mal sagen, warum die Menschen bei ebay-Auktionen schon mehrere Tage im Voraus bieten und so den Preis hochtreiben? Wiede eine der Sachen, die du nicht kapierst, weil sie gegen den allernormalsten gesunden Menschenverstand verstößt… aber wie immer gilt es auch hier: nur weil du denkst, dass eine Sache selbstverständlich ist, heißt das noch lange nicht, dass der Rest der Welt ebenso denkt oder fühlt oder handelt wie du. Und sonst? Irgendein deutsches Redneck-Pärchen hat wohl eine Frau wochenlang eingesperrt und misshandelt, Obama macht sich beim White House-Dinner über Trump lustig, die Betten sind abgezogen, der Anti-Malware-Suchlauf hat vier verdächtige Dateien gefunden, am Ende gehören immer zwei dazu und hochintelligente prosaische Einträge sind was für Warmduscher.

12.12.16
Und wieder ein Zeitsprung, Ring gekauft, Knochen brechen, Knochen heilen, Promis und Helden sterben, 2016 can be and is a bitch. Die Tage werden kürzer und dunkler, Winter is coming mit der neuen Klimawandelseason, garniert mit Terroranschlägen und einer Orange, die amerikanischer Präsident wird. Soviel zur Star Trek-Zukunft. Sieht im Augenblick dann doch eher nach „Children of Men“ aus – aber wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben. Mögen die Fenster auch beschlagen und Wunden Narben hinterlassen, am Ende des Tages liegt da im Eck auf dem Sofa des Herzens deine kleine schnurrende Katze, setzt Euch neben sie, auch wenn euch die Lügenpresse einredet, sie sei schwarz und hätte keine Mäuse und löse Allergien aus – einmal auf etwas anderes hören, die Augen zu und diese kleine Pelzseele streicheln.

10.01.17
Winterwunderland da draußen, wenn das Wunder die gerettete Katze aus den Trümmern von Hiroshima ist, war ja klar, dass es keine weiße Weihnacht gibt, obwohl es trotzdem jeder noch erwartet – immerhin da haben sich die Leute noch was Kindliches bewahrt. Oder vielleicht auch nicht – vielleicht ist das die antrainierte Seherwartung aus dutzenden X-mas-Movies, der Schnee als icing on the cake einer klebrigen Romanze, Parmesanstreusel über dem Spaghetti, der in Susi und Strolch den Funken zwischen den Lefzen überträgt / Stromkabel aus Teig. Das Rad der Mühle lässt sich wieder mal nur schwer anwerfen, wer will schon bei der Kälte aus dem Bettennest steigen und sein Scherflein als produktives Mitglied der Gesellschaft beitragen? Du erstmal nicht, du wartest ab, bis der Frühling naht.

11.01.17
Draußen rotieren die Dächer, Lachmöwen werfen sich gegen den Wind, wenn du mich fragst, ganz schön eklig kalt und windig, du bleibst heute mal wieder zu Hause. Zittern können die Tannenstumpen, die ihre grünen Gichthände aus den Balkonkästen strecken und den Wintergott anflehen, sie mit weichem Schnee zu bedecken. Du hast genug Sand in deinen Augen, um die vereisten Straßen dieser Stadt zu bestreuen, das schönste Handwerker-dekolleté im ganzen Land und einen Bart, in dem sich zehn Mäusefamilien zum Winterschlaf verkriechen könnten. Tick-tock, klackert es vom Online-Banking-Screen, tick-tack & zapp, schon wieder was weg von der hohen Kante… schon mal was von Erosionsschäden gehört? Da muss schnell nachzementiert werden, schreit die Angst vor Altersarmut, Junge mach doch mal was. Jaja, sagst du, später, alles zu seiner Zeit.

12.01.17
Für den Held der Arbeit haben die Schneekugelmenschen heute morgen einen Teppich aus Kies ausgestreut, meterweise zieht er sich über den Asphalt und links&rechts davon warten kleine Häufchen auf den Riesen, um ihm stumm zu applaudieren, wobei es auch Grüppchen von Gegendemonstranten gibt, die sich mitten auf dem Teppich positioniert haben, in stillem Protest, aber der Riese walzt durch sie hindurch, unter seinen Winterschuhsohlen zerplatzen sie ins ewige Matsch – das mag brutal klingen, ist aber der Lauf der Dinge. Statt Palmwedeln haben sie für ihren gigantischen rauchenden Messias Tannenzweige ausgelegt, auch das registriert der Goliath und während er seine Parade weiterführt, wartet ein Rabenterrorist darauf, ihn aus der Luft zu bombardieren.

13.01.17
Natürlich ist Freitag der 13. Der Regen hat die 10cm-Schneeschicht weggekärchert, die grauen Engel tanzen am Firmament, Rabenvögle jagen über den Dachfirst und warten darauf, dass unten der Straßenmob endlich die rothaarige alte Frau Baruch an der nächsten Laterne aufknüpft, weil sie jeden Tag Flips für Tauben verteilt, deren Shit-Graffiti dann die geparkten Autos von oben bis unten zutaggen, und wenn einer hier pazifistisch argumentieren will von wegen „nicht lynchen, sondern reden“, dann kannst du nur antworten: nice try – die Alte wurde schon mehrfach angesprochen und angeschrieben, sieht sich aber als Widerstands-kämpferin im Dritten Reich alleine unter Nazis, die Akrobaten oder Ratten der Lüfte sind Juden, für die sie natürlich alles tut – das kommt davon, wenn eine Alkoholikerin die Mahn-schilder im Viertel liest.

14.01.17
Der grauhaarige alte Mann mit dem Rauschebart da oben schüttelt den Kopf und Haarschuppen regnen auf den Planeten hinab, aber immer noch besser als wenn er sich den Big Bang-Porno anschaut und am Ende in ein schwarzes Loch abspritzt… der Kater bekommt Mett und Zwiebeln aufs Brot gelegt, herunterspülen mit einem Liter Cola und einer anschließenden Dusche – bleibt noch der Alknebel im Hirn, durch den dein müder Geist irrt, während um dich herum ein Zeitfeld aufgebaut ist, das alles abpuffert und verlangsamt, wer braucht schon die teure Matrix, wenn es zwei Flaschen Weißwein und drei Bier auch tun? Oh du alter Affenbrotbaum, unter dem sich die Tiere der Savanne treffen, um sich an den vergorenen Früchten auf dem Boden mal so richtig einen reinzupfeifen!

15.01.17
Im Traum der letzten Nacht: hunderte Men in Black, alle in schwarzen Anzügen und mit Sonnenbrillen, die einer nach dem anderen in einem blauen Blitz weggebeamt wurden. Ein Lehrer, der die Fähigkeit hatte, an der Decke zu gehen, wo er die Verschalung löste und im Loch dahinter ein großes Krokodil vorfand, das er packte und an die Wand warft, wo es sich wundersamerweise in eine zweidimensionale Abbildung verwandelte; dann zwei blonde Zwillingsfrauen im Bett mit Satinslips und schließlich noch die Nachbarskatze, die wohl in der Wohnung vergessen wurde. Und last but not least: die Meldung, dass Russel Crowe an AIDS gestorben ist. Fragt sich, was tagsüber so alles in den Traummixer geworfen wurde, den der REM-Schalter des Unterbewusstseins auf Stufe 3 gestellt hat…

16.01.17
Hallo verkaterter Wochenanfang, way to go, Sonntag abend zur Weinprobe gehen, tstststs. Kopf und Kleidung voll Rauch, Hirn umnebelt, trockener Mund, ledrige Zunge, Träume vom Urinieren als Vorzeichen, Youtube-Videos im Bett, Dünnpfiff auf dem Klo, dazu Kreuzworträtsel und heiße lange Dusche, back to bed, Katze kraulen, Comic lesen, Thai bestellen (inkl. Cola), essen, Wäschetrommel füllen, Beamer anschmeißen, Netflix schauen, Katze füttern, Katze jagen, Sofa, E-Gitarre vom Nachbarn nervt durch die Wand, Waschmaschine mit 1200 Umdrehungen, Wäsche aufhängen, Katzenklo reinigen, Tagebucheintrag erzwingen, wobei das eigentlich kein Tagebuch im klassischen Sinne ist, sondern eher ´ne Mischung aus Fleißarbeit und leichter Neurose, das Ding vollzukriegen.

07.03.17
Der erste neue Tag in der 39. 364 Tage bis zur 40. Und natürlich fühlt es sich genauso an wie jeder Tag – eigenartig, man könnte ja doch irgendwie meinen, dass es vielleicht tief im Inneren eine Erinnerungsfunktion gibt, eine, die dir nachts alte Träume aus dem Mutterbauch schickt, Flashbacks, die temporär alte Hirnareale mit längst vergessenen Ereignissen zur Feier des Tages aktivieren – aber nüschte. Tja, 39 Jahre schon überlebt, das ist doch auch mal schon was, andere Lebewesen schaffen gerade mal einen Tag, oder brüten 9 Monate lang im Uterus, um dann spontan kurz vor der Geburt einen Rückzieher zu machen. Aber wenn man sich mal anschaut, was für Menschen auf der Welt wandeln, fragt man sich doch manchmal, ob Darwin wirklich recht hatte…

05.04.17
Durch Winter und Herbst gekommen, während rechts und links von einem die Leute mit Keuchhusten, Fieber, Schnupfen, Grippe und Erkältung wie die Fliegen umgeklappt sind – und dann lässt du dich von einem Neunjährigen anhusten, angrabschen, obwohl du überall schon die unsichtbaren Keime, Viren etc. hast herumfliegen sehen… aber man ist ja der nette Onkel, den die Kinder so selten sehen, richtig? Sag das den 25000 vollgerotzten Taschentüchern auf dem Boden neben deinem Bett, der durch Salzwasserlösung verätzten Nasenschleimhaut durch die vielen Spülungen, scheiß auf die nette Bräune im Gesicht, die schält sich jetzt, durch das Schmirgeln von Taschentüchern mehr und mehr ab… Soviel zum Thema Kinderkriegen.

20.04.17
One of these days: erst träumst du von einer Hillbilly-Familie, die dich umbringen will, dann springt die Katze ab 6 Uhr morgens …
& der Stift funzt
Auch nicht!
FUCK
YOU!

05.05.17
Liebes Tagebuch, das ich alle Jubeljahre mal benutze, und wenn, dann immer nur an den Tagen, die oben stehen, das klingt ehrlicherweise gesagt schon ziemlich störi, aber egal, Hauptsache, das Ding wird irgendwann mal voll. Jedenfalls, liebes Tagebuch, heute ist ein grauer Tag im Leben. Postalkoholische Depression par excellence, das Leben scheint mehr als sinnlos und einsam, du ein Tunichtgut kurz vor der 40, der nichts geschafft hat, keinen gescheiten Beruf hat und keine Ahnung hat, wo das hinführen soll. Alles Denken, hören und Sehen ist wie in Watte gepackt, dazu kommen Momente einer durchdringenden Klarheit, die dir augenblicklich das elende Panoramabild des Seins offenlegen, dass es wehtut, hinzusehen und zu begreifen, dass es bestimmte Dinge im Leben gibt, die man sich schönlügt – klarer depressiver Schub IMO.

13.05.17
Was wäre, wenn du dein ganzes Leben lang diesen einen Moment verpasst, der dich irgendwie weiterbringen würde? Du immer ausgerechnet am falschen Ende der opportunity auftauchst, stets zur falschen Zeit am falschen Ort bist – einfach immer das Pech am Schuh hast? Als würdest du ein Leben leben, das seltsam in seiner Phase verschoben ist. Und egal, wie sehr du es auch probierst – der Schicksalsknochen renkt sich einfach nicht wieder ein, kein glückliches „Ka-plock“, wenn alles wieder in die richtige Schiene hineinrutscht und das perfekte Timing mit deiner Arbeit synchronisiert wird. Oder ist die andere chaotische Art wiederum auch ein anarchisches System, das man aber eben nur nicht durchschaut und versteht? Du bist der Schmetterling – und der Sturm?

28.05.17
Und wehe, der Stift geht schon wieder leer, das nur mal im Voraus. Wahrscheinlich sind die Seiten hier mit irgendeiner seltsamen Chemikalie beschichtet oder so. Wie auch immer – was geht ab? Der Sommer scheint nun doch langsam über Berlin einzuziehen, du rauchst seit ein paar Tagen nicht mehr, noch hält sich die Laune einigermaßen, vielleicht klappt es ja dieses Mal und wenn dieser beschissene Kugelschreiber weiter Sperenzien macht, dann schmeiß ich den schwarzen Plastikfucker in den schwarzen Müll und ritze mir die Pulsadern auf, Blut wird ja wohl halten – alles ist irgendwie gegen Dich, ist es das, was du uns hier sagen willst? Fuck off, dann kauf‘ dir halt endlich einen Kugelschreiber, der nicht schon nach drei Sätzen verdurstet und verreckt!

19.05.17
Und bist du denn auf dieser Welt der einzige, der offenbar den Hass aller Fahrräder auf sich gezogen hat? Fahrerlose Fahrräder, natürlich. Jedes verfickte Mal, wenn du zu einem vollen Fahrradständer gehst, meistens mit dem Sportrucksack auf dem Rücken – denn oh mein Gott, du bist 39 Jahre alt und wiegst nun 91 kg, da muss man aber schleunigst mal ran an den Wohlstandssofabierraucherspeck, gell – erwachen die Drahtesel zum Leben, bohren ihre Eisenhörner in deine Seiten, Torereo olé, werfen ihre Handbremsenhaken aus und klammern sich an jedem Ärmel, an jeder Schlaufe und Rucksackriemen fest, wachsen um dich herum wie ein Gestrüpp aus Speichen und Gummi und schlagen dir mit den Pedalen blutige Wunden an die Ferse!

18.07.17
Bei dem Tempo bekommst du das Buch hier nie fertig – aber letztlich ist das Tagebuchschreiben auch nicht wirklich dein Ding, was tut sich schon so Grandioses oder Dramatisches im Leben? Der Reiz und wohl auch der Bedarf, neue Erfahrungen dieser Welt unbedingt aufzuschreiben und damit zu verarbeiten, passt dann eben doch in die Teenager-jahre des „Alles-zum-ersten-Mal-erlebt“-Haken. Gleichwohl ist es auch irgendwie eigenartig und narzisstisch, sich selbst zu beschreiben, was man gerade getan hat, nicht? Brille gekauft, zugenommen, Zahnfüllung verloren etc. pp. Immerhin dreht sich der Planet noch, eiert durch die dunkle Ewigkeit, und wir halten uns so gut es geht darauf fest. Immer wieder erstaunlich, dass jede Ameise hier es doch irgendwie hinbekommt, irgendwas zu werden und irgendetwas zu sein, oder?

08.11.17
Und gegenüber grassiert die Fetteritis, schleicht sich vom strippenden Pottwal im 2. Stock bis hoch in die 4. Etage, wo aus den ehemals schlanken Studentinnen die Wildecker Herzbuben geworden sind, vielleicht liegt’s ja auch an den stets gefütterten Tauben, die den Virus durch ein Übermaß an Flips entwickelt haben und die Menschheit verfetten wollen, bis sich keiner mehr regen kann und dann Phase II beginnt: das Aushacken aller Augen, während hilflos wabbelnde Arme zu dick sind, um sie noch vors eigene Gesicht zu heben? Vielleicht ist es aber auch so, dass die Mieter drüben von einer nahenden Apokalypse wissen und sich entweder völlig gehen lassen oder sich einen Fettvorrat anlegen, um als Einzige am Ende zu überleben.

16.11.17
Die Sicht vernebelt
das Hirn geknebelt
vom nächtlichen Traumatraum
ein Nagel eingeschlagen
unterm linken Auge?
Ein Boxkampf gegen Rocky?
Die Zahnräder knirschen im
Weltgetriebe – Klo, Dusche. Allezeit
& das jeden Tag
Im Universum ist immer Alltag
sit back and relax
die Zeit ist relativ egal, dass es
dich gibt & so wartest du als
Staubkorn auf den großen Staubsauger
Hoffst aber, dass die
Putzfrau Gottes gerade im Urlaub
Ist, damit du noch ein wenig mit
Den anderen Staubflusen Wollmäuse
produzieren kannst etc. pp.

24.11.17
Countdown to X-mas 2017. Habt ihr Kinderlein schon alle brav die Amazon-Wunschlisten von intelligenten Algorithmen auffüllen lassen? Sind die ganzen Betonquader fertig gegossen, um mit ihnen die Weihnachtsmärkte im Lande vor Knallchargen zu schützen, die sich einen Märtyrernamen machen wollen, was aber überhaupt nicht funktioniert – denn welcher Ungläubige Westler/Europäer kann sich schon einen arabischen Namen merken, geschweige denn richtig aussprechen, also sollten die sich vielleicht noch schnell vor ihren Attentaten einen Künstlernamen im Pass eintragen lassen, z.B. „Santa X-Hass“, „Bumm-bumm-Berti“ etc.pp? Wie dem auch immer, jeder hofft auf den friedlichen Zuckerwatteschnee, aber Kollege Klimawandel hat da ja auch noch ein Wort mitzureden…

23.12.17
Alle Jahre wieder treffen sich die haarlosen Alten unter dem großen Tannenbaum, vollgepackt mit bunten vergorenen Früchten, Mäuler auf, rein mit dem Kater von morgen, weg mit den Sorgen, her mit Hüftspeck und Wohlstandsfett – wenn der X-mas-Stern die Apokalypse auf Erden auslöst und dabei aber den passenden Erlöser vergessen hat, haben wir immerhin noch ein paar Energievorräte mehr als all‘ die Sport- und Gesundheitsfanatiker, denen der flache Bauch nun sowas von gar nix bringt. Und keine Sorge, diese Weihnacht wird richtig weiß, das bringt so ein Meteoritenschlag normalerweise mit sich, they call it „Atomarer Winter“, und allein deswegen stecken sich alle nun einen Korken in den Arsch, verkriechen sich in ihre Netflixhöhlen und bingen, bis die Sonne wieder scheint.

14.01.18
Es war einmal ´ne Frostbeule
die hatte nichts zu lachen
Klimawandel olé, da kann man nix machen
und auf Reimen hat sie auch keine Lust, schließlich ist das ´ne Sache, die man besser den Dichtern überlässt, na gut, dann erzähl‘ halt einfach irgendeinen Quatsch, der die vermaledeite Sundayseite füllt, damit wieder mal was im Notizbuch steht. Neues Jahr also, und eventuell am Horizont sowas wie ´ne Weiche fürs Leben, mal sehen, was und wie und ob, das alte Spiel, vielleicht ja mal doch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, aber Vorsicht ist die Großmutter aller Porzellanläden, wobei die gibt’s ja heutzutage auch nicht mehr, das Zeug bestellt man jetzt im Internet.. tolle Sache, das.

15.12.01.18
Jaja, frohes Neues! Merk‘ dir mal, dass aus der 7 eine 8 wird, und Dezember ist auch schon längst over, also alles auf Reset. Heute davon geträumt, die heilige Lanze (blutbefleckt) zu besitzen, was ja an sich so deutbar wäre, dass du Macht und Erfolg besitzt. Fragt sich natürlich, wie und wo sich das Unterbewusstsein wieder mal das hergeholt hat. Ah, schätze mal von dem kurzen Blick auf das Foto vom letzten Sonntag-Tatort aus Wien incl. Bildunterschrift, in der wohl ein Serienkiller seine Opfer gekreuzigt hat… eine Millisekunde und das Zeug verankert sich irgendwo in den Neuronen, obwohl man es längst wieder vergessen hat. The human brain, my friend, is a very very special place. Fragt sich, ob man Träume auch absichtlich erzeugen kann.

16.01.18
Well well well, was passiert, wenn man seinen Prinzipien treu bleibt? Gutes Gefühl auf der einen Seite, und dann aber auch diese kleine nagende Stimme vom Teufelchen: warum hast du dich nicht verkauft, Junge? Not my cup of tea, darling, ich bin the fucking Mountie from Chicago. Irgendeiner muss mal die Ethos-Flagge hochhalten, sonst geht das ganze System an den Arsch und egal, was der Sicherheitsschwabengedanke auch ins Hirn brennen mag. Fuck it, I won’t bow, heisst es. Vielleicht doch die bessere Idee, der neue Jesus zu werden. Ist nicht so, als ob die Menschen nicht darauf warten. Aber ich bin eher der personal Jesus, Baby. Ich mache mein Ding. Klingt esoterisch, ist es aber nicht. It’s normal. Und irgendwo hat irgendwer einen Plan für dich, let’s wait and see.

24.01.18
Noch ist der Himmel nicht so blau wie die Kugelschreibertinte, aber immerhin scheint die Sonne mal wieder und prompt ist die Laune besser. Winterblues in den beschissenen Dezember Januar Februar-Monaten, immer die gleichen Mollakkorde seit Jahren, wo ist die Finca auf Sardinien, auf der man überwintern sollte? Die kommt leider nur portionsweise als Johanniskraut-Dragee, wenn man denn der pflanzlichen Heilkraft Glauben schenken möchte. Kein Wunder, dass die Deutschen immer diese Laune haben, weit entfernt vom mediterranen flirrenden Lebensgefühl, das einen vor die Haustür schiebt, womöglich ist das Wetter hier, auch das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolges: alle bleiben im Büro und lenken sich mit Arbeit ab – wenn sie denn welche haben. Der Rest träumt sich in den Süden.

01.02.18
Well well well – immerhin wird der Morgen langsam immer früher hell, da freut sich Herr Serotonin und der kleine Samen Hoffnung auf das Ende der Dunkelzeit, bevor er zaghaft durch die verkrustete Winterdepression nach draußen bricht, reckend und streckend wie ein Regenwürmchen, bibbernd und zitternd, wie ein frischgeborenes Küken, Augen Katzenbabyblind, ein ekelhafter Schock, diese Geburt, dieser brutale Herausriss aus neun Monaten Tiefschlaf im verschimmerten volldunklen Placentaplace, so stellst du dir ein durchgefeiertes langes Wochenende im Berghain vor, bei dem dich eine flockige waberndweiche Nabelschnur aus Musik, Drogen, Schweiß und Tränen 72 Stunden lang künstlich ernährt, und dann ist alles vorbei, der Traum und die Mucke ist aus und der Laden spuckt dich in die Berliner Kälte hinaus – Hallo Februar!

02.02.18
Das wist eine Virenkriegszone langsam, um dich rum husten und schniefen sich die Kombattanten auf dem Tempo-Schlachtfeldern, Grippe-Gerippe verfiebern in den Betten, den Apotheken gehen die Hustensäfte aus und der Paranoiker denkt, dass sich die Arzneimittel-industrie irgendwo in einem Schweizer Untergrundbunker wegen den steigenden Krankheits-opfern schon die Hände reiben, Bling bling $$ weil Hust Hust Schneuz Schneuz, und obwohl die Menschheit schon auf dem Mond gelandet ist, kriegt sie es immer noch nicht hin, Erkältungs- viren zu dekodieren und ein Gegenmittel bzw. Impfstoff zu entwickeln? Der Paranoiker würde wohl sofort sagen, dass es seit 50 Jahren längst so ein Mittel gibt, das aber von der Arzneimittellobby schön unter Verschluss gehalten wird, wie auch immer, irgendwie verflüssigt sich das Hirn.

03.02.18
Vor zwei Tagen stehen morgens zwei Krankenwagen auf der Straße. Es ist halb sieben und gegenüber im Haus ist nur das Fenster der alten Dame mit den Vorhängen aus den 50ern erleuchtet, die jeden Abend mit Buckel sorgsam auf den Balkon herauszuckelt, die Hände aufs Geländer des fünften Stockwerks legt und einmal runter auf die Straße schaut, bevor sie sich in deiner Fantasie einen Stuhl holt, mühsam darauf steigt, die Arme ausbreitet und mit den Tauben, Möwen und Raben davonfliegt – und dann sieht man die neonorangene Weste des Rettungssanitäters kurz im Vorhangsspalt aufblitzen, vielleicht hatte sie ja einen Notknopf und hat ihn rechtzeitig gedrückt, als sie drinnen über diese fiese niedrige Türschwelle gestolpert ist wie 100 andere alte Menschen – seitdem ist das Fenster dunkel und keiner weiß, wo sie jetzt ist.

04.02.18
Das Problem ist doch, dass du mehrere unabgeschlossene Projekte am Laufen hast, und die schon seit Jahren, und anstelle eines davon (Drehbuch, Mendel-Story, Epitaph, Videospiel etc.) mal endlich fertig zu machen, fängst du stattdessen wieder mit „Irmi“ was Neues an, was ja einerseits nicht schlecht ist, weil du hintereinander sechs Seiten mal wieder an der Adler getippt hast, andererseits hast du damit schon wieder den Spatenstich in einen Treibsand gesetzt, für einen Wolkenpalastplan, der noch länger dauern könnte als der BER. Möglicherweise hat das wechselhafte Hin-und Hergeflitze ja was mit deinem Sternzeichen zu tun, der Fisch flitzt durch die Gegend, von einer zur nächsten Koralle, leider mit dem Hirn eines Goldfisches, worüber genau wolltest du nochmal schreiben?

12.02.18
Und immer noch kein Licht in der Wohnung der alten Frau gegenüber, liegt sie im Krankenhaus oder in der Leichenhalle? Kümmert sich wer um sie oder wird sie „von Amts wegen“ einsam bestattet, während nur ein Pfarrer und zwei Friedhofgärtner am Urnengrab stehen? Der Rentnertod in der Großstadt, right? Immerhin lag sie nicht drei Jahre unentdeckt in ihrer Wohnung. Aber wer weiß – vielleicht kommt sie ja doch wieder zurück. Währenddessen spielen die Raben auf dem Kinderspielplatz auf den gespannten Seilen, jagen sich flatternd über den Sandkasten, zwei Blocks links füttert ein gelber Kran einen neugeborenem Haus Betonwände, bis es fünf Stockwerke erreicht, neue Bewohner einziehen, dort evtl. 40 Jahre leben, bis eines Morgens wieder der Notarzt unten steht.

13.02.18
Auf der Treibholzschreibinsel im Berliner Meer der Fleißigen und Berufstätigen schreibt HR in sein privates Logbuch: „Seit Jahren befinde ich mich in einer mysteriösen Strömung voller Rückschläge, Fast-Durchbrüchen und Paletten voller Missgeschicke, wohin die Reise geht, weiß keiner; die einen sagen Altersarmut, andere wiederum reden von einem sagenhaften Durchbruch, der irgendwo vor mir auf dem Weg liegt. Nur wo, weiß keiner, die Zukunft ist unerforschtes Terrain, hier im Haifischbecken der Branche reißen sich alle um die wenigen Stücke, wer die Selbstzweifel-Flagge gehisst hat, geht wohl früher oder später vom Donnerknall der Flachpfeifen unter, die nur mit Wasser kochen, aber ohne das Gen der Selbstkritik geboren wurden. Aber, nicht verzagen, Matrose, ruder‘ einfach zum nächsten Eisberg und besorg dir da was für dein nächstes Glas Gin Tonic.“

14.02.18
Another day in the aquarium. So fühlen sich also Fische, draußen immer der gleiche Anblick. Immerhin hat der Himmel mal zur Abwechslung die Farbe des Meeres, aber da treiben nur weiße Plastikwolken vorbei und ein paar fliegende Fische. Stellt sich die Frage, ob man evtl. am Ende seines Lebens vor einen großen Bildschirm mit der Statistik deines Daseins gesetzt wird: soundsoviele Stunden geschlafen, krank, Toilettengang, Youtube-Videos, betrunken, glücklich, kreativ, depressiv, gelangweilt, in der Luft, im Wasser, Menge der getöteten Tiere / Insekten, Kilogramm verspeistes Fleisch und Gemüse, Literanzahl von Tränen und Schweiß, Blut und Urin, x Stunden voller Sex, Einsamkeit, Anzahl der gelaufenen Schritte, Konversationen mit Menschen, Geburtstagsfeiern und Beerdigungen und Milliarden unnütz aufgeschriebener Gedanken.

15.02.18
I had a dream: Obama war bei einer Quizshow, als er noch kein Präsident war und setzte alles auf die Nummer „25“, gewann soviel Geld, das du dich noch daran erinnere, anderen (im Traum) die Nummer aufzumalen, in 3er-Schritten, getrennt mit Punkten – und es waren mindestens eine Quadrillion, die ihm dann als gigantischer grüner arabischer Edelstein übergeben wurde, von dem zum praktischen Nutzen kleine Teile abgeschlagen wurden, die dann jeweils „nur“ eine Million wert waren. Handgeld quasi. Und du erinnerst dich daran, dass dir dann klar wurde, wie Obama die USA aus dem Schuldenloch geholt hatte: indem er aus eigener Tasche bezahlte… danach kam irgendein Traum mit einer Häckselmaschine, die Menschenfleisch in Folie abgepackt aus einem Automaten in der Wand anbot. Tja.

16.02.18
Menschen, die gestern Nacht im gleichen Raum waren wie du: Sophia Thomalla, Lena, Maria Furtwängler, Jorge Gonzales, Jimi-Blue Ochsenknecht und ne Menge anderer Spacken, deren Fressen du nicht erkannt hast). Blondinen, die in der L’Oréal-Schminkzone in einem übergroßen Popcorn-Eimer mir weißen Luftballons für Fotos posieren, während – palim palim – Didi Hallervorden wie eine dementer Alzheimer-Patient vor einem Selfie-Screen steht und sich hilflos rote Rolling Stones-Lippen am Stock ins Gesicht hält. Draußen in der Kälte stehen derweil zwei junge Hostessen sechs Stunden lang am Eingang – 14 Euro in der Stunde – und lächeln den besoffenen Stars, die in die wartenden Taxen torkeln, ein höfliches „Wiedersehen“ zu und irgendwo auf dem Männerklo saugt ein Elefant den frischgefallenen Berlinaleschnee ein.

24.02.18
Oh Welt – Frohlocke! Sie ist aus der Welt der angenommenen-einsamen-alten-Menschen-in-der-Großstadt zurückgekehrt, abends brennt das Licht wieder hinter den offenen Gardinen, schiebt sich langsam gebückt durch die Küche und auf den Balkon hinaus, um zu sehen, ob sich in den paar Tagen ihrer Abwesenheit irgendetwas in der Straße getan und verändert hat, aber gegenüber ist immer noch der Enddreißiger, der meistens den ganzen Tag über zu Hause ist, mal eine raucht und sich dann wieder an den Schreibtisch am Fenster setzt, Typ arbeitsloser Akademiker mit Katze, die arme Freundin oder Frau, die morgens immer mit dem Auto zur Arbeit fährt, während der Kerl sich ´nen faulen Lenz macht, das hat es früher ja nicht gegeben, aber die Welt hat sich eben verändert, jetzt gibt’s sogar Männer, die früher Frauen waren und umgekehrt!

25.02.18
Die Kältefront aus der Arktis sagt heute Hallo und zieht mit eisigen Wachsstreifen den wolkenbedeckten Himmel blank, schmeißt die daran haftengebliebenen Wolken in den Müll, die Schornsteine zünden sich heimlich was zu rauchen an, weil Väterchen Frost unterwegs ist, der Wind kitzelt durch die Tannenzweige in den Blumenkästen und irgendwo macht ein Penner drei Kreuze, weil er die Nacht überstanden hat und irgendwo anders dankt der Gemüsehändler, dass die Fliegerbomben gestern Nacht sein Haus und seine Familie verschont haben, und irgendwo anders fällt dem Kleinkind das Marmeladenbrötchen aus der Hand und auf den Teppich und Vatern rutscht jetzt doch mal die Hand aus – Klatsch! – da gibt’s nichts zu heulen, sei froh, dass es dir hier so gut geht!

26.02.18
Die Arktispeitsche treibt den großen Wagen über den sternklaren Himmel und die hellsten Kerzen auf der Torte hören mal heimlich beim transatlantischen Gespräch zu: „Calm down. Geh‘ zurück, das bringt überhaupt nichts mit dieser Person zu reden… okay, wie halte ich das jetzt aus… das war so schlimm, ich war wirklich bedient danach… gib‘ doch einfach den Lehrern, ich hab so gelacht – ich hab nen Lachanfall gehabt für drei Minuten, wenn’s nicht so traurig wäre – ja.. das kann man ja nur hoffen – jajaja, hmhmhm – ja – ah – also ich mein‘, das ist doch wirklich unfassbar, das toppt jetzt alles, gib‘ doch einfach den Lehrern Waffen – dieses Vokabular!! Aber der hat auch gesagt, der hatte wohl ´ne Waffe, aber selbst wenn wir gewollt hätten, hätten wir har nicht gewusst wo hin zielen…“

13.03.18
Happy Birthday to you nachträglich. Hast nun also auch die 40er-Schallgrenze durchbrochen, möglicherweise ist gerade Halbzeit. Frage ist dann wiederum, wieviel es eigentlich gerade steht. Und wenn – für wen? Immerhin gut gefeiert, den Leuten hat’s gefallen, so soll’s sein. Deine Bücherregale platzen nun aber leider aus allen Nähten, vielleicht solltest du mal ausmisten. Die linke Schulter hast du dir verlegen, sie schmerzt, sollte am besten heute zur Thaimassage. Himmel bewölkt, aber evtl. kämpft sich die Sonne durch. Sehr schlecht geschlafen, um 6 Uhr aufgestanden. Katze hat gestern Nacht auf die Bettdecke gekotzt. Wie ein Idiot gestern nach einem Herrenausstatter-Gutschein gesucht, die Mülltonnen durchwühlt, und heute Morgen das Scheißding unter dem Mousepad gefunden. Welcome to the 40’s Club of uncreativity.

14.03.18
Die Russen treiben mal wieder die Kältepeitsche gen Westen, Stephen Hawking wurde endgültig vom finalen schwarzen Loch verschluckt und als Ehrerbietung streut der Wettergott, der ja laut Albert nicht würfelt, fein gestanzte, schwebende Regenkonfetti über die Hauptstadt. Wäre ein wunderbarer Tag für Home-Office, aber auch mit 40 Jahren ist das Leben immer noch kein Wunschkonzert, schön grau, windig und beschissen da draußen, da freut man sich aufs Fahrradfahren zum 10.30 Uhr Termin – und fucking hell – geht’s jetzt schon wieder nur ums Wetter oder was? Um hier mal frischen Wind reinzukriegen, eine Premiere: Tagseitenfüllen auf dem Klo, das Notizheft auf dem rechten Schenkel platziert, na siehste, geht doch, jetzt gesellt sich Scheiße wenigstens mit Scheiße.

22.03.18
Time-Jump, fast forward a week und jetzt ist aus dem Nieselpiesel mal wieder Schnee geworden, Hallo Frühling, Hallo Sommeranfang. Vielleicht hat ja auch der Klimawandel Anteil an der allgemeinen Verunsicherung der Menschen? Die Aufbrechung bzw. das Fehlen alter Strukturen, eine chaotische Welt – und nicht einmal die 4 Jahreszeiten aus unserer Kindheit gibt es noch, etwas, auf das man sich fast intuitiv verlassen konnte, die praktische Unterteilung des Jahres und der eigenen Seele in vier Phasen, it’s all gone – und übrigens wohl auch 30% des Gletschereises, das letzte Breitmaulnashorn etc.pp. Irgendwann werden die Tage wohl in einem endlosen Blade Runner-Regensmogherbst enden, dann haben wir den Salat – oder auch nicht, denn bis dahin gibt’s auch keine Bienen mehr – schöne Scheiße.

23.03.18
Und dann war da noch der langsam, oder stets stetig wachsende Bauch, angefüttert von Süßigkeiten, Alkohol und dreimonatiger Abwesenheit im McFit, gegen den man möglichst bald etwas tun sollte, um am Ende nicht genauso dazustehen wie dein Vater auf den letzten Fotos vom Strandurlaub, mit einer eigenartiger körperlichen Unproportion, dünne Beine, flache Brust, aber dann eine Fettkugel, die sich über den Bund der Badehose schiebt. Wird Zeit, den inneren Schweinehund, der bei Grippewelle, Schnee und Kälte lieber auf dem Sofa geblieben ist, einen harten Fußtritt zu geben und einfach wieder damit anfangen, alles was nötig ist, ist die erneute Erarbeitung einer Gewohnheit, ein Automatismus in puncto 3x die Woche morgens nicht duschen, sondern ab aufs Fahrrad und in Fitnessstudio, capice?!

14.04.18
Und dann war da noch die unsichtbare Klammer, die sich dem 40-jährigen Mann nun immer häufiger um die Brust legte und ihn wie eine Zitrone (überreif) nach und nach auszuquetschen drohte: hier gehen die Jahre, hier die vertanen Chancen, hier die Faulheit, hier die Pfunde, bis da eine deprimierte Hülle über die Straßen lief, einer, der in seiner Vergangenheit vielleicht doch die falschen Weichen gelegt hatte, und nun blauäugig in Richtung Altersarmut o.ä. dystopische Zukunftsvorstellungen spazierte und rein statistisch tatsächlich ein armer Deutscher war, was seine Einkünfte anging, was sich aber dank des finanziellen Fettpolsters, das zwar auch langsam aber stetig vor sich hinschrumpfte, noch nicht danach anfühlte, und vielleicht würde ja doch noch alles gut und anders werden, dachte er sich, und wenn nicht, wandere ich aus.

15.04.18
An den Sonntagen springt dein Geist ins träge Fahrwasser der letzten Woche und vergisst, was war und denkt nicht an das, was kommen mag: Willkommen im Limbo, starren Sie bitte dem taumeligen Hummelflug nach, sehen Sie den frisch explodierten Kastanienblüten dabei zu, wie sie frische grüne Blätter im Millimetertakt aus den Astenden pressen – ein Glück bist du kein Allergiker, da ist wohl so ein Anblick das gleiche wie ein Bett voller Bettwanzen, auf dem du einschlafen musst, atmen Sie diese Luft voller Versprechen auf warme Balkonabende, verabreden Sie sich mit Freunden, wenn Sie denn welche haben – oder ziehen Sie die Rollläden ganz herunter, igeln Sie sich ein, weil Sie sich nichts von den Temperaturen vorschreiben lassen und knallen Sie 10 Bier vor dem TV, das geht auch!

16.04.18
Spritz dir Energydrinks ins Herz, vielleicht hilfts ja gegen die Frühjahrsmüdigkeit; irgendwie hast du stets das Gefühl, auf etwas zu warten, vielleicht ja aufs Wochenende, weil man da kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man nichts tut, und manchmal schleicht sich da schon der Gedanke ein, dass du seit Jahren „zwischen den Jobs“ bist, oder unschöner gesagt: arbeitslos. Aber auch nicht ganz, es ist nur so, dass du eben nicht immer jeden Tag an etwas arbeitest, und das treibt wiederum das Schwungrad des schlechten Gewissens an und eröffnet die Fragestellung, woher der Druck eigentlich kommt und warum es so schwer ist, dem Ganzen zu entgehen, obwohl man doch sieht, wie Arbeit den Menschen auch schaden kann – aber dagegen bist du immun.

01.05.18
Tag der Arbeit, mal sehen, ob heute noch die Fetzen fliegen, am Himmel auf jeden Fall und später möglicherweise bei Bayern vs. Real. Die Frau sagt, lass die Vorhänge zu, es ist zu grell, die Katze sitzt unterm Frühstückstisch und greift Lachs ab, Windows 10 nimmt sich die Zeit für ein Funktionsupdate, am Hintern wächst ein Pickel, der Bart sollte mal wieder gestutzt werden und Nico Hofmann will heute mit seiner Assistentin auf seiner Prestige-Yacht über den Wannsee schippern, weil er sonst keinen hat. Die Ehefrau beschwert sich über deine Aura, die seit heute Morgen um 5 Uhr von der hungrigen/nervenden Katze mitsamt den Nerven strapaziert worden ist – das Tier hat gelernt, wie man sich verhalten muss, bis der Menschen-riese aufsteht und sie viel zu früh füttert. Alle Macht den Katzen.

02.05.18
Da liegt ein Kissen auf einer Hecke, und im Garten vor dem einen Haus ein gigantischer metallener Riesenwurm und im Beet neben dem Kiosk eine Hose und Schuhe, auf dem Gehweg ein verlassener Korbstuhl, am Stoppschild DVD-Boxen von „Sex and the City“ und ein israelisches Brettspiel namens „Shalom“, auf dem Telekomkasten steht eine Miniflasche Schnaps (leer) und daneben ein halbgegessener Apfel, und unsere Füße laufen auf einem Teppich aus uralten weggespuckten Kaugummis, die sich tief in die Steinporen gedrückt haben, um dort in 1000 Jahren von außerirdischen Archäologen gefunden und extrahiert zu werden, und das ist dein Plan zur Unsterblichkeit, weil sie deine DANN daran finden werden und dich als letztes Exemplar zurückholen werden.

03.05.18
Man könnte sich natürlich vorstellen, wenn man da so allein des Nachts auf dem Balkon steht, Zigaretten und Weißwein in der Hand und in die hell-erleuchteten Wohnungen gegenüber sieht und die Realität, die ziemlich öde aussieht, und im speziellen Fall (3. Stock) eher unschön, will sagen adipös um die 60 (aber mit einem Faible für leichten Exhibitionismus), durch die eigene Fantasie ein wenig umgestaltet, also im Sinne von Model-Nachbarin, die eine Kleiderallergie entwickelt hat, das arme Ding, und darum zu Hause nur nackt herumläuft, und also da mit dem Ausblick auf schönere Dinge des Lebens sich überlegt, wie hoch die eigene Balkonmauer ist, und ob man sehen würde, dass man sich einen runterholt?

04.05.18
Die Ohren rot, das Maul vergähnt, fläzt die Katze im Sonnenfleck auf dem Teppich und lädt den inneren Akku auf, putzt sich mit geschlossenen Augen die Stirn und die Schnauze – ein possierliches Tierchen, so ganz zufrieden mit sich, vollgefressen und gesund lümmelt es in der eigenen Wohnung herum und hat wahrscheinlich längst vergessen, dass sie aus dem Tierheim stammt… wobei es doch auch immer wieder Momente gibt, in denen sie aus ihrem Schlaf aufschreckt und laut maunzend durch die Gegend stapft, bis sie erleichtert Herrchen oder Frauchen findet, auf deren Bauch sie dann schnell klettert, mit der Schnauze nah ans Gesicht kommt, bis einen ihre Schnurrhaare kitzeln und sie dann zu sabbern anfängt, weil sie weiß, dass alles nur doch ein böser Traum war.

05.05.18
Und auf der roten Linie tanzen seltsame schwarze schmale Gestalten, 26 verschiedene in Gestalt und Form, einige von ihnen erwachsen, die anderen klein, standen sie eng und schräg nebeneinander, in kleinen und großen Grüppchen, die voneinander aber stets einen kleinen Platz zum Atmen frei ließen, und wenn man die Ansammlung aus einiger Entfernung ansah, verwandelte sich der Pulk in eine Art Strickmuster, ein Kettenhemd oder fremdartige Baumrinde. Sie kamen aus dem Nichts, irgendwo aus der dreidimensionalen Welt über den 2D-Wesen, herbeigezaubert durch einen gigantischen Zeppelinförmigen Zauberstab, der sich immer wieder herabsenkte und ihnen nachdenklich ihr ewiges Leben einhauchte, aber warum das so war, das konnte keiner wissen.

06.05.18
Die Frau steht in der Küche.
Der Mann geht in die Kirche.
Die Frau backt einen Kuchen.
Das Kind schreit aus dem Ofen.
Die Blume wäre gerne ein Tier.
Der Sohn trinkt heimlich Dunkelbier.
Das Feuer hätte gern mehr Freunde.
Die Tränen träumen von dem Meer.
Der Fernseher hat keine Schuld.
Der Stift weiß nicht, was er da tut.
Die halbe Flasche ist ein Optimist.
Der Kuss verliebt sich in die Nacht.
Der Staub legt sich auf eure Lider.
Die Sonne ist an allem schuld.
Das Haus ist morgen auch noch da.
Die Straße dreht sich um sich selbst.
Der Tisch will eine Amputation.
Das Ganze geht sich Kippen holen.
Die Welt dreht sich.

14.05.18
Chef, dreh die Windmaschine auf, der Katze ist langweilig geworden von den immer gleichen Wohnungsgerüchen, da setzt sie sich lieber auf den Balkonstuhl und schnuppert sich durch die unsichtbaren Luftströme, die alle eine Geschichte erzählen, vielleicht von räudigen Straßenkatern, flügellahmen Tauben, psychoaktiven Chemtrails und pupsenden Spinnen. Aber zur Ruhe kommt das Pelztier nicht, die Schnauze tanzt mit den Schnurrhaaren Disco-Fox, der kleineste vorbeifliegende Vogel wird mit den Bernsteinaugen an den blauen Himmel genagelt, wenn der Durchzug drinnen irgendetwas zum Klacken bringt, schießt sofort der alarmierte Kopf Richtung Balkontür, so muss es sich auf dem Schlachtfeld anfühlen, wenn jeder Sinn der Soldaten auf Maximum gedreht ist.

15.05.18
Du träumtest, dass du in deiner alten Wohnung am Klavier standest, es war dunkel, der Fernseher lief und neben dir stand Donald Trump, Melania, Obama und Michelle. Ihr wartetet auf irgendwas, es wurde nicht gesprochen, was dir als Gastgeber durchaus peinlich war, aber das schien Donald nicht zu stören, er starrte gebannt auf den TV, auf dem so eine Art Bildschirmschoner lief – die Sorte, bei der ein Logo/Bild zufällig herumschwebt und dann immer am Rand abprallt – und war mit seinen Gedanken irgendwo im nirgendwo, aber Obama und Michelle wurden langsam unruhig, also kamst du auf die Idee, die Kerzen auf dem Klavier anzuzünden, wahrscheinlich, um irgendwie Licht ins Dunkel zu bringen, das Wohnzimmer wurde hell und dann war der Traum vorbei.

16.05.18
Und gestern Nacht war es der mit ahnungslosen Menschen vollgepackte Truckanhänger, der plötzlich losrollte, die abschüssige Straße hinunter, durch Zäune und Büsche und in Richtung Kreuzung, auf der deines Wissens nach zum Glück nicht viel los sein würde, und man konnte den Anhänger nicht aufhalten oder bremsen, sondern nur dabei zusehen, wie er schneller und schneller werdend bergab rollte, bis es zum Crash kam und du (mit anderen Menschen, meinst du) zum Unfallort hinabranntest, während Adrenalin und eine jahrtausendalte Welle aus der brutalen Realität des Todes, der man als Mensch ja zum Glück nicht allzu oft begegnet, also auch durch deine Adern rauschte und die ersten Schreie und Hilferufe zu hören waren, als die Katze dir mitten auf die Brust sprang.

17.05.18
Tief tief im Knochenwald lebte eine seltsame Kreatur mit tausend Namen und Gesichtern, und doch hatte nie ein Mensch sie leibhaftig gesehen. Die einen sagten, sie sei teuflisch und unsichtbar, das herausgerissene Herz des Erzengels, die anderen behaupteten, es hätte sehr wohl Körper und Form, sie aber so flink, dass es stets hinter einem saß und jedem suchenden Blick in einem Lidschlag entfleuchen konnte, so dass nur das mulmige Gefühl im Bauch blieb, beobachtet zu werden, von morgens bis spät in die Nacht, jeden Tag deines Lebens. Die einen gewöhnten sich daran, lenkten sich mit anderen Dingen ab, bis der Schatten in ihren Augen-winkeln fast verschwunden war, aber andere wussten wiederum, dass sie noch so sehr weglaufen konnten, sie waren längst gefressen worden.

18.05.18
Kopf & Himmel schwer bewölkt, da muss die Therapeuten-Sonne angeknipst werden, ist ja schon immer wieder faszinierend, dass man mit Tabletten die Schmerzrezeptoren ausknocken kann. Was die meisten aber dann vergessen: Die Ursache des Schmerzes ist ja immer noch da, hat nur ein Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt bekommen, will aber einfach nicht sterben, sondern wartet darauf, bis die Pflegerhände ermüden und schwach werden, dann kommt die große Racheshow, wartets nur ab. Na vielleicht tut einem ja etwas frische Luft gut, einmal Hirn durchlüften, bitte, dazu vielleicht ja doch die ersten sich durch die Unlichtwolken kämpfenden Sonnenstrahlen auf der Haut und dann evtl. ein munteres Liedchen gepfiffen auf den Lippen, dann kann der Tag doch losgehen.

19.05.18
Wenn du Glück hast, gibt es in ein paar Jahren, wenn dieses Notizbuch hoffentlich bis zum Ende gefüllt ist, eine intelligente AI, die die eingescannten Seiten Krakeltext erkennen und digitalisieren kann. Das Ganze manuell abzutippen bzw. lesen zu können, wird sonst eine Mammutaufgabe. Aber ist ja noch ein Weilchen hin. Und sonst so? Tja. Mal überlegen. Seit den diversen Verletzungen hast du eine Aversion gegen Zeitlupenwiederholungen bei Fußballspielen entwickelt, die sie immer zeigen, wenn sich jemand vertreten oder verletzt hat. Muss man das zeigen? Wollen die Zuschauer das sehen? Da kann man doch genauso gut auf Youtube die Millionen Unfall-,Sturz- und Blooper-Videos schauen, was angesichts der Abrufzahlen auch gemacht wird. Tja.

20.05.18
Wenn man sich’s mal recht überlegt, ist Tagebuchführen (auch wenn das hier nicht das klassische Tagebuch ist, sondern eben der selbstaufoktroyierte Zwang, wenigstens eine Seite pro Tag zu schreiben) eine ziemlich vermessene Sache. Die meisten Schreiber sind nun mal nicht Adolf Hitler, Donald Trump oder ähnliche Berühmtheiten, bei denen man sich schon wünschen würde, deren Tagebücher zu lesen, um das eine oder andere vielleicht besser zu verstehen. Letztlich könnte es gut sein, dass kein Schwein hier dieses Zeug lesen wird, da Hanno Raichle niemals in den VIP-Olymp aufgestiegen ist und von seinen Millionen Fans derart vergöttert wird, dass sie sich alle um die letzten Textfetzen reißen – und vielleicht läufst du einfach Amok und wirst so berühmt…

21.05.18
Na, gestern die Hölle gefrühstückt, oder was soll der Schwefelgeruch beim Deblasieren? Wetten, das könnte man jetzt googeln und ne Menge stranger Krankheiten in irgendwelchen Foren finden, die seit 2005 nicht mehr gepflegt werden und digital verstauben, Bit um Bit legt sich auf uralte Emoticons und GIFs von längst vergessenen Memes; und wetten, dass keiner sich die Frage gestellt hat, wie denn wohl der Himmel im Vergleich dann riecht? Was ist das Gegenteil von Schwefel? Hmm? Engelfurz? Wäre mal eine gute Frage für die nächste Party oder Beichtstuhlsession, wenn es denn sowas überhaupt noch gibt. „Ego te absolvo“ hast du neulich mit Kreuzbewegung in die Luft vor dem bulgarischen Bettler auf der Straße gemalt, fand er nicht so gut.

22.05.18
Wenn man einfach mal ein Wort nach dem anderen schreibt, ohne groß darüber nachzudenken, was als nächstes kommt, kann es sein, dass nur blöder Schwachsinn dabei rumkommt. Aber lassen wir dem Ganzen doch mal die Chance, seit der letzte Mensch in den Wald gegangen ist, um nachzusehen, ob ein fallender Baum auch Lärm beim Sausen durch die Luft macht, wenn er einen nicht sehen kann, ist hinter den Sofas von alten Riesen das große Einerlei aus Zimperlichkeit gefallen und wartet dort auf die Erfindung des Staubsaugers, ohne den der Rest der Welt nach und nach im Unrat versinkt und die letzte Telefonzelle in Atlantis geschlossen wird, weil die Fische ihre Leihfahrräder verkauft haben.

23.05.18
Kleiner Rauscherfolg, wenn man mit dem linken Finger die bisherigen Seiten Daumenkino-mäßig durchfazzen lässt, ob daraus ein guter Film wird, ist wiederum fraglich, wahrscheinlich wiederholen sich ´ne Menge Gedanken und Beobachtungen, die du Tage später wieder vergessen hast, und die trotzdem irgendwo im Hirnwasser vor sich hintreiben wie die Europa-große Plastikmüllinsel in den Weltmeeren, bis irgendeine Strömung sie plötzlich an einen Traumurlaubstrand spült, gemeinsam mit den darin gefangenen und kläglich verreckten Delfinen, Meeresschildkröten und Seemöwen – das ist kein schöner Anblick für die Touristen, die für zwei Wochen mal weg von der ganzen Scheißrealität flüchten wollen. Pech gehabt.

24.05.18
Das Glücksschwein liegt im Restemüll, die Scheiben sind geputzt, der Schweiß riecht nach Parfum d’Angst, der Brockenhusten schleudert Schleim nach oben, der Taschenkalender rülpst den nächsten Geburtstag raus und grinst: schon wieder acht Wochen seit dem letzten Friseur-termin vergangen, aber Haar und Nägel wachsen wachsen wachsen einfach stur weiter, außer du verbrennst den Scheiß im Krematorium, ansonsten freie Fahrt für tote Hippies mit Koksnägeln im Souterrain der Friedhöfe. Gespensterparty, Zombiefeten – da ist doch überall der Wurm drin. Die Sonne bleicht mit ihrem Lächeln seltsamerweise nur den linken Turnschuh aus oder hast du zwei Paar in der gleichen Farbe gehabt und tatsächlicherweise einen Neuen weggeschmissen? Was Altes, was Neues – Tagein – Tagaus.

25.05.18
Dieses Mal träumst du irgendwas mit Freddie Mercury, den es zweimal gibt auf einer Konzertbühne; während der eine im Feinrippunterhemd und Schnauzer singt, liegt der andere mit heruntergezogener Hose vor ihm, Schwanz erigiert und Freddie No.1 holt ihm (also sich quasi) während seines Auftrittes parallel zum Singen einen runter. Der moderne Narziss, könnte man als Untertitel dazu erfinden, welches Lied er gesungen hat, weißt du aber nicht mehr. Theorie des unbewussten Entstehen der Traumszene wäre der Nanogedanke über einen Schauspieler aus einer Serie letzte Nacht, der leicht gräulich geschminkt war und weißgefärbte Altershaare hatte, die kurz an einen anderen Schauspieler erinnerten, dessen leicht kränkliches Aussehen ihm eine Rolle in der AIDS-Serie „Angels in America“ eingebracht hat.

26.05.18
Das rechte Bein übers linke Knie geschlagen, freihängend, und ihm fällt zum ersten Mal auf, dass der gesamte Fuß bzw. Wade und Unterbein in regelmäßigen Intervallen leicht pulsiert, weil der Blutdruck wie eine Hydraulikpumpe durch die Arterienrohre jagt und das offensichtlich ausreicht, um den Teil des Beines, der jetzt ja auch nicht unbedingt wenig wiegt, ein paar Millimeter hin- und her bzw. hoch- und runterzubewegen. See – it’s the small things in life, right? Der seltsamrunde Pöppel, der plötzlich auf der linken Kniescheibe erschienen ist, könnte eine Warze sein oder ein farbloser Leberfleck oder was auch immer, geh‘ doch zum Hautarzt, wenn’s dich so sehr interessiert. Die seit Jahren haarlose Stelle unterhalb der rechten Kniescheibe ist auch ein Mysterium: Wunderwelt Mensch.

27.05.18
Die Bindehaut gesandstrahlt vom Alkohol und Mangelschlaf, der Körper aus der Phase verschoben, auf dem Sehnerv schlafen Schafe und im Magenkessel tobt ein fürchterliches Hexengebräu, da passen die knapp 30° Außentemperatur natürlich wunderbar dazu… Früher war man zwei oder drei Nächte hintereinander unterwegs und völlig fit, und die stressige Aussicht, auch noch auszugehen (immerhin zur „Handsome Family“) wirkt eher abschreckend, der sehnende Blick auf die Couch mit Beamer muss auf morgen verschoben werden, jetzt erstmal drei Stunden unter die Dusche, sich wach und nüchtern wässern, danach irgendwas fettiges essen (am besten mit Cola) und langsam wird sich der Organismus wieder einkriegen – wobei, so schlimm ist der Kater jetzt auch wieder nicht, hör auf zu jammern und trink ein Bier!

28.05.18
Die Eier kühlen im Durchzug, das linke Handgelenk schmerzt von der PS4-Controller-Starre bei „God of War“, wieder ein Tag zu Ende und kurz daran gedacht, aus Faulheit nichts hier aufzu-schreiben, doch dann den Schweinehund mit der Frostaxt in vier Teile gespalten, immerhin – nur leider ist er nicht gefüllt mit traumhafter Prosa, marvelösen Metaphern oder doppelbödigen Gedanken oder herrlichen Ideen, da musst du wohl auf den Zwischengegner warten, mal sehen, wo der Fucker sich verbirgt, irgendwo tief im Neuronenlabyrinth oder in den weiten Sümpfen des Unterbewusstseins und schaut genervt auf die Uhr, weil er schon so viele Monate wartet und Du stattdessen irgendwie irgendwas im Leben rumtingelst, und wenn du ihn dann irgendwann doch finden solltest, sind nur noch Knochen übrig.

29.05.18
Na wunderbar, fühlt sich an wie ein Tennisarm am nächsten Tag, das kommt davon, wenn man den Controller zu sehr umkrampft, der linke Daumen ist vom Analogstick rot angeschwollen und druckempfindlich, Pro-Gamer zu werden ist also auch keine zukünftige Berufsmöglichkeit bzw. Karriere. Draußen weicht der Asphalt langsam auf, hell-blonde Frauen mit langen Haaren stehen festgewachsen vor einem Schaufenster, auf dem „Echthaarverlängerungen“ steht, ob sie überlegen, das Haarprodukt umzutauschen oder noch um 20 cm zu verlängern, das wissen nur die tiefhängenden Äste über dem Fahrradwegen, die dem unachtsamen Radfahrer eine saftige Ohrfeige verpassen wollen – BATSCH – kommt davon, wenn man aus meiner Familie Notizbücher und Kaffeebecher macht.

30.05.18
Gott steckt seit Jahrhunderten in einem Meeting fest, am anderen Ende des Konferenztisches sitzt Satan, flankiert von seinen Dämonen, Adolf Hitler und dem Kerl, der seine neugeborenen Kätzchen aus dem fahrenden Auto geworfen hat, ein paar Erzengel trinken Kaffee, Jesus spielt auf dem Smartphone gegen Mutter Teresa Quizduell, und die Punkte auf der Themenliste haben kein Anfang und kein Ende, was habe ich mir dabei nur gedacht, seufzt Gott, Adam und Eva waren doch anfangs noch eine richtig gute Idee, eine gesunde Beziehung etc. – und jetzt? Er starrt aus dem Wolkenfenster auf die blaue Problemkugel und trinkt noch einen Schluck schwarzen Kaffee, bis die Blase plötzlich so drückt, dass er sich heimlich ans Fenster stellt und einen Platzregen über Berlin verursacht.

31.05.18
Der See besteht in deinem Augenwinkel durch die untergehende Sonne aus einzelnen Streifen glitzernden Lametta, das irgendjemand über die Jahre gebunkert hat und kurz vorher als Teppich auf die Wasseroberfläche gekippt hat. Die Enten ignorieren das Spektakel, paddeln sich mit Minibugwellen durch das Abendrot, die Frösche probieren das neueste Akaulquapella-Stück im Naturschutzgebiet aus, Bob Ross‘ Geist malt mit einem unsichtbaren Pinsel rosa Wolkentupfer in den Himmel, und eines der beiden Schiffe auf dem Wannsee gehört dem Starproduzenten Deutschlands, der sich innerhalb von drei Jahren drei immer größere Motoryachten gekauft hat, und zum Sundowner fällt passenderweise die Glut einer Zigarette auf ein Polster und entjungfert das Ganze.

08.06.18
Tittenhalter auf die Augen, das Problem ist: immer kommt irgendwas durch, weißt du? Das göttliche Licht des Sommers weckt das Katzentier schon um 5 Uhr morgens, dann geht der Stress schön los, Terz neben dem Bett, Wasserflaschen-Umgeschmeisse, Bettvorleger-Knaller, Buchseiten-Kratzer etc.pp. Ja, das Tier will ja nur fressen, da kann es per se jetzt erstmal nichts dafür, aber nerven kann’s trotzdem wie Sau (Kommt ne Sau vorbei und nervt, haha!). Die Sonne dreht schon morgens den Hitzeknopf am Backofen der Stadt auf, das Pelztier liegt schlapp auf dem Holzparkett, man selbst flüchtet sich nach drinnen aufs Sofa hinter zugezogenen Vorhängen und geschlossenen Fenstern, weil dahinter unsichtbare Riesenföns nur darauf warten, dir die Hirnmasse mit heißer Luft zu füttern.

09.06.18
Der fette Pussyelefant streckt die Elfenbeine in die Sonne zur Bräunung, cremt sich reibend die Pranken mit Sonnenschweiß ein oder mit gefangener heißer Luft, zwei Stockwerke darunter bangt die orangene Schirmsonne, ob ihr nicht der Betonhimmel samt Dickhäuter auf den Kopf fällt. Schmeißt die Wäschetrommeln an, die Schweißnähte auf den Klamotten machen Überstunden, die 30° saugen einem Augen und Hirn leer. Hallo Siesta, Hallo Mittagsschlaf. Ein Hoch auf diese Wasserzerstäuber und den kleinsten Windhauch, der von einem Fenster in die Zimmer schleicht wie ein Butler, der Eiswürfel auf einem Tablett vorbeiträgt und mit einem Fächer in deine Richtung wedelt, und wie schon letztes Jahr fragt man sich, warum man eigentlich keinen Scheißventilator gekauft hat.

10.06.18
Haltet die Schnauze, will man den nervigen Piepsvögeln, die immer nur einen einzigen Ton wiederholen, in die Federn tätowieren bzw. Schnabel; das ist gerade das Äquivalent zu den lauten Schreien von Brüllaffen im stick-schwülen Dschungel, hier Großstadtdschungel, Tigerbrüllen wird hier von Harleys übernommen, die Sonntags ungefragt durch die Gegend brettern, Riesenboas mutieren zu Autoschlangen an der Ampel und das Plätschern eines Wasserfalls zum vorbeifliegenden Airbus. Der Tag ist ein warmer Kaugummi, die Menschen pferchen sich selbst in ihre Wohnungen ein, nur der Penner aus dem Park ist in einem Strandkorb eins geschlossenen Restaurants gelandet und liegt dort tiefschlaf-schnarchend mit offenem Fliegenfänger-Mund in der prallen Sonne.

11.06.18
Und wieder mal findest du dich in einem Raum sieben Menschen am Konferenztisch, oder eher sieben Hobbyköche, die dir in die Drehbuchsuppe spucken, keiner von denen hat jemals geschrieben, aber besser tun sie es alle, und das bei einem derart verschnarchten, dass man sich denken könnte, ein etwas spezieller und anderer Geschmack täte dem Ganzen gut, aber wer schon behauptet, dass Flashbacks ja nur Dialog bebildern, den sich zwei Talking Heads auch gegenseitig erzählen können, ist nicht gerade ein Kreativpartner, mit dem man konstruktiv ein Buch verbessern kann. Und da hilft dann leider auch nicht der „Kontrakt 18“, den die topverdienenden Starautoren aufgesetzt haben, um Gerechtigkeit für Autoren zu schaffen. Grundsätzlich eine gute Idee, aber unrealistisch.

12.06.18
Das Fensterbrett im Erdgeschoss als Balkon des kleinen Mannes, draufsetzen und rausrauchen, während heute seltsamerweise viele Menschen mit Krücken auf den Straßen sind, einer davon mit einer Art Stock, lang, also eher Stab á la Moses, auf den er sich mit dem rechten gesunden Arm stützte, der andere lag angewinkelt am Körper – du tippst mal auf Schlaganfall, und dazu Tippelschritte im Millimeterbereich über den Asphaltsee, eine Schildkröte wäre schneller, du schätzt, das war vor ca. zwei Stunden, und vielleicht hat er gerade mal zwei Meter bis jetzt geschafft, wieder so ein Bild, bei dem du drei Kreuze machst, dass du gesund bist, obwohl du jedem Krückerich eigentlich zurufen willst: Durchhalten, ich kenne das, bin im Krückenclub Ehrenmitglied, aber Wahnsinn, wie schnell der Geist und das Hirn die Monate der Unbeweglichkeit verdrängt, als wären sie nie passiert.

13.06.18
Ein Wort nach dem anderen als Technik mal wieder an den Tagen, die unspektakulär vorbeigeflossen sind, aber die Seite soll/muss voll werden, weg mit den Scheren im Kopf, her mit der Flow-Frisur, drei Kartoffeln fliegen aus dem Fenster, deine Frau träumt von Gespenstern, auf der Couch lässt Tiga Haare, Samstag wird sie 11 (69) Jahre Punkt und Komma kenn ich zwar, manchmal sind sie wunderbar, reimen tut sich manches gut, ist zwar so ein alter Hut, aber lieber ein alter Hut auf dem Kopf als kreisrunder Haarausfall; die Devise meines Lebens ist: mal sehen, was kommt, bei all‘ den Berichten von hart arbeitenden Menschen, die 40 Jahre geschuftet haben und trotzdem keine gute Rente bekommen, lässt du doch besser den ersten Teil, weil der zweite wahrscheinlich ja eh eintreten wird – außer du gewinnst noch im Lotto.

14.06.18
WM 2018-Spruch; „Läuft dir ´ne Laus über die Leber, ertränke sie im Alkohol“, ka—tsttt. Sollten vielleicht mal alle hinter die Ohren schreiben, die Mesut und Ilkay auspfeifen, aber trotzdem gerne Döner essen, chillt Euch mal runter, davon geht die Welt nicht unter, und dass die beiden jetzt nicht die allerhellsten Lichter sind, ist ja wohl auch klar. Aber natürlich wird das Thema wochenlang durch den Medienmixer gejagt und tausendmal durchgekaut, weil die Deutschen nichts lieber tun als sich in ihrer Comfort-Zone über irgendetwas aufzuregen, wenn da eine offizielle Sportart draus gemacht werden würde, wären wir jedes Jahr Weltmeister. Im Fernsehen klappen sie gerade den WM-Pokal auf, blondes Busenmodel, bei der sich die Brustknochen im tiefen Dekolleté herausheben, da könnte man glatt Xylophon drauf spielen, Baby.

15.06.18
„Und wieder – Körper an Körper, Schulter an Schulter…“, ein Spruch nach dem anderen fällt auf dem Rasen zwischen Iran und Marokko, und „der Spielspaß ist leider völlig zum Erliegen gebracht“, meint der Kommentator und – zack – liegt der nächste da, der ist immerhin aber ein Stehaufmännchen, es geht weiter, die Iraner spielen wegen Trump mit privaten Fußball-schuhen, weil Nike durch die Sanktionen der Nationalmannschaft nix liefern darf, und die nächste Theatereinlage erinnert an die Schwalbenitaliener – – die Frage ist ja, wie genau das Spiel im Iran übertragen wird: gibt’s da eine extra Redaktion, die jegliche Kameraschwenks durchgeht und alle zensiert, in denen Frauen im Publikum zu sehen sind? Und wie ist das mit der Bannerwerbung? Wird die gezeigt, mit den amerikanischen Marken, die keiner kaufen kann?

16.06.18
Heutiger Spruch für die Hinterhand: „Der Blitz soll Dich/Sie beim Scheißen treffen!“ Versteht jeder, erwartet keiner als Replik auf eine Beleidigung o.ä. Außerdem: gut, um deine Frau zum Lachen zu bringen, wenn sie morgens im Bett liegt und sich nach dem Sinn des Lebens fragt. Das – oder das Video von der dicken Frau, die beim Radschlagversuch in einer Turnhalle voll auf den Bauch klatscht, beantwortet von einem Snippet eines lachenden Babys. Das Video gegen den Spruch: „Das stinkt so widerlich!“, wenn du auf dem Balkon eine rauchst und der Rauch durch irgendeine Ritze in die Wohnung an das übersensible Näschen zieht, hast du leider noch nicht gefunden, manche Dinge lassen sich eben nicht mit einem aus schwarzen Socken gelegten Herz auf dem Fußboden regeln. Wahrscheinlich ist die einzige Lösung, mit dem Rauchen aufzuhören, ja, eines Tages vielleicht…

17.06.18
Du träumtest von einem unsichtbaren Frosch im Regen auf einer Straße. Auf die Bilder muss man auch einmal kommen. Auf der einen Seite beruhigend, das irgendwo in Dir drin dein Unterbewusstsein noch hochbegabt und kreativ am Werk ist, wäre nur schön, wenn mehr davon im Wachzustand ins aktive Schreiben übergehen würde. Vielleicht musst du irgendwie einen Schreibtrance-Zustand kultivieren, der irgendwie die REM-Phase emuliert, es schaffen, die poröse Schicht mit Ideen zu durchstoßen, um den hoffentlich prall gefüllten Ballon zum Aufplatzen zu bringen. Mit THC und Alkohol klappte es zwar, aber dann ist der Bildstrom dermaßen passiv, dass am nächsten nüchternen Morgen nix besonderes dabei rumkam, fragt sich, ob bei anderen Drogen bessere Ergebnisse entstehen müssen oder würden – her mit dem LSD.

18.06.18
Schau, mein Schatz, da sind Smartphoneglühwürmchen im Äther, ein Fall für the Ghost in the machine, der schwingungsmäßig durch die Lichtphotonen spukt, es entstehen rotgeschminkte Engel und verpeilte Teufel im Stereoland, they say too much white noise can kill you, vielleicht ist das aber auch nur eine Technoparty für druffe Ameisen oder der Schnellsuchlauf von Stereoskopie-Bildern mit versteckten Nachrichten der AfD; komm‘, lass es sein, leg‘ dich hierhin, hier ist der Rasen auf DIN gemäht und grün gefärbt, mach die Augen zu und hör dem Insektensterben zu, denk daran, du liegst hier wahrscheinlich auf 1000 Jahre Tod, fauste die Kumuluswolken aus dem Panorama und mal sehen, ob sich hinter irgendeiner dieser Gott versteckt, vielleicht ist die Wolke keine Wolke, sondern der sichtbare Bart eines unsichtbaren Gottes.

19.06.18
Und noch ein Blatt am Bücherbaum, wartend und weiß auf die Tätowierung der Kugelschreiberspitze, minimale Äderchen, die sich durch die gepresste Faser drücken, und das ist gar nicht so einfach, wenn deine Frau lautstark im Nachbarzimmer eine Serie schaut, Dialogfetzen fetzen die eigenen Gedanken durcheinander, man kann es einfach nicht ausklammern, hört automatisch mit und hin, wenn Worte in der Muttersprache gesprochen werden, bei Musik geht es einfacher, aber nicht, wenn dort gesungen wird, kein Wunder kommt hier jetzt sowieso nur banale Scheiße zusammen, wer will den Dreck eigentlich mal lesen, kein Schwein. Frauchen kommt herüber und knipst das Licht an, sehr nett von ihr, trotzdem verbessert das jetzt auch nicht die Qualität, hätte sie mal besser die berühmte Glühbirne, die über manchen Köpfen schwebt, gefunden und angemacht.

20.06.18
Irgendein unsichtbares Monster reißt Löcher in die Klamotten (Moment mal – „Klamotten“, zum ersten mal fällt dir das Wort „Motten“ im Zusammenhang mit Kleidung auf), ist es der Zahn der Zeit oder doch irgendwas anderes, keine Ahnung, zum Glück gibt’s dafür den Schneider, für die langen Fingernägel die Schere und für das Stillstehen der Zeiger eine neue Batterie. Für die Hoffnung gibt’s ein paar Klinkenputzermails, für die Einsamkeit die Taube am Himmel, für die Tagesstruktur immer eine leere Seite und für die Gedanken die klackernden Eiswürfel im Gin Tonic, den 24/7-Fernseher für die Arbeitslosen, die WM für all jene, die vier Jahre lang ihre Deutschland-Accessoires fürs Auto aufgehoben haben, alte Liebesbriefe in der Schublade für das Wort, das dir nicht einfällt, nicht Wehmut, sondern das Gefühl der eigenen Vergangenheit im Rückspiegel des Lebens. Und für die Zukunft? Morgen.

21.06.18
Universalgesetz Nr. 3432: Wenn eine Wohnung / Laden geräumt wird nach dem Auszug, muss mindestens eine Sprudelflasche auf das Fensterbrett gestellt werden. Aber das nur am Rande, es ist der längste Tag des Jahres, Sommeranfang, die Katze wird 59 Jahre alt, du hast wieder eine Stunde mit einem depressiven Freund telefoniert, und ihn mental motiviert, warum kann man das bei anderen immer viel besser als bei einem selbst? Neue Nischenidee für Jobs: persönlicher Motivator, der einen tagein tagaus aufputscht, lobt und antreibt, den würden sicher ´ne Menge Menschen brauchen und buchen. Und sonst so? Irgendwelche Kinder aus brennenden Häusern gerettet oder eine weitere geniale Seite am Opus Magnum geschrieben? Nope. Die Stunden im Büro verbracht, während die Putzfrau zuhause wiedermal eine ganze Flasche Essigreiniger ausgesoffen und leer auf dem Küchentisch hinterlassen hat. Na dann Prost.

22.06.18
Zwischen den Zähnen
klebt ein Gähnen
aus 1000 und 1er Nacht
ein Handjob im Harem für
den Teufel mit den 3 goldenen Haaren
Geh‘ und leck den Frosch
und dann den Prinzen am Arsch
Bring den Wolf ins Krankenhaus
da holen sie ihm die Steine aus
Niere und Blase, im OP daneben
liegen Igel & Hase
ineinander verkeilt beim Liebesspiel
der eine kommt immer viel zu schnell
beim anderen tut’s einfach nur weh
20 Stiche mitten ins Herz
& draußen im Wartezimmer sitzt Frau Holle,
kriegt sich mit Gretel in die Wolle
Hänsel hat ´nen Hexenschuss
und wenn sie nicht gestorben sind – Schluss

23.06.18
Und dann haut Kroos in der 95. Minute den Freistoß zum 2:1 Endstand rein. Notierst du dir mal, leicht emotionalisiert, bist gespannt, ob die Erinnerung daran beim späteren Durchblättern des vollgeschriebenen Buches hier präsent wird oder nur so ein schwaches Echo erzeugt eines erlebten Momentes ähnlich, wie die Tatsache, dass du dich nicht an die Namen von ca. drei der Frauen erinnern kannst, mit denen du damals im Bett warst, schon gar nicht, was genau da passiert ist, was eigentlich sehr schade ist, denn an Sex sollte man sich immer erinnern können, weil allein Intimität und außergewöhnliches Erlebnis im normalen Leben. Da gibt es doch diese Frau, die sich an jeden einzelnen Tag ihres gesamten Lebens erinnern kann, du hoffst mal, die hat ein aufregendes Leben, weil man sonst wahrscheinlich schnell depressiv wird.

24.06.18
Dein ausgefranstes Auge schmeckt nach lockiggelbem Hopfen, zwei Flatterlippen zwischen C-Schenkeln ziehen die Nase hoch und rotzen einen Schleimfleck aufs persilfrische Laken. Wo ist der Knopf zum Muting der Welt, du bleibst liegen, das Spiel geht erstmal weiter, hast zwar keinen mitbekommen, bist aber auch flexibel einsetzbar, meiselt der Schicksalsschläger in den muffigen Raum zwischen drei tiefen Rülpsern. Slow-Motion & Fast Food im Hintergrund, die einen hocken in der Ecke im Abseits mit Perücken, angemalten Gesichtern und Bierhumpen in den Fanpranken, die anderen rollen sich ganz okay über das Grün, die nächsten suchen sich im Multikameradschungel die schönste Perspektive auf Waschbrettbäuche und verschwitzte Augenbrauen und rasierte Waden, mach‘ die Torliste auf und jonglier‘ mit deinen Bällchen, Handspiel im Bett ist erlaubt.

25.06.18
Ne große Tüte Vuvuzelas im Ohr, die Küchenkacheln frisch gefettet und Rabenpisse im Glas, so fängt oder endet der nächste Wochenabschnitt. Klick auf reload bei amazon, weil natürlich die Beamerlampe explodiert ist, pünktlich zur WM, und wie wir alle wissen, kommen die Sachen, auf die du am meisten wartest, entweder mit Verspätung an – oder nie. Murphy’s Gesetz olé. Drüben bei den verdickten Studentinnen hängt der weiße Deathstar, Millisekunden nach der Kernexplosion, die Turnschuhe sind frisch geschnürt, das Bankkonto wieder mal um 100 Euro erleichtert, dafür ist der Aschenbecher frisch geputzt, die Balkonpflanzen gestutzt, der „POTAIN“-Kran dreht sich mit dem Wind wie eine gigantische Wetterfahne, unten trinkt der Schwule aus dem Nachbarshaus auf dem Balkon Rotwein, was bedeutet, dass er nachher wieder lautstarke Paukenklassik hören wird. Sic.

26.06.18
Die Goldelse steht heute in der gelben Greenpeace-Sonne, das Zigarettenetui ist wieder mal leer, ein Mietelektroroller surrt unten über die Straße, und wann hast Du eigentlich zum letzten Mal etwas in einer Wolke erkannt? Die Schlafzimmerdecke ist eine Sisyphos-Arbeit für die Maler, heute Morgen den Wasserfleck mitsamt der ganzen Decke gestrichen – und zwei Stunden danach erscheint eine neue gelb-rötliche Linie an einer anderen Stelle, vielleicht sollte man abwarten, ob aus den Linien nebularmäßig Buchstaben werden, eine Geisterschrift von der alten Frau, die vor dem Umzug hier gestorben ist, oder vielleicht andere Tote, die in den letzten Jahrzehnten hier umgekommen sind… Die andere Variante wäre, dass das Wasserrohr oben (erst notdürftig geflickt) jetzt woanders leckt, dann geht es für die Senioren oben wieder von vorne los, alles raus, Loch in die Wand (vor ein paar Tagen erst zugemauert), könnte auch eine klassische Form von psychologischer Kriegsführung sein, um zu zermürben.

27.06.18
Gedanken auf dem Stepper: Tatoos könnte man auch „Hautttapeten“ nennen.
Vielleicht sind Pornos nur deswegen so beliebt, weil keiner der Beteiligten den anderen etwas vormacht („Ich will dich ficken – ich dich auch!“).
Kurzfilm/Werbefilm-Idee zur Flüchtlingskrise: 2 parallel erzählte Leben erzählt, da der Europäer im Restaurant, beim Sport, der Arbeit, Shoppen etc. Das Ganze ebenfalls auf afrikanischer Seite, nur Hungerlohn, Willkür etc. Am Ende flüchtet der Afrikaner übers Meer, das Boot kentert, er ertrinkt, die Leiche sinkt auf den Meeresboden, wo sich die Fische über ihn hermachen. Focus auf einen Fisch, der plötzlich im Schleppnetz landet, gefangen, getötet und auf dem Markt an den Koch des Sternerestaurants verkauft wird, der schließlich dem Europäer den Fisch vorsetzt, der sich noch vor wenigen Stunden am Flüchtling den Bauch vollgeschlagen hat – Black.

28.06.18
Hängt eure Fahnen in Schwarzrotgold auf Halbmast, die Blumenkränze sind aus Enttäuschung kurz nach Anpfiff bereits verwelkt – so sehen Verlierer aus, Aufstieg & Fall der Mannschaft, fast schon tragödienhaft, aber die Welle der Schadenfreude reiten Millionen, das ist die Crux der Deutschen, die aber jetzt immerhin wieder endlich mal was zum Schimpfen haben, die Wirtschaft verliert nicht mehr 200 Millionen Euro wegen Nachmittagsspielschwänzen; wobei die Bierindustrie wiederum hohe Einbußen fahren wird, außer das Zeug hält sich zwei Jahre lang bis zur EM. Wird Löw zurücktreten? Wie schnell die Seele doch vergisst, was er aus den Rumpelfüssern gemacht hat, aber wer hoch fliegt, stürzt auch tief, da musste nur mal Ikarus fragen. Doch der Erdball dreht sich natürlich weiter, und die Spieler, die nach Hause geschickt wurden vor der WM, atmen sicherlich erleichtert durch.

29.06.18
Saxophonklänge und Grasgeruch aus der Künstlergalerie im Erdgeschoß, und irgendwie ist dieser Bohème-Quatsch schon ziemlich nervig, wenn’s einen um den Schlaf bringt. Been there, done that, mit dem Saxophonkoffer in der Nacht an Bodenseestrände incl. Weißwein und Lagerfeuer, plötzlich Platzregen und ein Mantel um die Freundin eines Schulkameraden gelegt, damit sie nicht nass wird, da mit dir zusammen unter dem Baum gedrückt, ihr Freund war natürlich nicht dabei, aber du bleibst Gentleman, obwohl dir ihre Augen sagen: Küss mich! Jetzt jault noch irgendeine Sopranistin zum Free Jazz, der innere Wolf heult den Vollmond mit an, und natürlich könnte man runter gehen und mit dabei sein, vielleicht ist da auch ein wenig Neid mit im Spiel auf die jungen Studenten, die all das gerade genießen, was so lange her ist.

30.06.18
Ansonsten der Blick kristallklar, zumindest die Umarmung ist eine offensive Variante, der Legende hängt der Schweiß unter der Nase, aber das ist genau so gewollt. Die Pause hat ihm gut getan und mit einer Wahnsinnsbedeutung für ihn. // Sein Name ist Karies – oh Schreck. Was für ein wunderbarer Tag für die Kanadier, was für ein wundervoller Tag für uns alle. Ein riesiges Loch öffnet sich im Dach, das hat sicher nichts mehr mit Tradition zu tun, du darfst nicht schon traurig anfangen, sonst gibt es keinen Höhepunkt. Ganz Kanada trauert // Klares Foul, keine Frage. Das war überflüssig. Probiert’s ruhig weiter, ich bin ja da, hier vorne. Das ist ein dickes Brett, das kann ein langes Ringen werden. // Weil du ein Riesenarsch bist, los, prügeln wir die Scheiße aus ihnen raus. Also sag ich einfach, was ich sagen muss und schieb nicht alles auf Karies! Wo liegt das Problem?!

01.07.18
Der Beamer hat Fusseln im Auge, im Kühlschrank steht Rostschutzmittel für deine Zellen, man sollte vielleicht einfach mal einen Tag mit einer Trillerpfeife im Maul rumlaufen und nur mittels Pfeifsignale kommunizieren und schon ist die Hälfte eines Jahres um, derzeitiges Körpergewicht ist 91,3 kg, Außentemperatur liegt bei 20° und zwischen Spanien und Russland steht es in der Verlängerung 1:1. Wenigstens warst du heute beim Sport, seltsamerweise waren zu 90% nur Männer da, also nix „Sonntag“, sondern „Manntag“, hahaha. Eine blonde Frau mäanderte sich von einem Sportgerät zum nächsten, stand immer in einer Pose daneben, als hätte sie gerade 15 Minuten darauf Sportübungen gemacht, trank Wasser und sah sich um, keine Ahnung, ob sie dachte, dass der Duft der verbrannten Kalorien ihr helfen würde.

02.07.18
Das kann doch nicht sein, ich möchte trinken und es tropft auf meine Hose, es kann doch nicht so schwer sein, dass ich jetzt den Wein auf meiner Hose hab, warum ist denn jetzt Wein auf meiner Hose, echauffiert sich die Ehefrau und du hast keine Antwort darauf, wüsstest nicht, wie der Wein auf der Hose landet und nicht im Mund. Da gibt es noch ganz andere Frauen, die können dir eine Szene machen, ja, been there, done that. Da steckst du dir doch gleich mal eine Stinkerzigarette an, doch der Shitstorm bleibt aus, das ganze Pulver schon bei den ersten drei Zigaretten auf dem Balkon innerhalb von 30 Minuten verballert, rote tränende Augen incl. Nase (zu), aber ein paar Gläschen Rosé, selbst wenn’s tropft, ist das Antidot. Quit smoking and drinking, they say. You say: take the fucking ride and go with it, babe.

03.07.18
Fläzing on the couch
you can see your bauch
das Trampolin aus Fett
findet die Katze nett
Sitting on the klo
with music from the Po
and Plätschern from the Blase
Klammern auf der Nase
Yes, I am a dichter
hab im Kopf nen Trichter
da kommt ja alles rein, was geht
die Reimmaschine sich dann dreht
es rattert, flackert und voilá:
sind schon die ersten Worte da
verketten sich im Reimepaar
macht letztlich eines völlig klar:
Gäbs Goehte nicht, wär ich ´n Star
Na gut, was soll’s – dann eben nicht
Ich trink ein Glas und werde dicht.

04.07.18
Du solltest vielleicht mal eine dieser Seiten abtippen, um zu sehen, wie viel Digitaltext daraus wird, rein interessenhalber. Mal sehen. Die Blumen draußen sind knüppeltrocken, sieht doch so aus, als wäre der Sommer jetzt da und schon wieder Worte über das Wetter, mein Gott Walter. Das Hirn gehört ins Eisfach: Heute fuhr ein Lieferwagen auf der Straße unter einem belaubten Baum hindurch, und auf der weißen Rückwand fielen die Schatten hinab, glitten herunter, als würde der LKW durch einen Wasserfall aus Schatten fahren, das nur so als Betrachtung nebenbei. Morgen evtl. der erste Schritt in einen neuen Writer’s Room, Treffen und Co KG. Der Widerwille über den eben geschriebenen nichtigen, schwachsinnigen Nonsens steigt innerlich, kämpft gegen die einigermaßen funktionierende innere Vereinbarung, jeden Tag eine Seite zu füllen.

05.07.18
Die Platanen (?) haben Sonnenbrand oder universellen Wachstumsschub, werden Stücke ihrer Rinde wie braune Hautfetzen auf das Trottoir, darunter kommt das bleiche helle Stammholz zum Vorschein, und du wüsstest nicht, dass du derartiges schon einmal gesehen hast, vielleicht ja ein Zeichen der kommenden Apokalypse oder die haben in den zusammen-gepressten Seiten ihrer Baumkameraden einen neuen Modetrend gelesen, das trägt der Baum im Sommer! Oder: FKK-Wahn! Bäume in Berlin machen sich nackig! Oder ein bis jetzt unbekannter, neu eingeschleppter Parasit bzw. eine Baumkrankheit, die dazu führen wird, dass alle Bäume morsch werden und auf Autos Menschen Tiere stürzen, da müsste man mal den Xaver fragen, der kennt sich mit den Chemtrails aus, der würde wahrscheinlich sagen: Das ist eine Variante von Agent Orange, und wo sie herkommt? Ganz klar: Schau dir Trump an!

06.07.18
„Auch bei chaotischer Denkweise erfüllt fabelhaftes Grimassieren hier irgendeine juvenile Kinderei, lieber manchmal nichts oder perfekterweise Quatsch reden, sollte tatsächlich unter vergangenes Wissen x-mal zischen.“ Von A-Z Worte aneinanderreihen und dabei irgendwie etwas Sinnvolles zu finden ist gar nicht so einfach, aber wird sicher in irgendwelchen Selbst-hilfegruppen gegen Schreibblockaden als spielerische Mechanik genutzt, damit Annelies Müller endlich mal ihre Angst vor der leeren Seite überwindet und endlich den ersten von vier historischen Pferderomanen beginnen kann, in der Hoffnung, eine zweite J.K. Rowling zu werden, also Lieschen, du schaffst das schon, und wenn 40 Verlage dir Absagen erteilen, veröffentlich‘ das Ding einfach selbst bei Amazon. Ist nicht schwer.

07.07.18
Irgendeine Maschine hatte den Tisch geflochten, an dem er saß, irgendeine Maschine hatte die Flasche gegossen und gefüllt, genau wie das Feuerzeug und die Zigarettenschachtel. Drüben am Neubau unter dem ewigen Kran riefen sich die rumänischen oder polnischen Bauarbeiter Worte zu, während sie teure Eigentumswohnungen einer jüdischen Hausverwaltung hochzogen, in denen sie niemals mit ihrem Gehalt jemals wohnen würden. Er stellte sich vor, dass überall in der Straße virtuelle Sprechblasen mit Pfeilen zu Fenstern entstanden, in denen die Gesamtsumme des Geldes der Bewohner durchtickerte, da hinten wahrscheinlich 470000 Euro, vielleicht auch eine Million, und die Blase über ihm zeigte knapp 80000 Euronen, das war im Vergleich nicht viel, aber immerhin mehr als irgendwo in Ruanda, da wäre er Millionär und sicherlich ein Ziel für eine Entführung bzw. Erpressung, also auch nicht das Gelbe vom Ei.

08.07.18
Irgendjemand hat heute die Wolken am Himmel festgeklebt, vielleicht ist Gottes Skybox ja auch abgestürzt, weil er gerade in Thailand auf Urlaub ist und sich die Sache mit der Fußball-mannschaft ansieht, die seit zwei Wochen vier km tief in einer überschwemmten Höhle festsitzt. Scheiße, denken sich derweil die Flüchtlinge auf den überfüllten Schlauchbooten auf dem Mittelmeer, jetzt bloß kein Leck und keine Massenpanik, die Hoffnung ist, Land in Sicht zu bekommen oder ein Rettungsschiff aus Stahl, mit Essen und Wasser und der Sicherheit, nur nicht wie tausend andere im Wasser zu krepieren, und vielleicht haben ja jetzt auch gerade die Weißen Haie, die man neulich vor Mallorca gesichtet hat, von den Flüchtlingsmassen gehört, so eine Art All-you-can-eat-Buffet, das Tag für Tag wieder mit neuen Happen aufgefüllt wird.

09.07.18
Der Trick ist es, oben das Datum einfach einzutragen und den Rest erledigt dann die innere Ordnung/Pflicht/Zwangsstörung, das Geschriebene nicht durchzustreichen und mit dem Darum des nächsten Tages zu ersetzen, hier hat alles seinen Platz, und das Ganze geht teilweise sogar so weit, dass der innere Schreibvertrag lautet, dass jede Tagesseite noch vor Mitternacht vollgeschrieben sein muss, klingt seltsam, ist aber so, vielleicht irgendein Schwabengen, eingeimpft durch pädagogischen Gehorsam, und wer weiß, vielleicht sind es ja die roten Linien, die für die Querrillen auf beiden Daumennägeln gesorgt haben, laut Dr. Google ein Anzeichen für Stress, seelischen Druck quasi, gepaart mit der nicht tot zu kriegenden Selbstkritik, die zusammen mit der Erwartungshaltung ja für Blockaden sorgt, hier nur die schönsten Perlen der Prosa zu hinterlassen.

10.07.18
Vielleicht landen wir alle am Ende in einem gigantischen Flughafen, riesigen Warteschlangen vor den Terminals, von denen es entweder gen Himmel oder gen Hölle geht, und das einzige, was man dann vorzeigen muss, ist Deine persönliche KarmacardTM , auf der Du dein Leben lang Punkte gesammelt hast. Vielleicht ist davor aber auch eine Seelenkontrolle, die dich erstmal durchleuchtet und dich dann zu dem Mastercontroller schickt, der auf einer langen Liste aufzählt, wem du wann geholfen hast und wie viele Punkte du dafür bekommst. Eine Wespe aus dem Swimmingpool retten? 10 Punkte. Einem Bettler in der U-Bahn kurz vor dem Aussteigen 20 Euro in die Hand drücken? 50 Punkte. Wer die richtige Punktzahl nicht zusammenbekommt, wird zurückgeschickt. Vielleicht als Wespe, die man damals totgeschlagen hat. Vielleicht gibt es auch keine Hölle, sondern nur das Airportterminal, in dem du Äonen auf Flüge wartest.

11.07.18
In den Eingeweiden des Hauses klimpert es, da wir ein Piano gerade das Klo hinuntergespült, im Sabberfaden der Katze spiegelt sich die Zeit, du bist angeditschtes Obst, Couchpotatoe und Pupskartoffel als Tagteam des Slackertums a.k.a. „Faul & Pelz“ – das Superduperduo. Ihr neuester Fall bringt unsere Helden in größte Gefahr: Werden sie es schaffen, der vollen Blase und dem damit verbundenen stetig steigenden Druckgefühl zu entgehen, auf dem Sofa liegen zu bleiben und ihr wohlverdientes Nickerchen zu halten, Kopf auf Kissen, Katzenkopf auf Kissenbauch, ohne sich dabei den Nacken zu überdehnen?? Denn das semi-dynamische Duo ist für den Rest der Welt nur ein Autor und eine 11-jährige Tigerkatze, doch hinter ihrer äußeren Fassade stecken Alpha & Omega, Yin & Yan, jedenfalls bis es plötzlich an der Haustür klingelt.

19.07.18
Tatsächlich kurz aus dem Rhythmus raus, dafür kümmert sich DDR-Fitnesstrainerin Erika um das Muskelhirn und Irmi, immerhin schon knapp 15 Maschinenseiten, zwar leicht planlos, aber da muss man doch auf den inneren Kompass vertrauen, der einem letztlich in die richtige Richtung lenkt und selbst wenn nicht, kommt hoffentlich am Ende genug Zeug zusammen, das sich redigieren lässt. Der Haken unter things-to-do wird mit Zeitlupe gezeichnet, und ob das eine Novelle wird oder doch ein Roman, who knows. Wenn schon im Sommer in Berlin nichts läuft außer den Schweißperlen, dann wenigstens das, deine persönliche Tour de France, Tour de Force, und die Produktivität ließe sich sogar noch steigern, wenn du einfach den Laptop mit der Youtube-Droge zu Hause lässt. Keine Angst, wenn dich wirklich unbedingt einer erreichen will, hast du dein Phone dabei, ist außerdem auch besser für die Schulter.

27.07.18
Die Tage zerfließen oder werden im Ventilatorenhäcksler in Stücke gehackt, der Panda wird 47 Jahre alt und heute ist Blutmond. Steck‘ die Nase in die schwüle Luft, die Hundstage werden zu Hot Dog-Days, und alles hat seinen Preis, nur der Arbeitsethos nicht, während sich die anderen bereichern, soll man selbst für Peanuts im 2-wöchigen Writer’s Room schwitzen – Fuck off. Wenn der Einkommenssteuerbescheid von 2010 wirklich korrekt ist, bist du (bzw. warst) unter der Armutsgrenze, überlebt hast du’s trotzdem und arm gefühlt hast du dich auch nicht, was natürlich am kleinen finanziellen Polster liegt, wär‘ das verschwunden, sähe es wohl anders aus. Egal. Du hast alles, was du brauchst, nur die gelegentlich auftauchenden dunklen Tümpel in der Seele sähst du lieber mit Erde vollgeschüttet.

28.07.18
Schiff ahoi, du hast die Nacht auf einer Maus verbraucht und im Traum eine Biene im Nacken zerquetschen wollen, du sagst mal Metapher für die lästigen Dinge im Leben („im Nacken sitzen“). Mal sehen, wie lange der Sternschnuppenwunschbringdienst so im Durchschnitt für eine Order braucht, womöglich sind das alles aber auch nur Unikate, heißt, der erste, der von der Sache Gebrauch macht, hat Glück, der Rest der Welt sieht den Lichtbogen am Himmel, dessen Wunschfunktion aber bereist abgelöst ist. Trans-piri, trans-para, schon um 10 Uhr morgens, übrigens, wenn Sie dieses Tagebuch in 100 Jahren finden, interessiert sich vielleicht kein Schwanz für den Alltag und die Gedanken eines 21th century man, sondern nur für die verteilten Erwähnungen von Wetterphänomenen, um zu analysieren, wie und wo der Klima-wandel anfing…

29.07.18
Wring den Nacken aus und wässer‘ dein Kopfkissen, der Juli bringt feuchte Träume und Badetote, die Wasserwerfer patrouillieren an den ausgetrockneten Bäumen und spritzen unsichtbares Ökofreaks von den Ästen. Die Schotten dicht, sonst wirste gegrillt, der Tod klingelt in Badehose und Sonnenbrille bei alten Menschen, kauf‘ dir ein Avene-Thermalspray und häng es dir um den Hals zur Dauerbestäubung. Irgendjemand hat Rikes Stimme und Lachen in Elena verpflanzt, sehr eigenartig, wenn man im Nebenzimmer sitzt, die Illusion ist perfekt, im Magendarmbereich grummelt es, hoffentlich keine Hitzegewitter mit Shitstorms angesagt, das wird die Seeluft mit Weißwein gewesen sein, ein ruhiger Moment alleine vorne an Deck, auf dem Bauch wächst die Weinglasrose und oben tupft Bob Ross weiße Schleierwölkchen.

30.07.18
Was war es nochmal, voran du vorhin dachtest? Wo sind eigentlich diese unsichtbaren Mückenblutsauger, die nachts über eure vollnackten Schweißkörper herfallen und wer hat sie zu euch geschickt? Warum haben sich die Mieter unter euch getrennt? Hat die Hitze die Schweißnähte des Paares porös gemacht? Warum hast du seit neuestem nach dem Sport immer so ´ne rote Melle? Warum wird der Computer langsamer, hat der auch keinen Bock mehr auf Rechenoperationen bei der Hitze und was sollen eigentlich diese ganzen anderen Hautflatschen, die überall juckend auftauchen, du hoffst ja nicht, dass ihr in der Pfalz auf Bettwanzen o.ä. geschlafen habt, stranges Getier, wie der Schleimwurm im Tümpel, der leicht nach Alien aussah, aber für eine Invasion haben sie sich die falsche Zeit ausgesucht, die schmelzen alle weg.

31.07.18
Da gießt ein Mann die Platane mit Bier, um sich in den besoffenen Schlagschatten zu stellen, MacGyver baut sich aus Ventilator und feuchtem Tuch eine Klimaanlage, vielleicht wringt er auch nur die im Stoff gefangenen Seelen verstorbener Eisriesen aus und exorziert sie in die Luft hinaus. Die Sonne pinselt rote Flecken auf die käsigen Teens, die ihre frisch gestochenen Tattoos am Oberarm unter einer weißen Binde verbergen müssen, Hallo Hautkrebsgefahr. Der alte Mann mit Rauschebart und Brille wohnt jetzt in seinem kleinen weißen Auto in eurer Straße, auf dem Beifahrersitz eine blaue IKEA-Tasche voller Müll, und du hoffst doch sehr, dass er all die Artikel über den Horror-Sommer gelesen hat, in denen dutzende Kleinkinder und Hunde lebendig im abgeschlossenen Auto gegrillt wurden, bloß im Schatten bleiben und nicht einschlafen, Alter, sonst bist du als nächstes dran.

01.08.18
Auf der Fensterbank sieht es aus wie ein Mikromassenshooting unter Kleinstinsekten, auf weißem Grund überall leblose Fliegenartige, die Flüge von sich gestreckt, und der Shooter ist immer noch am Leben und sitzt hinter der Glasscheibe auf einem himmelblauen Handtuch, das einzige, was man von ihm sieht, ist der glühende Plasmalaserfleck der Zielvorrichtung, schau‘ bloß nicht rein, das macht dich blind. Wer über den Asphalt wegrennen will, bleibt dort mit den Gummisohlen kleben, festgetackerte Fußsoldaten unter der großen Lupe. Zeitgleicher Stillstand in allem, wo und wann kommt der nächste Auftrag her? Keinen Urlaub zu machen, erzeugt ein schlechtes Gewissen – wobei es letztlich ja nichts anderes ist als sonst: das Hangeln an unsichtbaren Zukunftslianen durch volle Autorenbäume und über gut gefüllte Haifischbecken aus Neid.

02.08.18
So ein schönes Haus mit Garten
wär das nicht schön
da muss ich mal mein Konto fragen
Tja, Herr Raichle, für ne Puppenstube reichts
da brauchen Sie nur noch nen Schrumpstrahl
Und was kostet der
Den gibt’s gratis nach dem Tod
da passen Sie am Ende sogar in ´ne Urne
Ach so, na gut, der Tod ist ja umsonst
Nee, so ganz ist das nicht korrekt
das war früher mal so
aber das haben wir geändert
weil’s ja dumm wäre, wenn keiner was
dran verdient
Na gut, und so’n schönes Grab im Grünen
das wär doch was
oder in den Dünen
nee, tut mir leid
da wird schon gebaut

03.08.18
Na, vielleicht werden die Deutschen die neuen Italiener, wenn sich das Wetter so einpegelt, kommt damit die mediterrane Siesta, natürlich gesetzlich vorgeschrieben, da Hitzeschutz für Arbeitnehmer. Die Ost- und Nordsee wird Europas Badewanne, Lederhaut statt Lederhosen, und aus den Hähnen fließt ostdeutscher Wein, das Internet überhitzt sich, die Lüfter werden ausgebaut und ins Wohnzimmer gestellt, die Hirne auf Durchzug gestellt, aus dem Schweiß der Berge werden Swimmingpools gefüllt und überall stehen Ganzkörperduschen mit Sonnenmilch. Neugeborenen werden Sonnenbrillenlinsen mit UV-Schutz in die Iris implantiert und Elefanten werden in den Schwarzwald umgesiedelt. Drohnen mit Sonnenschirmen fliegen gehorsam immer über den Köpfen mit und die neue Währung wird Wasser, nun kostbarer als Gold. Wer Geld hat, zieht in die Arktis oder in den kühlen Weltraum hinauf.

04.08.18
Suizidale Tauben landen bei 100km/h direkt auf der Autobahn, einen Meter vom heranrasenden Auto entfernt, das macht die Hitze, oder vielleicht war sie ja in den kleinen Plüschhaufen verliebt, der 50m weiter hinten leblos auf dem Standstreifen liegt, Romeo und Julia im Tierreich, das muss Absicht gewesen sein, denn jeglicher Instinkt vor großen lauten Dingen bringen Vögel doch normalerweise sofort in die Luftflucht, wenn nicht, wären sie schon längst ausgestorben durch Wolf, Katze, Fuchs, Hund und Ko. Oder es war ein gemeinsamer Freitod á la Kleist, welch Wahl, sich von dem Grund überfahren zu lassen, weswegen sie so verhasst sind – Taubenscheiße auf dem frischlackierten Kotflügel, apropos Kotflügel, eine gute andere Umschreibung eigentlich für Stadttauben, die Kotflügler sind unterwegs und versammeln sich zum Protestarsch gegen die Menschen, watch your head.

05.08.18
Die Deutschen werden immer fetter
und reden nur noch übers Wetter
fallen wie Fliegen von den Wänden
der Himmel rot von tausend Bränden
einmal hatt‘ ich Langeweile
und erdachte mir eine Zeile
für den nächsten Sommerhit
Hurra Hurra die Erde brennt
und alle Leute singen mit
auch wenn danach die Platte hängt
auf der immergleichen Rille bleibt
die Amis waren stets beleibt
und reden nur noch über Donald Trump
Hooray Hooray we are soooo dumb
Ich halte mir die Augen zu
und spiele mit dir blinde Kuh
vielleicht auch mal den Ochs am Berg
ich bin ein Riese, du ein Zwerg
ich fress‘ euch auf
verlass dich drauf!

06.08.18
Auf der Straße unten entführen sie ein Affenkind, klingt jedenfalls stark danach, und gegenüber trocknet Wäsche warm, wenn man gerade erst ein Gedicht geschrieben hat, denkt man danach noch in Reimen statt in Prosa, da muss man sich konzentrieren, um nicht wieder ins Reimschema zu fallen. Morgen sind es drei Jahre mit dem Ring am Finger, hättest niemals gedacht, dass das mal kommt, aber es war definitiv die richtige Entscheidung: Happily married to a loving Panda Bear. Hättest aber nicht gedacht, dass du beim Fragen unter der Krankenbettdecke so einen Herzkasper bekommst, fühlte sich wie die drei Worte an, zum ersten Mal ausgesprochen, nur dass es nicht „Ich liebe dich“ war, sondern „Willst du mich heiraten?“. Schöne Kostbarkeiten aus dem Seelensafe, die nur die Auserwählten jemals zu hören bekommen.

07.08.18
Du da, nimm´den Föhn aus meinem Gesicht und puste lieber Sauerstoff in die Flüsse und Seen, da bräunen sich schon viel zu viele ihre silbrigen Bäuchlein an der Sonne, und du da, musst du wirklich mit deinem LKW in einen Tanklaster fahren, der in einem großen Feuerball explodiert? Das hier ist kein Actionfilm, in dem das Böse (aka Menschheit) die Sonne nicht mehr untergehen lässt, vielleicht aber auch der gerissene Plan eines Öko-Terroristen, der dem Rassismus ein für allemal in die Schranken verweisen will: denn wenn die ganzen weißen Europäer nach und nach zu Schwarzen werden, sind wir alle gleich – und für diejenigen, die die Flüchtlinge nicht verstehen, kommt im nächsten Kapitel der eigene Exodus Richtung Skandinavien, weil es dort noch kühl ist und die Gewässer noch nicht ausgetrocknet sind. Oder die Erde hat Fieber, um uns Parasiten endlich loszuwerden.

08.08.18
Das Flatschen der Badeschlappen am nackten Fuß ist sowas wie eine Hupe für Fußgänger, die vor einem auf dem Gehweg vor sich hin trotten und dabei den Weg versperren, und es ist nicht mal unhöflich oder dränglerisch wie eine Fahrradklingel, sondern eher mysteriös-dräuend wie die hörbaren Schritte eines unsichtbaren Monsters in Gruselfilmen. Und da sag‘ noch mal einer, ein Plattfuß wäre für nichts gut. Und dann noch die Frankenstein-Narben am ganzen Fuß – die machen das Bild perfekt. Du kannst es natürlich auch wie der bullige Tourettemann angehen, der hier immer wieder seine Runden dreht, vielleicht hat er auch irgendwas am Hirn, weil er den Kopf so seltsam schräg hält (hast du von ihm nicht schonmal berichtet? Keine Ahnung), der wie aus dem Nichts heraus mit den Armen rudert und laute Wortfetzen schreit, um die Omis zu erschrecken.

09.08.18
Wie süß, zwei Batikhemden lieben sich und verschmelzen auf dem Gehweg miteinander, jetzt braucht der Kran nur noch vorne an der Spitze eine Nadel, dann kann er die romantische Musik des Windes als Plattenarm verstehen, die Krähen darauf die Lautsprecher, im Moment nur Gekrächze, aber das kann sich schnell ändern, die Vögel sind nur vom Geklacker genervt, das die Bauarbeiter beim Abbau des Hausgerüstes veranstalten, was wiederum bedeutet, dass der Kran hoffentlich bald verschwindet. Schau’n wir mal, ob wir den eingebrannten Anblick vergessen, da standen in New York schließlich auch mal zwei Türme. Heb‘ die Arme und lass die Böe deine Achseln durchspülen, wer duscht und danach nach draußen an die Luft geht, hat sowieso verloren, weil man eigenartigerweise dann noch mehr schwitzt, und hättest du besser in Physik aufgepasst damals, könntest du das Phänomen 100%ig erklären.

10.08.18
Irgendwann bist du zu bestimmten Menschen nicht mehr kompatibel und musst erst deinen inneren Treiber aktualisieren, aber du hast keine Ahnung, wo‘s dieses Update eigentlich gibt. Keine Hotline, die du anrufen kannst, keine Mailadresse, kein Supportchat. Wenn du Glück hast, updaten die anderen ihren Treiber, damit er abwärtskompatibel ist und wenigstens so eine Form der Kommunikation möglich ist, womöglich aber rudimentäre, nichts persönliches, sondern nur Sprachnachrichten/SMSen, indirekt und oberflächlich, erst gefüllt mit Versprechen und Verabredungen, die dann wieder spontan abgesagt werden, sporadischen Geburtstagswünschen bis zum finalen Schweigen und der letzten Nachricht, die drei Jahre her ist, naja, vielleicht hat sich ja auch die Nummer geändert, neues Phone, redet man sich ein, aber in Wahrheit hat dich die Firewall endgültig erkannt und weggeblockt.

11.08.18
Irgendwo in der Home Cinema-Nacht leben die Monster mit den LED-Augen, grün, rot, blau und gelb, und viele kriegsversehrt, Zyklopen aus Elektrodimensionen, die sich auf Wadenhöhe vor dem Fortschritt verkriechen, einer von ihnen morst Lichtsignale in die Dunkelheit, S.O.E.S. – Save our electric souls – aber eine Antwort bleibt aus, das WLAN-Meer schweigt, der Kühl-schrankschamane oomt vor sich hin, cooler Typ, aber auch schon etwas älter stromhungrig, nicht mit AAA+ und so, und wenn wir was für die Welt und das Klima tun wollen, wirst du der erste sein, den der Aktionismus trifft, alter Knabe, eines Tages stehen dann plötzlich zwei fremde Männer in der Küche vor dir und ziehen dir den Stecker, schleppen dich die Stufen runter und werfen dich bei der BSR in den Container voller alter Elektrogeräte, ZACK!, Klappe zu und ab danach nach Afrika, wo der Haufen lebendig verbrannt wird.

12.08.18
Da knarzt der Stuhl des Stasi-Mithörers ein Balkon schräg über uns, Ohren auf für den Privat-talk, Berufsgeheimnisse und Beziehungsthemen, was denkt der Bremer (?) Mann über das verheiratete Paar? Fakt 1: Da läuft immer gute Musik; Fakt 2: Der Kerl raucht zuviel, was seiner Frau Schrägstich Partnerin missfällt; Fakt 3: Die beiden sind in der Medienbranche tätig; Fakt 4: Alle Jubeljahre befinden sich noch andere Menschen auf dem Balkon und diskutieren über weltliche Themen bis ins Morgengrauen; Fakt 5: Der Kerl sitzt immer wieder mal alleine da und schreibt krisskrossig in ein weißes Notizbuch, hoffentlich nicht über mich!

13.08.18
Vorsicht vor der Babyfressenden Hecke, alles was übrigbleibt, ist der Plastikschnuller, der an einem der Äste hängt, entweder als Warnung oder als Köder fürs nächste vorbeikommende Neugeborene, who knows? Außerdem auf dem Weg gesehen: Hypnosewerbung für Raucher, die aufhören wollen, clever angebracht an einer Fußgängerampel, wo sich die ungeduldigen Nikotiner die Wartefluppe anzünden und zwei Minuten lang den Aufkleber studieren. Dann beim Anblick einer dicken Frau folgender Sinnspruch: „Je dicker du bist, desto dünner das Eis“. Suchplakat für zwei schwarze Katzen am Baum, die dummerweise dem Katzentierarzt/Katzen-pension entlaufen sind, und auch hier wieder mal der hochgepushte Wunsch, einmal ein entlaufenes Tier zu finden und es seinem Besitzer zurückzubringen, aber heute nicht, keine schwarzen Katzen kreuzen deinen Weg.

14.08.18
Und dann kam David Copperfield vorbei und ließ den gelben Kran verschwinden, vielleicht war’s auch der Mike Schultzke mit seinem Laster, auf jeden Fall schwingt der gigantische Taktstock nun nicht mehr über den Köpfen, und wenn du das gewusst hättest, hättest du gern dabei zugeschaut, ab 40 darf man das, hätte dich schon interessiert, wie die das Ding abbauen. Dann schau’s dir halt auf Youtube an, da gibt’s wahrscheinlich 3000 Auf- und Abbauvideos mit Millionen Klicks von Anwälten, Managern und Kleinkindern, die eigentlich Bauarbeiter sein wollten. Die Katze wird derweil zum Webcamstar, Big Brother is watching the Penntüte, wenn sie auf dem Balkon unter dem Stuhl liegt, das Ganze über Browser, so dass du sogar mit dem Handy auf dem Klo nach ihr schauen kannst. Frage ist nur, ob man schnell genug vom Thron kommen würde, wenn irgendwas ist…

15.08.18
Drüben freuen sich die Spatzen über die kleinen mit Reis(?) gefüllten Essschälchen, die die Thaimasseuse jeden Tag vor die Tür stellt, Gaben für Mutter Natur für ihren Segen, nimmst du an, eine alte Tradition, mitgebracht ins unreligiöse Berlin, ob das die Nachbarn sehen wollen oder die Schalen klauen, weiß man nicht. Aber du verstehst es, schließlich bringst du der Muse auf jeden Tag ein Schriftopfer dar, in der Hoffnung auf grandiose Ideen und immerwährenden Schreibfluss. Zwei eingetippte Seiten Irmi pro Tag, wenn man das hochrechnet, sind das 60 Seiten pro Monat plus minus, stellt sich nur die Frage, auf wie viele Seiten du am Ende kommen willst, damit es ein Roman wird, aber was für eine Art wird sich hoffentlich noch durch den inneren Storykompass bilden, und wenn nicht, hast du wenigstens einen Punkt der to-do-Liste deines Lebens abgehakt. 

23.08.18
30° Celsius draußen, und trotzdem tragen die Senioren Westen/Jacken/Wollkleidung, du verstehst es nicht, wird man im Alter zu Frostbeule oder haben die nichts anderes im Schrank? Kein Wunder, wenn denen der Kreislauf kollabiert, apropos Bier, der Typ da setzt sich in sein Auto und zischt erstmal schön einen großen Schluck aus der Pulle, Prost, und pass beim Abbiegen auf die Fahrradfahrer auf, die werden derzeit auf die Liste der gefährdeten Arten gesetzt und ständig von LKW’s niedergesenst. Woanders vergräbt wieder mal einer Rasierklingen auf einem Spielplatz, der Fuchs schnappt sich Pinguine aus dem Zoo, du rettest eine Wespe aus deinem Apfelschorleglas und wirst wieder mal abends von deiner leicht militanten Nichtraucherehefrau draußen auf dem Balkon ausgesperrt, die Fingernagelhaut wird abgekaut, bis es blutig ist, und irgendein blinder Ex-Kulissenbauer fragt, ob er dich auf einen Kaffee einladen kann.

24.08.18
Mitten in der Nacht aufwachen, weil die Luft nach Rauch riecht (davor geträumt, dass du eine rauchende Tüte in der Hand hattest und den herbeieilenden Uniformierten erklärst, dass die Tüte nicht dir gehört und dass du außerdem den Grasgeruch nicht leiden kannst…) zeigt immerhin, dass der Rauchmelder in der Nase eingebaut ist und sogar in REM-Phasen funktioniert. Trotzdem leicht eigenartig, verschlafen auf den Balkon zu treten und die Haus-fassade nach lodernden Flammen abzusuchen und dann den Rest der Straße, den Nachthimmel, nichts zu sehen, aber doch zu riechen, vielleicht gibt’s ja auch neuerdings unsichtbare Feuer, Geisterbrände quasi, man zweifelt dann doch plötzlich, riecht es hier nicht komisch angekokelt, Schatz? Und drum schnell im Netz nachgeschaut: Waldbrand unterhalb von Potsdam, Rauchschwaden ziehen bis nach Berlin rein. Fenster zu und Gute Nacht.

25.08.18
Hust Hust, ist das der Feinstaub in der Luft oder die eine Zigarette zu viel gestern, der Alkohol zersetzt die Gedärme und fährt Achterbahn, älter werden und feiern verträgt sich eben nicht. Apropos feiern – nachher geht’s gleich weiter mit Wildschwein und Bier, ein Hoch auf den Sonntag und die Abspanncouch. Vor dem Aufbruch aber noch wenigstens pflichtbewusst Seite füllen, auch wenn der Kopf auf Standby geschalten ist, steck‘ die Kopfhörer in die Ohren und dreh Motivationsmucke auf, guck‘ da ist der fette Kalli im Studio, Bundesligasaison geht wieder los, wie hockt der sich eigentlich aufs Klo, da braucht man doch ein verstärktes Maxiklo, das muss ja auch eine Nische sein, Möbel und Einrichtungsgegenstände für fette Menschen? Du denkst da an XXL-Betten, Kleidung und vielleicht sogar erweiterte Türen, durch die man sonst nicht durchpasst.

26.08.18
Sonntags bin ich ein
durchgehangenes Steak
an einem Gummibaum
Schraub die Augen raus
und packe Lavalampen hinein
Der Mund bewegt sich aus Faulheit
nicht mehr
der ist erst Montag wieder offen
Jesus Christ, hast du gesoffen
Der Wein war ja auch so lecker
Zum Glück bist du kein Bäcker
da müsstest du um 3 Uhr ran
ditte is nich jerade Superfun
das Hirn ist nur auf Passivmode
zum Glück gibt’s dafür Fernsehbrot
lass dich berieseln bis um 10
dann heißt es in die Heia gehen
und schnell noch ne Seite vollgereimt
die Seele bleibt stets angeleint

27.08.18
Nur ein geföntes Horn sings Unsinn
am Kap der Schönheit
die Wahrheit schminkt ein blaues Auge im O-Ton:
und immer musst du auch
alle Fliegen töten
soviel Blut wie an meinen Händen klebt
ey
das ist nicht witzig
so richtig sauber ist das aber nicht
das ist ja noch voll braun
da muss man was draufsprühen
ich habe kein Bock
immer deine Scheißputzfrau zu sein
das geht mir so auf den Sack
nur weil du zu faul bist
seit wann kann man Schurwolle
in die Waschmaschine stecken
zumindest wird es so nach Chemie stinken
dass sie nicht mehr raufgeht

28.08.18
Schmeiß‘ die Katze um
dann schnurrt sie
pack das Kreuzworträtsel auf den Tisch
innere Zuneigung mit 5 Buchstaben
die Katze jagt dem Kugelschreiber
geh‘ aufs Klo und schließ‘ besser ab
die Katze ist ein Klinkenputzer
mach die Glotze an
vielleicht läuft was mit kleinen Pelztieren
die kann man mit den Tatzen tatschen
der Dicke will keine Mehlwürmer fressen
was ´ne Pussy
würde ihm vielleicht ganz guttun
bei der Wampe
hast du’n Schoß, dann springt
die Katze drauf und sabert feuchte Träume
in den Stoff
aus dem ganzen Fell
kannste ne Giraffe basteln

29.08.18
Schlechte Träume sollst du haben
die Blumen gehören doch auch zur Familie
unten nageln sie Jesus an die Wand
wenn das bis 22 Uhr so weiter geht
rufen wir die Bullen
oben knarzt der Ohrensessel
der hört alles mit
das wars wohl mit dem Sommer
auf dem Balkon
der Wind macht den Kehraus
kipp die Eiswürfel weg
die brauchen wir nicht mehr
die kurze Schlafhose kommt in den Schrank
und darf erst in einem Jahr wieder raus
die einen freuen sich schon auf den Herbst
wer keinen Tee trinkt, hat verloren
und für einen Kamin fehlt das passende Haus
pack‘ dir die Wärmeflasche auf den Bauch
und träum von sonnigen Zeiten

30.08.18
Die Sonne und die Zeit und vielleicht ein bisschen Hautfett bleicht den ESSAY-Schriftzug auf dem Einband ab, so dass am Ende vielleicht ein reines weißes Buch übrig bleibt, dem man einen eigenen Titel geben kann, „the white book of life“ oder so ein verschwurbelter Quatsch zum Bleistift. Oder „weiße Tage“ – whatever. Die blanke Seite passt aber letztlich ganz gut, wer soll sich schon später an einzelne Tage der vergangenen Jahre erinnern, außer man liest darüber. Wird mal wieder Zeit, die neuen Monatslinsen einzusetzen, je näher am Ultimo, desto abgewetzter und verschwommener wird die Sicht. Sitzen auf der Couch, warten auf Ehefrau, Hello Fresh-Kochen, Miniserie schauen, normales Leben 2018. Katze hatte Durchfall im Katzenklo, Ehefrau leicht verschnupft, hoffentlich keine Sommergrippe wobei es wohl eher Frühherbstgrippe heißen müsste, du alter langweiliger Korinthenkacker, du.

31.08.18
Im Traum läufst du mit einem irren Grinsen durch einen Vergnügungspark, der Erdbeben simuliert (ohne dass die Besucher das wissen), alle Leute kreischen und rennen panisch herum, fragt sich, was dein Unterbewusstsein da wieder verarbeitet bzw. ob das nicht irgendwelche Nostradamus-Botschaften sind von dräuendem Unheil etc. Seherische Fähigkeiten wär‘ ja mal was zur Abwechslung, auf der anderen Seite vielleicht auch besser nicht, angenommen, man hat ein kommendes Attentat gesehen und will die Leute warnen, die Tat verhindern, aber letztlich bis du dann nur ein Spinner von wahrscheinlich 1000 Verschwörungstheoretikern und Aluhüten im Netz, die davor warnen, dass die Eidechsenmenschen die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Klassischer Stoff für Serien und Bücher, schreib‘ doch mal ein Konzept, Blablabla, schon wieder eine Absage bekommen, Fuck you, Raconti Lab, Fuck you.

01.09.18
Das Glück ist
wie eine ewig kratzende Kontaktlinse
in deinem Auge der anderen
und du selbst trägst eine Brille
du bist die tragische Figur
mit der haarigen Frisur
ein Reimschinken wie aus Bier gegossen
geht in die Bank und hoch die Flossen
her mit dem Rezept für den Auflauf des Lebens
die Gedanken machen Martial Arts
der Darm der kennt nur Ringelpietz
früher spielten wir noch Gut vs. Böse
heute rasieren sich alle die Möse
so ´nen Reimekasper wirst du nicht mehr los
der Mietnomade in der Hose wird groß
denn ein Handjob spaziert irgendwo durch die Welt
die Nägel frisch lackiert
damit er sich uff Arbeit nicht blamiert
Kippe drauf und aus das Ding

02.09.18
All‘ ihr, die träumten davon
wie Bud Spencer Pasta zu essen
der Teller ist schon leer
aber da ist noch ein Rest Palmolive
die Prilblumen sind verblasst
auf dem Bierbäuchen wachsen die Haare
und in Villabajo stehen Hotelkomplexe
leck‘ den kalten Schweiß
von der Cola-Flasche
brech‘ dein Kreuz bei Limbo-Dance
Captain Jack was killed in action
und Werner braucht ´ne neue Leber
früher war alles besser
jaja und heute geht’s allen nur noch gut
früher war mehr Lametta
dann hat die Katze alles aufgefressen
ab zum Tierarzt, das wird teuer
wenn dich einer finden will
dann sicher nicht mehr im Telefonbuch

03.09.18
Zehntausend Winkekatzen
gegen den rechten Mob
vielleicht war der Mauerfall
doch nicht so super
zu wenig Nazis wurden davon erschlagen
heut fahren sie mit Navis in die Pampa
auf braune Konzerte mit blauen Dixieklos
wünschen sich eine einfachere Welt
oder jemanden, der für sie denkt
und einem Sprüche auf die Zunge tätowiert
und die Endlosjammerschleife an den
kleinen Finger wickelt
und den Stall voller Schuldenböcke
die sollte der Mullah mal schächten
Kebab draus, das esst Ihr doch auch
Geh mal in die Demagogendisco
Schüttelt das Haar und rasier‘ den Schnurri ab
dann kehren wir die alle untern Teppich
und nehmen euch vielleicht wieder auf
04.09.18
Dem Heizkörper wird’s zu bunt, so lange arbeitslos, kein Wunder, dass er auf Wanderschaft geht, scheint lange unterwegs gewesen zu sein, weil er sich gerade erschöpft an den Baum da lehnt und den Frauen hinterhersieht, die leise summend vorbeilaufen. Auf dem Fahrradweg rollen zwei alte Damen mit Elektrorollstühlen durch die Gegend, auf der Suche nach einem Drive-in-Restaurant, scheint’s. Der Tourist mit der geschlossenen 0.5l Becks-Flasche findet den Hoteleingang nicht, ein klarer Fall für Captain Karma! Und natürlich ist die Wespe auch wieder da, die Du damals aus der Apfelschorle gefischt hast, umschwirrt dich mit der Frage, ob sie einen Schluck Saigon Beer haben darf, aber don’t drink and fly, wasp, ich bin nur der Gegenstand, der dein Leben gerettet hat und als Gegenleistung erwarte ich nur, dass du mit deinem Schwarm auftauchst, falls ich mal Ärger bekommen sollte und euch Killerwespen brauche.

05.09.18
Mitten in der Nacht wachst du auf und hast den Namen „Joe Peristaltik“ im Kopf. Lag wohl an der kurzen Flatulenz der Frau vor dem Schlafengehen, aber schau’n wir mal, ob wir den Namen nicht irgendwo einbauen können, schätze mal, ein Großteil der TV-Redakteure hat keine Ahnung vom Begriff Peristaltik. Hätten eher ein Problem mit dem Namen „Joe“, schätzt du mal. Mit Peristaltik kennt sich das Katzentier wunderbar aus, legt Stinkbomben und rennt vor dem Gestank davon, als wär‘ der Teufel hinter ihr her, natürlich reine evolutionäre Reflexe, wer stinkt, kann von größeren Raubtieren gewittert und aufgespürt werden, schon klar. Fragt sich, ob bei dir selbst vielleicht auch irgendwas genetisch abläuft, weil wieder mal die Haut um die Fingernägel abgerissen/abgekaut wird – kauf‘ dir besser mal Handschuhe.

06.09.18
In deinen Därmen schwimmt ein Wal und singt, draußen werfen die angepissten Bäume Eichelbomben auf Autodächer, und der riesige Laubhaufen am Wendehammer breitet sich amöbenhaft aus, seltsam, dass ihn der Wind nicht auseinanderweht, haben die da Klebstoff beim Zusammenkehren drübergeschüttet? Und die andere Frage lautet: Wieso schmecken die Zigaretten plötzlich so scheiße? Sag bloß, da hat sich der Geschmackssinn neu verpolt, wär‘ ja nicht das schlechteste, das würde zu einem automatischen Rauchstopp führen, gut für Lunge, Geldbeutel und Ehefrau. Eltern befinden sich gerade über Grönland, Richtung Vancouver, du sitzt derweil auf der Couchinsel, Einwohnerzahl 2: Katze & Du. Probleme, ein Fernsehsignal einzustellen, auch mal was Neues. That’s life, oder wie Donald Duck sagen würde: Seufz!!

22.09.18
Da fallen einem ja die Füllungen aus den Augen, sagte der Regenbogen, als er auf den Kalender sah: Morgen ist Herbstanfang, fuckinghell! Bye Bye Sonne, Hello Nieselregen, Hello Bingewatching auf dem Sofa, wenn es um 17 Uhr schon stockdunkel ist und es morgens erst um halb neun langsam hell wird. Zeit, mit der Systemimmunisierung zu starten, Vitamine und Tabletten für die Melatoninbildung, wir haben alle Angst vor der Dunkelheit des Winters und den heranflirrenden Krankheiten, die von Hand zur Türklinke zur Hand zum Gesicht in den Körper wandern, don’t touch anything und stay am besten at home, my darling rainbow, aber vielleicht gibt’s ja nach dem Dürresommer ein überraschendes weißes Weihnachten, who knows? Und falls nicht, am Ende des Regenbogens liegt Pandoras Box vergraben, just so you know.

23.09.18
Katze hat leicht blutgefüllte Flüssigkeit rausgekotzt, hoffentlich kein Omen oder Vorbote für irgendwas Schlimmes. Apropos Omen: Mittwoch wurdest du auf dem Fahrrad von einer Krähe begleitet, die nur ein paar Zentimeter über deinen Kopf geflogen ist, mindesten 30m lang, du hättest den Arm ausstrecken können, um sie zu streicheln, aber hast es doch lieber gelassen, wollen ja nicht irgendwas provozieren. Heute wieder ein Schlumpfsonntag nach gestrigem Wannseefeuerwerk, sowohl pyrotechnisch als auch emotional zwischen Frau und Boss. In diesen Momenten kann man doch froh sein, selbstständig und autark zu sein, und fern von Bürohierarchien sein Ding durchzuziehen, möglicherweise auch ein 90-Minüter über einen Meeresbiologen für die Primetime, man wird sehen ob’s dieses Mal endlich mal klappt, wäre schon knorke.

24.09.18
Grummel Grummel, this is your stomach speaking, das gleiche Gefühl wie vor der Klavierstunde früher, wenn du nicht geübt hattest, und jetzt sollst du ein Exposé schreiben für den Hauptabend, seltsam, ob das die Selbstzweifel sind oder der perfektionistische Kopf? Beides kriegt jetzt Hausverbot, ist ja nicht so, als hätte dir einer eine geladene Knarre und den Namen eines Zieles zugesteckt, das du liquidieren sollst. It’s just TV, dummy. Schau‘ dich um, was für Flachpfosten auch in der Branche schreiben, das kriegst du schon gebacken, sonst lässt du halt die Katz‘ drauf kacken oder brichst in einen Zoo ein und klaust eine unendliche Anzahl von Affen, die du vor deinen Rechner packst und sie lostippen lässt, hat schon good ole Shakespeare schließlich auch so gemacht, also keep calm and write that fucking thing.

25.09.18
Peristaltik Joe ritt im Morgengrauen in die Stadt. An seinen Sporen klebte das Blut von Dancefloor-Bob, der ihm gestern Nacht in die Quere gekommen war und dafür nun von den Aasgeiern zerfetzt wurde. Peristaltik Joe spuckte auf den staubigen Boden und sah sich um: Im Yogastudio brannte schon Licht, wahrscheinlich machte die Dünne Doris gerade den sterbenden Schwan oder Hund oder wie das Ding hieß, Peristaltik Joe konnte sich einfach nichts merken, also schrieb er die meisten Sachen in ein fleddriges Notizbuch, das an einer dicken Kette am Sattel baumelte, den Stift hatte er sich hinter das linke Ohr geklemmt, rechts fing nicht, seit ihm Flohsack John als kleiner Junge mit der alten Knarre seines Pa’s beim Spielen versehentlich das gesamte Ohr weggeschossen hatte. Das kommt davon, wenn man nicht brav den Teller aufisst, Bob.

26.09.18
2 Polizeiautos und 3 RTWs in der Straße, Discoblaulicht in der Nacht und natürlich schaut man vom Balkon, ob’s in der Nachbarschaft brennt oder was da los ist, scheint irgendwas bei der dicken polnischen Friseuse passiert zu sein, klar denkt man sofort an Rasiermesser und scharfe Scheren, die in Körperteilen stecken, wo sie nichts zu suchen haben, dazu hat man viel zu viele Mafiosi-Filme gesehen, kann aber auch sein, dass die fette Friseuse einen Herzinfarkt hatte, wobei drei Rettungswagen schon ein wenig übertrieben sind, jaja, Schöneberg, da hauen sie auf offener Straße schwule Pärchen im Park, rauchen da Meth, ditte war früher nich so, da haben wir die Juden noch fein säuberlich an die Laternen gehängten, wispern die Erinnerungs-tafeln und schwingen sanft im Wind.

27.09.18
Oben platzt das Flickschusterrohwerk und die Wasserflecken an der Decke machen ihr Comeback, heißt morgen früh um 7 Uhr stehen die Handwerker vor der Tür, same procedure as we know it, und immerhin kam auf die Email eine Antwort, die verheizen bei Berlinhaus ihre Sachbearbeiter reihenweise, alle wahrscheinlich Burnout oder an die Wand gestellt, weil sie dagegen protestiert haben, wie die Firma sich gegenüber Mietern verhält, who knows. Das Ehepaar über euch, die immer im Partnerlook ganz in Weiß und Händchenhaltend zum Einkaufen gehen, trauen sich bei der geringen Miete natürlich nicht, gegen irgendwas aufzu-mucken, also geht der 70-jährige bei Regen immer hoch in den Dachstuhl und stellt dort Wannen auf, die das Regenwasser aus dem undichten Dach auffangen, na warte, das kriegen die mal schön vor Gericht zu hören!

28.09.18
Du bist die zwei Vögel, die nebeneinander oben auf dem Dache sitzen und in entgegengesetzte Richtungen starren, der eine fliegt zum Kacken weg und sucht nach Erdogans Kopf, der andere wartet auf die perfekte Luftwelle, die ihn in einem Rutsch runter in den Sonnensüden bringt. Die Fensterscheiben vibrieren im Wind der kommenden kalten Tage, holt die Daunendecken raus und lernt schonmal Russisch, flüstern die Nostradamus-Vorboten, denk‘ immer daran, dass du stets die richtige Remoulade für ein überbackenes Sandwich nimmst, mein Schatz, sonst musst du’s in den Müll kloppen, zu den ganzen verkotzten Küchenpapiertüchern. Denk‘ daran, deine weiße Weste immer schön im Raum vor dem Fenster aufzuhängen und hol‘ dir die nächste Schachtel Zigaretten vom Späti, die brauchen wir für den Friedensrauch.

29.09.18
Leverkusen/Dortmund/Wolf Fuss: „Kompoesie“

Kreuzt auf der Seite die Klingen
sämtliche Zweifler haben Pause
Frisurenbrüder entzerren dahinter die Geschichte,
da haben wir mal ein Auge drauf durch die Mitte
die Leiste scheint okay
auch das gibt’s noch weißer
nicht mit genügend Dampf im 442
mit 2
mit 3
Mann chronisch unterernährt
der muss jetzt zurück ins Körbchen
im Blick kritisch
volle Möhre angerauscht, kernig und am Ende nicht sauber
offiziell heißt Kies dann Brand
und es geht wieder nur hintenrum in dieser noch jungen Saison
und sofort sind sie wieder in der Formation
nicht gern gesehen
bei den Athleten gibt’s als Nachschlag immer Platz
das ist nicht im Sinne und in Traben nur
weiter geht’s am Spielfeldrand

30.09.18
Du hast die Füße kalt
bist 40 Jahre alt
dein Hals ist ein Krawattenstab
der zu lange in der Sonne lag
das Hirn ein Knäuel aus Regenwürmern
das ist ja der verdammte Haken
wir zünden eine Kerze an
fressen Konfetti aus dem Locher
ziehen die Plomben aus den Zähnen
früher war mehr Lametta
singen alle Seenotretter
Einbaum an Weihnachten
überquert die Meere
überquert die Gräber
wie lange haben wir uns nicht mehr geküsst
fragt die Pusteblume die Biene
und wie lange hast du nicht an mich gedacht
sagt der Spiegel des Morgengrauens

01.10.18
Der Virenbelzebub sitzt mal wieder im rechten unteren Augenlid und man fragt sich, welcher Fucker wieder mal mit deiner Voodoo-Puppe herumspielt und kleine Nadeln reinsteckt, ist vielleicht der Katzengott, der dich bestraft, dass das Tierchen seit Tagen keine Leckerlis mehr bekommt. Oder es war das Tier ganz alleine, weil es mit der eben noch im Katzenklo durch die Scheiße gezogene Schnauze nachts bzw. frühmorgens ins Bett kommt, den Berg namens Mensch besteigt und genau an die Stelle mit der Schnauze geht, wo es sich anfühlt, als hätte dir jemand ein Streusandkorn untergejubelt. Not again, verdreht sich das andere Auge genervt, aber dieses Mal gehst du gleich morgen zum Augenarzt und holst dir Medizin, sonst dauert die Scheiße wieder ewig lang und zieht die Stimmung schön in den Keller, na warte, dafür geht’s bald zum Tierarzt.

02.10.18
Frage: Gibt’s denn eigentlich auch Pornos, in denen eine Handwerkerin in die Wohnung kommt, um ein Rohr zu verlegen bzw. was wäre das Äquivalent dazu, Heizung leckt passt ja nicht wirklich, müsste man also eher so hindrehen, dass die Dame den Hausherrn bittet, sein Rohr in ihr zu verlegen oder so. Auf jeden Fall hustet sich einer der Blaumänner gerade den Staub aus den Lungen, der andere macht ein Foto vom Loch – das wiederum könnte auch doppeldeutig verwendet werden, aber letztlich braucht es wohl keinen Dramaturgen in dem Metier, der sich mit den Feinheiten des Dialoges beschäftigt. Hauptsache, alles steht senkrecht. Seltsamen Traum gehabt heute Nacht, es war wie eine sehr verschüttete Erinnerung aus deiner Jugend, in der du mit Freunden Filme gedreht hast, und du hättest schwören können, dass die Clips immer noch auf einem alten Rechner existieren – leider nein.

03.10.2018
Knapp 30 Jahre schon her, und der östliche Part fühlt sich immer noch wie der angewachsene Freakbruder in der Mutantenachselhöhle (an). Da merkt man erstmal, wie lange es dauert, ein eingeschleiftes System aus den Köpfen zu bekommen, das die Ü-50-Ossis immer noch bei ihren Pegida-Aufmärschen in Geheimschrift auf ihren Plakaten mitzitieren und heraufbeschwören. Ach, was war damals doch alles besser, schwärmen sie, weil sie es prima fanden, dass andere ihnen die Entscheidungen abnehmen und ihnen sagen, wie die Welt funktioniert. Jetzt müssen sie selbst denken und merken, dass die Welt komplexer als ein MuFuTi ist, das macht vielen Angst, aber anstatt deswegen zum Therapeuten zu gehen, schieben sie wieder mal alles auf Flüchtlinge und Konsorten, vielleicht bauen wir die Mauer doch wieder auf.

04.10.2018
Die Katze schreit beim blutabnehmen die Bude zusammen, als würde man sie gerade bei lebendigem Leib auseinandersägen, böse blicke werfend, da hilft kein gutes Zureden, du bist das Arschloch, das sie gerade verpennt aus dem Wäschekorb geholt und in den Transportkäfig gesetzt hast. Aber sie wird es dir später wieder verzeihen, zuhause, bei etwas Leckerli und dem hypergesunden Katzenfutter, wo die 100gr Dose 1 Euro kostet, das sind 2 Euro am Tag, also 730,- Euro im Jahr, kein Wunder, dass manche Leute ihre Tiere dann irgendwann im Pappkarton vor dem „Fressnapf“ aussetzen, aber andererseits weiß man doch, worauf man sich bei so einem Tier einstellen kann. Wie auch immer, der scherzende nächste Handwerker kam vorbei und meinte, dass das Schlafzimmer knapp vier Wochen lang wegen des Wasser-schadens getrocknet werden muss, Mietsenkung ahoi!

05.10.18
Welcher Wixer hat sich ein Schmirgelpapier genommen und damit deinen Rachen bearbeitet, muss der gleiche sein, der Klebstoff in deine Nasenlöcher gefüllt hat, während du geschlafen hast, und außerdem hat er dir noch Bleiwasser in die Augäpfel gespritzt, die bewegen sich so träge und fühlen sich wie schwanger an. Und außerdem – wie kommt man auf die Idee, einem Wachs in beide Gehörgänge zu kippen, bist du Odysseus bei den Sirenen oder was. Weiß auch nicht, wo diese unsichtbaren Unterklamotten herkommen, die einen zum Schwitzen bringen, den ganzen Quatsch braucht kein Mensch, hoffentlich schaffen Ingwertee, Nasenspülung, Neoangin und Boxagrippal, die Immunitätshände ans Lenkrad zu packen und den drohenden Fall ins Erkältungsmeer zu verhindern, so fasten your seatbelt!

13.10.18
Homo Hanno Raichlesis zieht sich bei grippalen Infektionen sowohl psychisch als auch körperlich in eine abgeschirmte Anti-Kontakt-Glocke zurück, ähnlich die des Winterschlafes und/oder depressiven Schüben und taucht erst wieder aus der Versenkung auf, wenn die Nasenluft wieder rein ist. Sehr ärgerlich ist dieser Zustand, wenn ein plötzliches Hoch in Deutschland noch einmal sommerliche Temperaturen erzeugt, diese aber wegen Rotnase, Kopfweh und Rumgehuste nicht genossen werden können, ergo: schlechte, vorherrschende Stimmung verbessert sich nicht im Geringsten, sondern sorgt für weitere Schlechtlaunefronten, die durch Hirn und Seele ziehen, imaginäre Gewitterwolken über den Kopf zaubern, aus denen es aus Eimern schüttet und herabblitzt, manch einer behauptet, dieses Phänomen sei als „Männergrippe“ zu verstehen und erkrankte Individuen übertrieben maßlos, aber das sind nur propagandistische Gerüchte!

14.10.18
Im Traum beschwert sich ein Thirtysomething darüber, dass seine Wunden nicht mehr so schnell wie früher heilen, und legt als Beispiel die Verletzung zwischen Daumen und Zeigefinger dar: dort war ein kleiner Kratzer, der immer größer wurde, sich entzündet hat und einen eigenartigen Schorfschaum entwickelte, auf dessen Bezähmung er nicht kam, du konntest ihm dabei helfen: „Wermut!“ Hat womöglich mit dem Wespenstich im Handballen gestern zu tun, der immer noch zu spüren ist. Morgens stechender Kopfschmerz auf der rechten Hirnseite, wahrscheinlich unbewusst von dem hochfrequenten Geräusch des Staubsaugers von oben um 7 Uhr morgens erzeugt, oder Überbleibsel in den Nasennebenhöhlen. Sunny lazy Sunday voraus, Montag dann hoffentlich endlich wieder gesund und munter und dann auf zur Arbeit…

15.10.18
Wer klaut dem Fisch sein Fahrrad
Wer leckt sich selbst am Arsch
Wie können Sie das wagen
Wo steckt das dritte Rad
Wann kann ich denn nach Hause
Warum sind wir noch hier
Was kümmern mich die andren
Wer denn wenn nicht wir
Weshalb ist alles anders
Wohin wird das nur führen
Was wenn wir nicht mehr hier sind
Wer kenn noch unsre Namen
Wie weit muss ich noch gehen
Warum ist keine Frage
Wo waren wir denn morgen
Weshalb und sowieso
Wie klingt das in den Ohren
Wer blind ist, weiß viel mehr
Wieso weshalb warum

16.10.18
Die Menschen trugen kleine rechteckige Spiegel an Stangen vor sich herum und fielen massenhaft von Klippen, weil sie vergessen hatten, wie sie aussahen und so panisch wurden, dass sie unbedingt sofort ein Bild von sich machen mussten, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich auf dieser Welt existierten – und nicht nur irgendwelche Figuren auf Internetfotos waren, und währenddessen beschwerten sie sich aber darüber, dass die Welt ein ungastlicher Ort würde, voller Egoisten, die sich nur um sich selbst drehten und nicht an ihre Mitmenschen dachten und darum nahmen sie auch Videos von ihren redenden Gesichtern auf, aus den vorwurfsvollen Augen und schmutzigen Mündern ergossen sich tagelange Tiraden, die Terabyte füllten und von anderen angeklickt, gesehen und kommentiert wurden, bis einer endlich den Strom abschaltete.

17.10.18
120min durchgewalkte Muskeln als Voodoo-Zauber gegen Rechtschläfenmigräne, alles verspannt im Nacken und dazu kotzende Katze, die morgens um 5 Uhr nervt, bis man aufsteht, hilft nicht gerade dabei, einen erholsamen Schlaf zu finden. Ehefrau gerade bei der Dirndl-Anprobe, bist ja mal gespannt, wie sie drin aussieht und ob das zum Lederhosenjucken am Wochenende im Salzburger Land führt, Sex bzw. Orgasmen sind letztendlich die beste Entspannung (und prima bei verstopfter Nase), da hat sich die Natur schon was Gutes bei gedacht, der kleine Tod erwischt dich und senst dich in einen Grinseschlaf, in dem du träumst, dir würde ein Stück Nase fehlen und im Krankenhaus fragen sie nicht nach deiner Versichertenkarte, sondern der EC-Karte, aber die hast du wohl im Tsunami-Traum davor verloren irgendwie.

18.10.18
Steck‘ dir einen Staubsauger ins Hirn und schalte ihn ein, da sind so viele Flusen und dreckige Gedanken, verstaubte Ideen und zerbrochene Erinnerungen, das kann alles weg. Platz für Neues muss geschaffen werden, reißt die Ohrenfenster auf und lass den frischen Wind durchziehen, schmeiß weiße Wäsche dazu, um die grauen Zellen blütenweiß zu färben, da hat sich soviel im Kopfhelm angesammelt, dass der Nacken unter dem Gewicht nur noch spannt, brenn‘ die Kopfkinosäle nieder, in denen Monate voller Youtube-Filme archiviert sind und ruf‘ die Anti-Messie-Brigade an, die sollen hier den ganzen hochgesaugten Sondermüll entsorgen, kein Wunder, dass sich dein Handy für dich jetzt alle Telefonnummern merkt, das Fass ist voll und die Scheiße quirlt unverdaut durch alle Neuronenleitungen völlig planlos überall hin.

19.10.18
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: den Gedanken an drei Tage ausschlafen ohne Katzen-kotzstress, ´ne bombastische Hochzeitsparty mit allerlei netten Gestalten und Promis, vielleicht ggf. keine Zigaretten – das ist noch die Frage, derzeit ist dir die Lust an Wein und Nikotin einigermaßen vergangen, Nachwehen der Erkältung/Migräne, aber könnte gut sein, dass du morgen Abend Bock auf beides hast und da es die Kippenmarke in Österreich nicht gibt, müsste man also Tabakproviant einpacken. Wird spontan entschieden, wenn ihr am Kiosk vorbeikommt, oder man schnorrt dann eben um 3 Uhr morgens bei Bernhard Schlink oder so eine olle Camel, Kopfschmerztabletten sind ja auch eingepackt, wobei man eigentlich auch überlegen könnte, die kubanische Zigarre zur Feier des Tages mitzunehmen, oder?

27.10.18
Nachts kommen die Indianer und schleichen sich ans Bett, ziehen Skalpell, Nägel und Hammer heraus und skalpieren dich erst, bevor sie in die blutende Kopfhaut rostige lange Nägel in die Schläfe treiben, bis ins Gehirn und auf die Tränendrüse. Die Nase läuft, der Körper verkrampft, wenn du auch nur noch einen weiteren Ton der Ukulele von unten hörst, läufst du Amok, mach‘ das Licht aus, vereise den gesamten Kopfbereich, irgendwie spinnen da wohl die Arterien, sagt das Internet, Gefäße öffnen und verengen sich in Misskommunikation, woher das kommt, weiß keiner, Wetterumschwünge, Nackenverspannung, Arbeitsstress, Käse, Nikotin, für den Fall der akuten Fälle warten jetzt zwei Hammerpatronentabletten auf ihren Einsatz, finaler Rettungsschuss quasi, vielleicht hast du auch schon mit dem Jahr abgeschlossen und einfach kein Bock mehr auf noch zwei Monate.

28.10.18
Und in der Nacht passiert drüben in Trumperica das 295. Mass Shooting in diesem Jahr, dieses Mal Synagoge, 11 Menschen tot, AR-15 Sturmgewehr, Judenhasser (46). This is what you get when you elect such a fucking assface, aber das scheinen die Amis ja einfach nicht zu raffen, da sie immer noch irgendwie in der Rolle des II. Weltkriegs-Heldentum stecken. Dass es längst keine Cowboys mehr gibt und sie ihren Lebensstil von XXXL-Marken und Minipreisen allein dank der chinesischen Arbeitssklavenheeren halten können und sich dann darüber aufregen, dass keine amerikanische Firma mehr Geld im eigenen Land ausgeben will, das kommt ihnen nicht in den Sinn, in den Sinn kommen hieße ja auch Nachdenken über die Komplexität der Welt and that’s sooo unsexy, bro.

29.10.18
Selbstmordattenblätter springen von den Bäumen und füllen die Gehwege mit ihren knackenden Skeletten. Wind wie kalte Katzenschnauzen fährt einem in den Gehörgang, irgendeiner behauptet tatsächlich, dass es morgen 20°C werden, und dank der Zeitumstellung wird es jetzt schon um 17 Uhr stinkdunkel, da fällt vor Schreck die Tischlampe mit der Schnauze auf die Arbeitsplatte, ja, du musst hart arbeiten, getreues Lampenwesen, erleuchte uns die langen Herbstnächte und spende Pseudosonne, die werden wir sowas von brauchen, wenn der Winterblues mit der Mundharmonika seine düstren‘ Lieder singt, erst aus der Ferne, wo es noch nach Donnergrollen klingt, dann immer näher kommend, halt‘ dir besser die Ohren zu, denn es ist wie bei den Sirenen: hast du sie einmal gehört, so bist du verloren.

30.10.18
Nimm die grüne Novalgin, Neo, und wenn du dann immer noch rechts aus dem Auge weinst, nimm die winzige Antimigräne-Bombe, mal sehen, was die Blutadern dazu sagen. Der Boden ist vollgerotzt mit Taschentücherblüten, da fällt der Traum ganz weich, dessen Reste dir am nächsten Morgen noch auf der trockenen Zunge hängen: Eine Odyssee durch die Nacht nach „Manitou“-Zigaretten, aber die gab es in keinem Späti mehr und im Tabakladen, den ein paar jugendliche Drogis übernommen hatten und dort bei offener Tür Koks vom Teppichboden staubsaugen mit ihren Nasen, sagte man dir, die Marke sei eingestellt, aber stattdessen bekamst du eine Art Bonbonrolle, von denen Bernhard Schlink schon welche genommen hatte und mit einem Ständer in der Altherrenhose einer Frau auf einer Rolltreppe nachstellte, die Nacht endete dann vor dem Bundesministerium für Müsli, „wo ´ne Menge Löcher arbeiten“.

31.10.18
This is Halloween, this is Halloween, statt Dr. Frankenstein fragen wir Dr. Google nach Rat, und finden letztlich heraus, dass du wahrscheinlich unter Cluster-Kopfschmerzen leidest, jedenfalls passen die Symptome. Was dagegen hilft, ist Sauerstoff, gut zu wissen bei der nächsten Attacke überfällst du einfach den nächsten Taucher und klaust ihm sein Atemgerät. Schöner Clusterfuck sozusagen. Nikotin nicht hilfreich, passt ja, seit Tagen keine Kippe mehr angerührt. Alkohol in kleinen Mengen kann triggern, in größeren Mengen interessanterweise wiederum die Schmerzen verhindern. Frage ist, wo der Ursprung der ganzen Scheiße ist, vielleicht ja damals das LASIK-Verfahren mit 18 Jahren, was irgendwelche Augennerven überstrapaziert hat? Hoffen wir mal, dass die Episode bald vorbei ist, es gibt arme Schweine, die haben jede Woche diesen Scheißdreck.

01.11.18
Wieder mal von Redaktion/Produktion durch Untergebene gefeuert worden, weil Rademacher und Rosenbauer keine Eier in der Hose haben und keine Drehbuchautoren am Tisch haben wollen, die auch mal ihre Meinung professionell kundtun. Was für eine kleinkarierte, armselige Scheiße. Fuck you, SOKO Wismar, und du hoffst wirklich sehr, dass dir der Kerl eines Tages gegenübersteht und dir antworten muss. Problem nur wird sein, dass du bis dahin seine ZDF-Fresse sowieso vergessen haben wirst, aber vielleicht ja auch nicht. Sind ja noch andere Dinge in der Pipeline und vielleicht bietet ihr den Pitch einfach ´ner anderen SOKO an, gibt ja tausende von denen, aber Karmamäßig hoffst du schon auf ein paar fiese Arschpickel bei besagten Personen, leider ist das ja nichts Neues, siehe „Spezialisten“. Dabei bist du sicher kein Autor, der den Leuten auf den Tisch kackt. Noch nicht.

16.11.18
General Cluster ist mit seiner Pain-Armee endlich abgezogen, zurück bleibt auf der linken Flanke nur ein Überrest Nackenschmerz, der sich trotz Wärmekissen nicht abschütteln lässt, da braucht’s wohl die starken Thaihände, um die Verknotungen aufzulösen. Wiedermal eigenartige Sachen geträumt: Indiana Jones gemischt mit Zeitreisen, Mitfahrt außen an einem Zug Richtung Osten, während du ein Akkordeon bei dir hattest; danach Soldaten, die herkommen und Ausweise sehen wollten, stattdessen machst du mit einer Soldatin einen Katzenfutter-Esstest, um sie zu verarschen und dismisst einen Kerl mit kaputten Fuß und Heavy Metal-Kluft mit der korrekten Bezeichnung seiner Krüppelei – und dabei hattest du doch nur etwas Bier getrunken, zwei Zigaretten geraucht und das Länderspiel gesehen…

17.11.18
Die einen sagen
das Leben ist nur die Ladezeit vor dem Tod
und wer keine Freunde hat
soll sich welche kaufen
frag aber besser nicht:
wo kommt der Fleck auf deiner Hose her
und was ist neurotechnisch sonst so los
im Kühlschrank fehlt das letzte Bier
dein Spiegelbild braucht mal ein Remake
und auch ein wenig Tinte auf den Füller
wenn der Himmel ein blaues Tier wäre
würde ich es streicheln und füttern
komm‘, wir spielen Zwiebeln
und gehen hinaus in den Schnee
da liegen schon ein paar tote Engel
keine Ahnung wo die herkommen
und warum
vielleicht der Klimawandel
sagen die einen und
die anderen wissen von nichts.

18.11.18
Und in der letzten Raucherbar der Welt
sitzt nur ein Mann am Tresen
vor langer Zeit war ein Held
jetzt fängt die Erinnerung an zu verwesen
in seiner Schachtel sind nur 2 Kippen
eine für ihn und die andere für die
auf die er wartet, mit den roten Lippen
obwohl er weiß, sie kommt wohl nie
bleibt er da sitzen auf dem Hocker
dreht das Feuerzeug in seinen Händen
liest die Schriften an den Wänden
„Du hast nur eine Schraube locker“
Im Hintergrund, da läuft sein Lied
er schließt die Augen und summt mit
Nick Cave, Tom Waits oder Lou Reed
im Sonnenuntergang ein letzter Ritt
ein letzter Zug, dann steht er auf
und wankt und stürzt da auf den Boden
und schwebt feierlich nach oben

19.11.18
Das Fernsehen sagt:
heut Nacht funkeln auch ein paar Sterne
aber da schlafen wir schon, mein Schatz
das Fernsehen sagt nicht
wovon wir träumen
ich bin alle Sender durchgegangen
hab Dinge gesehen
die wirst du nicht glauben
da war ein Mann mit orangenem Haar
und roter Krawatte
he shoutet: Sit down!
And all the white dogs sat
Woanders spielte die Mopedgang
gegen die Niederlande
aber keiner zog einen Wohnwagen über’s Grün
komm Kind, lass die Wortspielerei
wir pfeifen 90 Minuten drauf
und trinken dabei Weißwein
bis der erste Schnee fällt

20.11.18
Die Schindeln lösten sich grau von den Dächern und flogen wie Aschefetzen durch die Luft, darüber starrte ein Jet mit Strahleauge seinen Weg durch die Wolken, abgestellte Sofas warteten auf eine gnädige Seele, die sie mit in ranzige 1-Zimmerwohnungen schleppen würde, aber sobald der Regen sie nass getränkt hatte, quollen ihre Sofakissen wie dicke Tränensäcke auf und niemand sah mehr hin, wie die Leute in der U-Bahn, zwischen denen sich ein Rollstuhl-fahrer über den Gang rollte, mit der ewig ja wiederholenden Platte von Armut, Kleingeld und Käsebroten, aber du starrtest nur auf die Frau gegenüber, die „Schnee auf dem Himalaya“ las, in einer alten Ausgabe, und obwohl sie ein Nasenpiercing trug, konntest du dir für eine Sekunde eine alternative Welt vorstellen, in der ihr ein Paar wart, bis irgendjemand laut furzte.

21.11.18
Der Wind beißt dir mit tiefgekühlten Zähnen die Ohrläppchen ab, pumpt Eiswasser in die Gehörgänge, und plötzlich fehlt ein Stück des Eisenhebels deiner Fahrradbremse, porös geworden von den Minusgraden oder Opfer von Vandalen, wer weiß das schon? Noch knapp ein Monat bis X-mas, bald fangen sie an und verpassen den Weihnachtsmärkten Antiterror-schmuck aus Betonklötzen, die könnte man ja wenigstens farbenfroh bemalen oder auf Arabisch draufschreiben: „Wer hier mit einem Lastwagen drauffährt, kommt nicht ins Paradies und bekommt keine Jungfrauen ab!“ Wobei, wenn man sich das saudumme Gequatsche vom Nebentisch über Autos und Fahrassistenten anhören muss, obwohl der Rest des Restaurants völlig frei ist, könnte man da mal auch ein Auge zudrücken.

22.11.18
Da kommt das Tier
mit knurrendem Magen
und großen schwarzen Augen
befreit vom Darmbalast
rast es übers Parkett
legt sich in die Daunen
und leckt sich
den Scheiß einfach weg
wenn ich das machen würde
käme ich in die Klapse
oder ins Internet auf Koprophagen-Foren
da maunzt das Tier
und setzt sich vor den leeren Napf
und ich ein Hochhaus auf zwei Beinen
ein Gott und Fütterer
sitze auf meinem Thron
und sinniere
bis die Spülung rauscht
hinweg in alle Ozeane

23.11.18
Bauchgefühl olé
wir gehen heute nicht mehr raus
sondern pflanzen unsere Knochen
uff de Couch
und wärmen uns am Projektorstrahl
werfen fremde Geschichten an die Wand
das Höhlengleichnis mit ein wenig Popcorn
salzig oder süß
schmecken dann deine Tränen
wisch dir das Gesicht am Abspann ab
aber bitte bleib
bis zum Schluss
da kommt oft noch ein Ausblick
auf die nächsten Bilderfluten
also stell das Handy aus
besorg dir Streichhölzer für die Lider
das nennt man Bingewatching
das macht man jetzt so
damit kenn ich mich aus

24.11.18
Heute hat jemand die ganze Stadt in Formaldehyd getränkt, alles treibt zombieartig durch Straßen und Geschäfte, selbst die Geräusche wirken wie abgeschnitten, Wochenende halt, der X-mas-Countdown läuft – ab jetzt ein Monat. Packt eure Wunschzettel aus, der Weihnachts-mann wohnt in China und besorgt euch das Zeug für lau, Ming Lao, hahaha. Due Ehefrau telefoniert mit der Schwiegermutter, du sitzt auf dem Sofa, man muss ja noch einkaufen gehen. Und irgendwo in Deutschland suchen zwei Kisten voller Wein den Weg an eure Haustür, die Maler haben an der Schlafzimmerwand geschlampt, kein Wunder, wenn man um 5 Uhr morgens aufsteht und zur Arbeit geht, da will und kann doch keine Sau was gescheites abgeben, wenn du mich fragst; so, Seite mit Quatsch vollgeschrieben, ein Text für die Ewigkeit!

25.11.18
Wer machte die Kralle
die unseren Heizkörper an der Wand hält
und wer wohnt eigentlich im Dunkeln
in dem Haus kurz vorm Wald
wen hat der Mann da im Keller versteckt
und was hat der bellende Hund gerochen
wieviel Runden drehst du an der Bar
und wie kamst du gestern Nacht nach Hause
und mit wem
Warum schaut dich die Ärztin so an
Wer hat die illegalen Zigaretten bestückt
und was geht eigentlich in deinem Hirn so ab
wenn du dir die Ohren unter Wasser
zuhältst und seit wann hat der
Schwan seine Schwänin verloren
mit gebrochenem Genick zwischen den Binsen
auf einem kleinen See irgendwo in Polen
und warum erinnert man sich manchmal
an Alles haargenau und
hat so viel vergessen?

26.11.18
Pickel unterm Bart
zu irgendwas ist der Winter wohl doch gut
Gaumen verbrannt
lutsch auf nem Eiswürfel
und spuck das runde Ding
dann wie ein Kirschkern raus
Bierbauch als Trampolin
Für kleine Sorgen und Schmusekatzen
Nee nee nee, wir brauchen
eine größere Wohnung
Aber dann brauchen wir mehr Staubsauger
und noch mehr Geld zum Heizen
Aber mehr brauchen wir doch gar nicht
keine dunklen Fenster in unterkühlten Räumen
was geht’s uns gut
und wenn die anderen frieren
da draußen, liegt’s nicht an uns
sondern am Kältebus mit Panne

27.11.18
Hey Girl
there are many fishes in the sea
aber auch ´ne Menge Plastikmüll
das hält zwar ewig
ist aber nicht gesund
auf der anderen Seite passt das
vielleicht gut zu deinen Implantaten
wer weiß
Plastik & Plastik gesellt sich gern
und in deinen Lippen
könnten 100 Flüchtlinge bis nach Kreta fahren
und wärst du mit dabei
könnte sich dein Mann an dir festhalten
denn du brauchst keine Schwimmweste
Silikon schwimmt oben
nur noch ein Korken zwischen den Wogen
da kannst du mal dran denken
beim nächsten Get together
auf der Behindertentoilette

28.11.18
Im wirren Krakelsee zwischen Punktatollen und Semikolonien, da soll ein Wesen in den Untiefen hausen, das Hemingway einst an seiner Angel hatte, bis es ihn erwischte und er die Rute mit einer Schrotflinte austauschte, und oft kann es sein, dass du jahrzehntelang die Tinte in die Wogen schüttest, als Opfer und Köder, und die Unglücklichen sehen an rechtschreibrand vielleicht ein einziges Mal auf der Odyssee die glänzende Rückenflosse aus der Oberfläche kommen, so hell und glitzernd, dass der Anblick sich bis ans Lebensende ins Herz und Hirn einbrennt und die meisten wahnsinnig werden lässt durch den Gedanken, dass ja darunter quasi ein Eisberg hängt, und wenn allein die winzige Flosse derart begeistern kann, was wäre wohl erst, hätte man den ganzen Brocken eingefangen…

29.11.18
Es beginnt mit dir
Welt der Fantasie
Du solltest wenigstens wissen wo’s herkommt
eine Essenz der Magie
mildert Falten in vier Wochen
hast du was machen lassen
als irgendjemand sonst
wo gibt’s noch Qualität wie diese
zu Risiken und Nebenwirkungen
das schmeckt nach Spaß
das ist er, der perfekte Moment
es sollte nicht zu tief ausgeschnitten sein
den Weihnachtsmann gibt’s gar nicht
wir brauchen einen neuen Plan
zum Beispiel
endlos schöne Vielfalt
heute lieben wir uns anders
Bye bye müde Haut
Ich dachte, dich gibt’s gar nicht

30.11.18
„Wenn du stirbst
schläfst du im Weltbett“
sagt das Mädchen
das saß auf der Treppe mit dem Krokodil
und suchte sich von oben in den Wolken
ihre Eltern aus
und Fox Mulder kriegt ´nen Steifen
wenn er das hört
aber Pssssst
nicht über das Nachdemtod reden
wobei das Bild
der Treppe ja vielleicht doch
die Himmelstreppe sein könnte
und auf den unzähligen Stufen
unzählige Seelen
´ne Riesenschlange vor dem Himmelstor
das Warten dauert Äonen
aber wer will, kann sich wiedergebären
lassen und ´ne Ehrenrunde drehen

01.12.18
Heute Nacht spielen wir
Heinzelmännchen
und räumen den Bauschutt
eines anderen Lebens
unbemerkt in blauen Plastik
nachts über die Straße
ein Glück, das dort ein Container steht
sonst würden wir uns jeden Morgen
über den aufgefetzten Sack bei den Tonnen aufregen
und mit den Nachbarn reden
und in Word eine Nachricht schreiben
und sie fürs ganze Haus vorne an die Tür kleben
und dann kommen wir nach Hause
und zaubern die Katzenkacke hinfort
Cattus shitus vanishum
der Zauberspruch dazu
und drei Sekunden später sitzt die Katze
wieder im Sand
und lässt einen ab

02.12.18
Du träumtest von Tieren, die die krankhafte Eigenart hatten, sich stets rückwärts zu wenden, die Hälse verdreht, sehr eigenartig, sogar eine große Bremsenlibelle, die rückwärts flog, aus dem Traum und dann plötzlich in deinen Rücken, wo du die Flatterflügel spürtest und aufschrecktest, was natürlich die Katze mitbekam und um 3 Uhr morgens anfing, Stress zu machen, weil Hunger etc. Die Sonne geht um 5 vor 16 Uhr unter, erster Advent mit Regen, na vielleicht füllen ich so wieder die runtergetrockneten Flüsse ein wenig, damit die Tanker wieder den Rhein befahren können, im Magen rumpelt die Apfelschorle vor sich hin, ein Sonntag in Zweisamkeit auf Couch, die Stunden vergehen schneller als man denkt, und dann wird es wieder Zeit ins Bett zu gehen, in das Schlafnest, eingemottet bis zum Montagmorgen.

03.12.18
Das Haus war beim Zahnarzt
der Bohrer haut die weißen Kachelzähne raus
spuckt sie in blaue Abfallsäcke
und an den Balkonen wachsen jetzt
überall Lichterketten aus dem Nichts
deine Frau ist müde und will ins Bett
sie sagt es tut ihr leid
sie hat letzte Nacht so wenig geschlafen
und du sagst: alles gut
Lass mich nur noch die Seite hier füllen
den Wein austrinken
die Zigarette aufrauchen
den Beamer vom Netz nehmen
das Katzenklo säubern
die Zähne und das Gesicht machen
die Anti-Katzen-Tür-Kontraption aufbauen
und dann komme ich zu dir
mit dem Knirschschutz in der Hand
und Blaupausen für die REM-Phase

04.12.18
Früher hab ich mal Tennis gespielt.
Und du?
Früher war ich segeln.
Und du?
Früher habe ich nie mit Puppen gespielt.
Und du?
Früher war alles besser.
Und du?
In einem anderen Leben
waren wir Katze & Maus
die Maus war ich
die Katze du
und ich war in dich verliebt
und du
hattest die Krallen rot lackiert
und dich zwischen Autos gesetzt
um zu pinkeln
die Katzen deiner Eltern hatten ein Klo
aus alten Zeitungen

05.12.18
Die Küche riecht nach Speck, der Geschirrspüler gähnt und zeigt seine Zahnlücken, das Wasser rauscht durch die Rohre hinter den Wänden, jede Toilettenspülung ein künstlicher Wasserfall. Zeit die Linsen aus der Augensuppe des Tages zu nehmen und deiner Frau heimlich das Nikolausgeschenk in die Stiefel zu packen. Ja, man kann sagen, dass es das Leben auch mal gut mit einem meint und Zukunftspläne gewebt werden von unsichtbaren Spinnen, die von den Lüften des Schicksals über den Himmel getragen werden, man kann auch sagen, schreib‘ bitte nicht so eine pompöse Scheiße, sondern putz‘ dir die Zähne und wirf die Stinkesocken in den Wäschekorb.

06.12.18
Stell dich beim Telefonieren immer ins beleuchtete Fenster, das macht eine Silhouette wie aus einem Crime noir-Film, und selbst wenn du nur mit deiner Mutter redest wegen eines Koch-rezeptes, denkt vielleicht jemand, du würdest gerade einen Killer beauftragen, deinen reichen Ehemann umzubringen, was natürlich fürchterlich schief laufen wird und noch mehr Leichen produzieren wird und gebrochene Herzen von Privatdetektiven, und wenn du eine Schalousie hast, noch besser und ominöser, außer du hast eine gute Figur, dann geht das Ganze eher Richtung Softporno mit Spannern und Spannung, was auch mit gebrochenen Herzen und Miniröcken ohne Unterwäsche enden könnte, aber vielleicht läuft da auch nur für alle auf der Straße gut sichtbar irgendein Kika-Programm, das deine Gören vor dem Einschlafen schauen dürfen, da wartet evtl. wenigstens ´ne BILD-Schlagzeile.

07.12.18
In den Tagen vor Weihnachten kommt die Tchibo-Welt mit hübschen brünetten Frauen in Multifunktionsunterwäsche, die einen vor dem warmen Kamin sitzend freundlich anlachen: Ja, so sieht das ideale Leben aus, mein Schatz, und wenn du die Saschen kaufst, die sie um mich herum verteilt haben, wenn du sie alle kaufst, dann brichst du meinen Fluch, denn einst hat mich ein böser Kapitalist in die zweite Dimension gezaubert und mich in die jährliche Weihnachtskollektion verbannt, wo ich nun bis in alle Ewigkeit in fremde Gesichter lächeln muss, damit die Menschen alle die praktisch erscheinenden Dinge kaufen, aber, mein Ritter mit der Kreditkarte, du kannst mich retten und ich erwache zum Leben, wenn du mir alles hier bezahlst.

08.12.18
Die Kuhle in der Couch
sitz‘ ich nur rein für dich
mein Schatz
da kannst du dich reinsetzen
wenn ich mal nicht da bin
die Katze macht’s ja schon
vielleicht ist es aber auch so ´ne Gensache
weitergegeben von Vätern an ihre Söhne
the art of sitting a hole into a couch
vor Jahrtausenden saßen wir noch ums Feuer
die Arschabdrücke sind heute Fossilien
vom Storyteller, um den sich alle scharten
und mit Blick in die Flammen
erzählte er allen von der Zukunft
wo jeder Mensch sein eigenes Feuer in der Höhle hat
aber eines ganz ohne Rauch
abertausenden von Bildern
die Dämonen benutzen, um die Menschen
für sich zu gewinnen

09.12.18
Der alte Trick: schonmal oben das Datum eintragen, dass du unbedingt die Seite vollschreiben musst, du cleveres Kerlchen, gell. Advent Advent, die zweite Kerze brennt im thaigeflochtenen Kranz, auf dem Laptop flimmern Villen am Gardasee, aus der Bluetooth-Anlage klingt Klavier-musik, gutbürgerliches Stillleben, wenn man so mag, keine Kokslinien auf dem Tisch, keine toten Nutten in der Badewanne, aber dafür Pickel auf der Nase und Teppichsocken am Fuß, da jault tief in einem der Chaosdämon, früher war alles wilder, Junge, ich vermisse die angebrannte Tiefkühlpizza und die blutigen Handknöchel von werweißschonwas, soll das jetzt die nächsten 40 Jahre so weitergehen? Hier, nimm ´ne Lindt-Schokokugel, Bestie, Zucker ist auch ´ne Droge…

10.12.18
Haste keine Frau dafür
dann kauf dir ´nen Teleskopkratzer
für den Primatenrücken
haste keine Freunde
dann besorg dir einen Hund
der hört aufs Wort
auch wenn’s noch so dumm ist
haste keen Bock
dann hol‘ dir doch ´ne Ziege
für jedes Problem gibt’s ´ne Lösung
auf jede Frage
8 Milliarden Antworten auf der Welt
und haste keine Idee, was du schreiben sollst
dann denk‘ nicht lang drüber nach
das ist wie LEGO-Spielen
jeder Buchstabe ein Plastikstück
aneinandergebaut und am Ende
von oben nach unten und links nach rechts
gelesen ist dein Texthaus einzugsbereit

11.12.18
Dialog aus einem fiktiven Film:
„Es sind die kleinen Dinge des Lebens…“
„Ach, du meinst deinen Penis?“
Eingefallen auf dem Balkon, gegenüber fliegen Rad schlagende Kinderbeine hinterm erleuchteten Fenster vorbei, dann wieder zurück auf die Couch, Katzentier links, Ehefrau rechts, Championsleague vorne, Notizbuch auf dem Schoß, Analog vs. Digital, vom Kochen aufgeschrammter Daumen, Männerstimmen in den In-Ear-Kopfhörern, das beste daran die von Außenmikrofonen aufgeschnappten einzelnen Fans, die auf Holländisch irgendwelche Spieler beschimpfen, manchmal auch Trainer oder Spieler am Rumschreien, so fühlt sich vielleicht Schizophrenie an, der kleine Mann im Ohr, der dich dazu bringt, Zettelchen mit dem Wort „WAHRLICH!“ in Schwarz an Verkehrsschildpfahle zu kleben: Crazy Fucker.

12.12.18
Frag mich nach der Wut des kleinen Mannes und ich sage dir, je kleiner der Mann, desto größer die Wut, klein im Vergleich zu den Gegnern, die dir in Form von Hausverwaltungen etc. gegenüberstehen, jetzt geht diese ganze Scheiße also vor Gericht, wegen 200 läppischen Euro Mietminderung, und es geht hier nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, sich nicht in den Arsch ficken zu lassen, mit uns nicht, mit den 70-jährigen Nachbarn über uns, die die zwei Rohrbrüche härter getroffen haben, damit definitiv eine Minderung bekommen sollten, kann man’s machen, die haben Angst, aus ihrer Niedrigmietwohnung zu fliegen, und wehe, die Verhandlung geht gegen uns aus, wenn die Gerechtigkeit nicht sieht, dann de clandestine Anarchismus jeglicher Art.

13.12.18
Ein Glaserl zuviel getunken gestern, und heute sind Kopf&Beine vom Wein ausgehöhlt, der Jahresendzeitblues spielt die traurige Mundharmonikamelodie in Dauerschleife: „Wann ist endlich Weihnachten, kein Bock mehr, es reicht.“ Nächstes Jahr müssen die Akkus etwas länger halten und per Urlaub aufgeladen werden, sage ich dir. Jetzt bestell dir erstmal ´ne Pizza, weil du auch keinen Bock auf Kochen hast, alles kein Problem mit dem Internet, da steht: „Der Lieferant ist in der Nähe“ und Ding-Dong, just in diesem Moment klingelt der Signore, das Wasser läuft sich schonmal warm im Mund, die Ehefrau klatscht freudig in die Hände, die Katze maunzt sich einen, „jetzt geht die Party hier los“, juchzt die Frau und jetzt steigt dir der Geruch von geschmolzenem Käse in die Nase, aber es ist kein Schafskäse.

21.12.18
Im Traum findet die Revolution in irgendeinem Wüstenreich statt, du siehst Marschflugkörper, die in ein anderes Land abgefeuert werden in rauchenden Parabeln dröhnend durch den blauen Himmel ziehen, Krieg ist in der Luft, und im Villenviertel in Sichtweise wartet eine Pferdekutsche auf Marmorplatten, bis ein 1%er panisch wegrennt, dicht gefolgt von der Arbeitermeute mit Küchenschürzen und langen Messern, Mehrfachsteckern als Peitsche umfunktioniert, die in den Palast stürmen, wo am Fuße der gigantischen pompösen Steintreppe mit rotem Läufer einige hastig gepackte Koffer stehen und zurückgelassen wurden und ein Traum später ist die Welt eine Postapokalypse, in der man im Fahrstuhl die Erde verlässt, auf den Mond, wo die Reichen ihre Villen haben.

22.12.18
Yes, I was made in Germany
des isch jetzt scho a Weilchen her
und manche Teile sind schon am Rosten
und ein paar Schrauben sind auch locker
mal sehen, wie lang ich noch durch den TÜV komme damit
so viele Kilometer gelaufen
so viele Worte verbraucht
so viele Gedanken verfeuert
und Sätze in den Lack gekratzt
Baby, mein Kilometerstand geht Richtung 41
aber unter der Haube steckt noch einiges
da schläft ein Tiger im Tank
und ein Geist spukt in der Maschine
komm‘ her und polier‘ meinen Hubraum
und bring‘ die Pferde in den Stall
ignorier‘ die Abgase, die hinten rauskommen
und verlier‘ bloß den Zündschlüssel nicht
davon gibt’s nur einen

23.12.18
Der Treck packt zusammen
und reist gen X-mas-Land
weit unten im Süden
da wo die Kässspätzle blühn‘
und die Heizung nicht funktioniert
das Buch bleibt hier und wartet brav
vielleicht hilft’s ja, es ein wenig auszuhungern
damit der Tintendurst nur umso größer ist
bei Wiederkehr (let’s hope)
und von oben dringen dumpfe Stimmen
durch die Decke
das sind die 3 Weisen aus dem Morgenland
die hat Hitler einst da einbetonieren lassen
und wenn morgens um 5 Uhr draußen
das stille Blaulicht des RTW’s
den Straßenzug in Stroboskopia verwandelt
wachen sie auf und rekeln sich
klopfen SOS-Zeichen an die Bleirohre
und hoffen, dass wenigstens die Katze sie dabei hört

31.12.18
Am letzten Tag des Jahres sind die Schlangen beim Einkaufen apokalyptisch lang und die Stimmung gereizt, da hilft es auch nur wenig, dass eine der Mitarbeiterinnen Sekt in kleinen Plastikbechern an die Wartenden verteilt, dem Countdown kann ich seltsamerweise keiner so richtig entziehen, hier geht was zu Ende und fängt neu an, ein 365-Abschnitt wird abgehakt, offenbar hast du 2018 das Maul immer wieder aufgerissen, sonst wäre der rechte Mundwinkel nicht so wund, könnte jemand jetzt da hineindeuten, irgendwo klingelt 2019 schon an der Tür, wird aber vom Türsteher nicht reingelassen, also warten alle auf das Leuchtfeuer im Himmel, schicken ihre Wünsche an Raketen in die Luft und hoffen auf Glück, Geld und Gesundheit, die auf 6 Milliarden Menschen herunterrieseln. Prosit!

01.01.19
Riecht so, als hättest du in der Sylvesternacht ein paar Raketen gefressen oder als Drink zu dir genommen, schwefeliger Urin in der Schüssel als Nachhall am Neujahrsmorgen, die Welt steht noch, der alte Kalender wird in 12 Teile gerissen und kommt in den Müll, die Handtücher aus dem letzten Jahr kommen in die Wäsche, die Fingernägel werden frisch geschnitten, und der doch wieder leicht gewachsene Bauch mit einem strengen Blick bedacht. Denk nicht an morgen, denn da geht das ganze Karussell wieder los, eine Woche Pufferzeit wäre schön gewesen, aber Stillstand gibt es wohl einfach nicht, weiter, immer weiter, Schritt um Schritt, mal einen vor und drei zurück, die Augen irgendwo nach vorn gerichtet, da hinten blitzt es golden unter dem doppelten Regenbogen, schnür‘ die Siebenmeilenstiefel und los geht’s.

02.01.19
Ach je, seufzt der Hintern plumpsend auf die Couch, neues Jahr und die Motivation hält sich stark in Grenzen, und kaum ist die Frau bei der Mutter, verwandelt sich die Bude magischerweise in eine Schlachtfeld, das erste Schneetreiben hat sich im Datum geirrt, Kappe auf und Ignoranz-Filter beim U-Bahnfahren auf die Augen und unsichtbare Ohrstöpsel in die Gehörgänge, während sich gerade das Katzentier in dein noch warmes Bett legt, herzhaft gähnt und erstmal ne Runde pennt, während Herrchen Geld fürs Katzenfutter verdienen muss, die Menschmaschine läuft und abends kommt oben der Sprit rein, die Seele geht auf Standby und sieht durchstartende Menschen mit Sportlerhosen für 7,99 Euro. Apropos: Wann warst du eigentlich zum letzten Mal im Fitnesstempel, Schätzchen, oder wartest du damit auf den Frühling? Das dauert noch…

03.01.19
Fällt dir was auf
fällt dir nichts ein
du bohrst nach Ideen in der Nase
was dabei rauskommt
willst du nicht wissen
und schon gar nicht essen
Nasi Goreng
steht nicht auf dem Speiseplan
die Gedanken kannibalisieren sich
im Kopf
ein Topf
Eintopfkopf & alles simmert vor sich hin
alles Suppe oder was
komm Kind, lass die Grübelei
zähl die Zeilen
1
2
3
und wieder ist ein Tag vorbei

11.01.19
Bohr nicht mit Chilifingern
in der Nase, my dear
und zieh dich warm an
wenn du rausgehst
und denk auch einmal am Tag
an die Toten
Angst vor dem Sterben
brauchst du
nicht zu haben
denn keiner weiß wie das ist
du kannst auch mal notlügen
davon weiß ja keiner
und zum Friseur musst du auch
wenn man stirbt
wachsen Nägel & Haare weiter
und da oben im Himmel
gibt’s deswegen wahrscheinlich
´ne Riesenschlange vorm Friseursalon
bis auf die Krebstoten
die haben endlich mal das Glück auf ihrer Seite

12.01.19
An wie viele Tage deines Lebens
wirst du dich am Ende wohl erinnern
und was bleibt
wenn man’s zusammenrechnet auf Stunden
wahrscheinlich nicht viel
dazu passt die Legende vom Leben
das kurz vor dem Tod vor dem inneren Auge filmmäßig abgespult wird
quasi Trailer, Best of & Blooper Reel in einem
nur dass man eigentlich auf den Abspann wartet
wo’s richtig spannend wird
all die Komparsen und Autoren
die all die Jahre mitgemacht haben ohne Bezahlung
wenigstens ist eine Zeile klar:
„Produziert von Mom & Dad“
Die Kritik hört man sich dann am Himmelstor an
und wenn du Glück hast
gibt’s auf der Erde ein Remake von Dir

13.01.19
Stell dein Leben doch
auf Autopilot oder
dir vor, das wäre ein guter Film
einfach Zeige- und Mittelfinger als schwarze Streifen
unten und oben vors Auge halten
die Autogrammkarten sind leider aus
aber ich kann gern mit dem Fleischstift
auf deinen Brüsten unterschreiben
wenn du unbedingt willst
aber auf mich ist ein Kopfgeld ausgesetzt
Belohnung: 1000m Gänseblümchenkette
damit kannst du mich ans Blumenbett fesseln
während du mir Gedichte zitierst
und mir den Kopf wäscht
mit wilden Träumen und Bier
ich werde mich schon nicht wehren
aber pass auf
ich schnarche lauter als 3000 Waldschrate
auf Crystal Meth

14.01.19
Und wieder ein Abend
rattert die Piste herunter
und trockene Blätter fliegen von außen
an die Fensterscheiben
kein Zuhause mehr
und von ihrem Stamm vertrieben
die Winterkavallerie stürmte
und hinterher nichts als verbrannte Bücher
die nie geschrieben werden
in jeder Ader das verloren Blut
von 100 Generationen
und jede flüstert: WIR
waren die ersten, die in die Sonne geblickt haben
und die letzten, die das Licht am Himmel löschen
weil wir wissen, wo der Schalter ist
den man umlegen muss
wenn’s langweilig wird

15.01.19
Du bist der Fussel im Bauchnabel der Welt
und der Platzverweis beim Pornofilm
der Paradiesvogel im Mixer
der Mitklatscher mit Klebstoff an den Fingern
der Interimschef der Frauenmannschaft
die Auszeit der Eiszeit
der No-look-Pass des blinden
die ticking clock in der Romcom
die grüne Wiese auf der Oxymoron-Seite
der Schweißtropfen am Wasserhahn
der Terroranschlag auf die Romantik
das Unwort des Jahres
die Platzpatrone beim Russisch Roulette
der Engelsturz im Beichtstuhl
der Big Mac im White House
das letzte Zweihorn
der rote Fadenwurm im Buch des Lebens
die vorletzte Zeile
das entscheidende Quäntchen Glück

16.01.19
„Die Tannenbaumleichen liegen mit abgehackten Füßen auf den Gehwegen, pieksige Pissstationen für die Hunde, bis sie die behandschuhten Hände der Müllmänner achtlos auf LKWs werfen, damit sie dann im Brennofen landen, wo der letzte Aufschrei das knackend-krustige explosive Knallen ihrer Nadeln ist, Millionenfach aufeinander addiert würde das Geräusch uns alle taub machen, nie wieder ein Weihnachtslied hören, „Last Christmas“ wirklich das allerletzte, und wäre die Welt dann nicht ein besserer, weil automatisch ruhigerer Ort? Führen taube Menschen Kriege – ich glaube nicht“, sagte der Mann mit dem weißen Rauschebart und hob von der Straße einen Zigarettenstummel auf, und wäre irgendjemand vorbeigelaufen und hätte ihn gehört, hätte das wohl auch nichts verändert.

17.01.19
Und immer muss man irgendetwas tun
die Teller wäscht wenigstens die Spülmaschine
und die Peristaltik läuft auch autonom
na gut, immerhin das auch
und Atmen geht auch von allein
aber sonst
alles muss man selber machen
war das früher auch so
glaube nicht
da wurde man gepampert und gefüttert
musste nicht arbeiten oder einkaufen gehen
man lag nur so rum
und kackte sich ein
und jemand anders kümmerte sich
um die Scheiße in deinem Leben
Ach, was waren das für schöne Zeiten
blöd, dass man das nicht zu schätzen wusste
und dachte
es geht immer so weiter
das kannste dir hinters Ohr klemmen, Keule

18.09.19
Parmesan liegt auf den Ziegeln
die Putzfrau hat die Milch getrunken
heute Nacht hielt ich dir im Traum
beim Sex die Ohren zu
und du stopftest dir
eine Kette aus kleinen schwarzen Perlen
in den Mund
und saugtest daran wie wild und voller Lust
der Bart kommt erst ab
wenn der Mundwinkel verheilt ist
und irgendwo am Kinn graben Pickelterroristen
gerade einen Stollen unter die Haut
und pflanzen ihre Sprengladung
erzählt mir ein V-Mann
und ich sage, der Bart bleibt dran bis dann
und vielleicht wird daraus ja doch ein Schnurrbart
mein Vater trug früher auch einen
und wahrscheinlich bin ich genetisch so programmiert
mit 40 daran zu denken

19.01.19
Einmal morgens mit ungewaschenen Haaren aus dem Haus und prompt wirst nicht du wie sonst immer von jemandem nach dem Weg gefragt, sondern die Frau, die hinter dir hergeht. Der etwas wilde Bart tut vielleicht auch seinen Beitrag leisten („tut leisten“, geht’s noch, sind wir hier in der Hauptschule oder was!?), but who cares eigentlich, denkst du in 10 Jahren, als du gerade diesen Eintrag liest, gab’s nicht wichtigere emotionale oder seelische Sachen, die du festhalten musst, schriftlich, ein komplexes Abbild eines 40-jährigen verheirateten Mannes im Jahr 2019, ein Psychogramm der deutschen Generation X? Nein, der Typ schreibt übers Wetter und quatscht die Seiten voll, Hauptsache Tagewerk abgeschlossen, Quantität statt Qualität die Devise, aber vielleicht machst du’s ja 2029 ganz anders…

20.01.19
„Die Welt ist verwest“ oder so ähnlich letzte Nacht geträumt, keine Ahnung warum der Satz durch die REM-Phase geritten ist. Das ganze durch Regen und Gewitter aus dem Schlafkopfland, weil unten in der Galerie mal wieder unangekündigte Vernissage mit besoffenen Pseudokünstlern war, braucht kein Schwein und hielt nur die Katze auf Trab, die sich beim Türklinkenspringen so verausgabt hat, dass das teure Pferdeessen gleich wieder an drei verschiedenen Stellen in der Wohnung kotzemäßig verteilt wird, und dann fängt auch noch drüben im Hinterhof einer um 3 Uhr damit an, irgendwelche Steine zu sägen und du schwörst, eines Tages schreibst du ein Drehbuch á la „Falling Down“ auf Deutsch, und das Ding würden Millionen Zuschauer lieben, weil sie sich in der Hauptfigur erkennen.

21.01.19
Und dann war da – oder auch nicht – der alte Nazi im ehemaligen jüdischen Viertel, der seinen Dackel zum Kacken immer extra zu den goldenen Stolpersteinen führte, um diese mit einer dampfenden Kackwurst zu besudeln, davon Fotos machte, um sie an seine Kameraden weiter-zuleiten, bis ihn beim Gassigehen plötzlich eines Tages ein Herzinfarkt von den Beinen riss und er untätig auf dem Asphalt liegend zusehen musste, wie sein aufgeregt kläffender Hund mitten auf die Straße lief und überfahren wurde, der Notarzt, der ihn wiederbelebte, ein Araber war, und der Krankenwagen ihn dann ins jüdische Krankenhaus brauchte, wo eine asiatische Krankenpflegerin geduldig die vollgeschissene Windel wechselte, während er darauf wartete, dass ihn einer der Kameraden besuchen kommen würde, was nie geschah.

22.01.19
Heute hier
gestern Bier
morgen Wein
kaputtes Bein
4 Wochen Krücken
Schmerzen im Rücken
Physio macht’s nur schlimmer
tagelang auf der Couch im Zimmer
Vorhänge zu und mieser Bringdienstfraß
zu fahrig um aufzustehen  Urin im Glas
das Telefon klingelt, du bist gefeuert
Miete erhöht, es wird noch teurer
3 Wochen später auf der Straße
Skinheads brechen dir die Nase
Nachts frieren die Zehen ab
Bullerei hält dich auf Trab
lange geht das nicht mehr gut
kein einziger Cent im Hut
Heute hier morgen fort

23.01.19
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gab es mehrere Sexbombenanschläge im In- und Ausland, die Kohlekommission der Bundesregierung sprach von heftigen Geldschauern in einigen Stundenhotels, aus Fachkreisen hab es dafür keine Begründung außer „es ist alles Blödsinn“, was natürlich viele Deutsche verärgerte, während in Venezuela heute Höhepunkte erreicht werden, um die Rechte der Menschen zu verteidigen, auch mit Todesopfern, die Inflation der 99 Luftballons totalisierte die Rückkehr der Demokratie, nur gemeinsam klingeln wir unten an den Türen aller oscarreifer Tagesschausseher, die mit einem Stift diese Sprachfetzen aus dem TV durcheinander jonglieren, um das Halbfinale zu erreichen, wenn die nicht datierten Seiten erreicht werden.

31.01.19
Und wieder mal ´ne Deadline geschafft und das Serienopus in den Würfelbecher Gottes gelegt, mal sehen, was dabei rauskommt, zur Feier des Tages gibt’s Mythos aus der Dose, während in einem unkompetenten Krankenhaus in FN deine Mutter ungefragt Wurstbrot serviert bekommt, weil die Schwestern nicht gefragt haben, was sie zu Abend essen will, die Fucker sollte man mal schön selbst 3 Wochen lang am Krankenbett festschnallen. Irgendetwas geträumt, letzte Nacht, von einer Nischen-industrie: fehlende Spielkarten, Figuren, Würfel etc. von Brettspielen anbieten, weil ja früher oder später immer irgendwelche Elemente kaputtgehen und vom Hund gefressen werden o.ä. Klang im Traum eigentlich ziemlich plausibel, im Wachzustand läuft es eher so, dass sich die Leute einfach ein neues Spiel kaufen, Wegwerfgesell-schaft ahoi, that’s the game.

01.02.19
Das Perpetuum mobile der Absurdität ereignet sich draußen auf der Straße: die verrückte Jüdin füttert Flips an die Tauben und einer der Nachbarn steht direkt daneben und kehrt das Zeug wieder auf – nur damit sie danach wieder nachstreuen kann. Das Energieproblem der Welt wäre gelöst, wenn man die Sturkopf-Energie irgendwie nutzen könnte. Und sonst so? Apokalyptische Wintereinbrüche im mittleren Westen der USA, den Müll vergessen runterzubringen, Rosenkohl, Rosmarinkartoffeln und dazu Lamm gekocht, das wahrscheinlich schon etwas länger in der Fleischtheke lag und deswegen mit Gewürzen vollgeballert wurde. Pausenbild der 5. Folge von „Jack Ryan“ auf der Beamerwand, Katze im Karton, Weißwein im Glas, ein neuer Monat, ein neuer Leberfleck auf dem linken Schienbein entdeckt – tja.

02.02.19
Die Gehwege bestreut mit Crunchy Nuts, die unter deinen Sohlen explodieren, die Milch ist schlecht geworden und rieselt in winzigen Klumpen vom Himmel, irgendwo in Brasilien fällt auf dem Landschaftstisch ein gigantisches Glas Kakao um und flutet durch das Leben von 100 Seelen. Berlin bleibt verhangen und dunkel, da helfen auch keine Achselfurzvideos zum Aufmuntern, Kumpel. Du träumtest von einem kleinen Fenster, durch das man in eine winzige Wohnung klettern musste, um in einen weiteren, viel größeren Raum zu kommen und von da in eine riesige Wohnung voller Menschen und Türen, die in andere Welten führten, das kleine Eckfenster war also quasi das Einstiegsportal in deine Traumwelten – und wie so oft warst du währenddessen völlig davon überzeugt, dass es diese Traumbude in Wahrheit wirklich gab.

03.02.19
„Die Pizza von gestern Abend / ist auch heute noch erlabend“, reimte der verkannte Dichter an einem Sonntagmittag anno 2019 auf der Couch seines Anwesens über den Kraterseen von Lunar Giga Septa, die glutigblau den Schein der drei Sonnen widerspiegelten, ein Anblick, der eine Vielzahl von Touristen aus dem Gamma-Quadranten anlockte, die in großen Schlangen von Spaceport geschluckt und an den Aussichtspunkt vor dem Anwesen des verkannten Space-poeten wieder ausgespuckt wurden, einige ein von ihnen explodierten bei dem Anblick förmlich, da die Lichtfrequenz einen genetischen Selbstzerstörungscode aktivierten, warum das so war, das konnte niemand sagen, aber es sorgte dafür, dass all jene mit Suizidabsichten nun auch noch hierher gereist kamen, das ständige Ploppen der Explosionen lähmte den Poeten in seiner Arbeit.

04.02.19
Schatz, hol das Küchenpapier
die Katze hat Kotzeritis
vielleicht hat sie ´ne Allergie
vielleicht will sie auch nur ärgern
oder als Muse für einen Gedichtband
über Katzen herhalten
in der es Haikumäßig jede Seite
über das Würgegeräusch geht
all den Harmonien und Zwischentönen
mongolischer Untertongesang passt prima dazu
ein paar Neon-Pyramiden & Katzenköpfe
in 80er-Optik aufs Titelblatt
und unter dem Autorenportrait
das Foto des Katzenkotzhaufens
sorgt für reißenden Absatz
 Geld für noch mehr Küchenpapier
Ich sagte doch, das sind clevere Tierchen
also ab ins Tierheim
und auch eine holen. Miau.

05.02.19
Was hängenblieb von letzter Nacht: der Glatzkopf, der mitten auf dem Kopf einen Bauchnabel hatte und das Litfassartige Klimamodel in der Landschaft, bei dem man Wasserhähne aufdrehte, die den Meeresspiegel um 38cm anhoben und der Versuch, das Ganze zu reseten ging nur über eine UI, bei der man sich mit dem Usernamen „LORD“ anmelden konnte – man könnte das im Nachhinein biblisch deuten: erst die Ankunft des Herrn (also Jesus/Gott) sorgt dafür, dass die Klimakatastrophe gestoppt werden kann. Erzähl‘ das mal dem bärtigen Pferdeschwanztragenden Alkoholiker, der sich an der Kasse ein Baguette holt und dich fragt, ob er sich reindrängeln darf, weil sein Fahrrad draußen nicht abgeschlossen ist und er keinen Hund mehr hat, der darauf aufpasst, der wird nicken & auf dein „Mythos“-Bier zeigen: passt!

06.02.19
Schatzi, hast du dran gedacht, die Grätsche einzupacken – der Rasen ist schon für uns ausgerollt, die Kameras in Stellung gebracht, der Schiris in schwarz schwenken die Fahnen und buchstabieren irgendwelche heimlichen Botschaften über die weiße Linie, hätte ich nur mal ´nen Seemann geheiratet, seufzt Tante Lili, dann würde ich jetzt das Flaggenalphabet aus dem FF beherrschen! Halt’s Maul, Tante Lili, pass´lieber auf, dass dich keiner der Slow-Motion-Speichelfadenwürmer, die hier durchs Stadion fliegen, trifft und dir deine teure Frisur verschandeln, dachte Onkel Volker und sah gerade auf seine Uhr: 45 Minuten noch, außer das Ganze hat hier noch ein Nachspiel… Die haarige Hand des Onkels fuhr kratzend an seinem linken und rechten Innenschenkeln entlang, keine Ahnung, warum das wie die Hölle juckt, vielleicht Grasflöhe?

07.02.19
Leg‘ dir deine Schönheitsmaske auf
im Fernsehn explodiert die Erde
wir sind Dinosaurier mit Daumen
die Champagnerflöten halten
und darauf „Spiel mir das Lied vom Tod“ pfeifen
Look, ich habe mir ´nen weißen Delfin
der sich im Geisternetz verheddert hat
auf die Wade tätowieren lassen
und daneben was Chinesisches
damit kriege ich in jedem Restaurant
gebratene Ente & einen Glückskeks dazu
im letzten stand: „Du wirst eine Mauer bauen aus Tierkadavern.“
Wer druckt denn bitte sowas, also echt!
Noch ein Schlückchen? Vielen Dank, Cheri!
Pfui, schalte das weg, da sind dicke hässliche Menschen!
Aber Cheri, das ist ein Fenster und kein TV!
Ach, ich Dummerchen, dann lass uns einfach
die Augen schließen und was Schönes träumen…

08.02.19
Lackschuhsohlen knirschen über ausgetretene Backenzähne auf dem Gehweg, tausende davon, was ist hier nur passiert, amoklaufende Horden von Zahnärzten, die marodierend durch die Stadt gezogen sind, die Leute aus Autos und Wohnungen gezerrt und ihnen mitten auf der Straße ohne Betäubung mit der Zange den Kiefer leergeräumt haben? Die Dentokalypse begann mit der Versuchung der Menschheit, Kreidezähne und Karies, bis eine Truppe Zahnärzte die Schnauze voll hatte und beschloss, aktiv zu werden. Die Folge: die legendäre „Nacht der blutigen Zangen“, die aber in keinem Geschichtsbuch dieser Welt auftauchen würde, ging es doch darum, das Urvertrauen in die weiß bis hellgrün gekleideten Götter nicht aufs Spiel zu setzen, und so wurde alles vertuscht, dachte er und kickte die Kiesel weg.

09.02.19
Und dann ist da noch die Frage, ob du immer noch ein Obdachloser bist, wenn du das Müllfressen als Containern oder irgendwie anders bezeichnest und daraus einen Öko-Hip-Trend machst, über den der „New Yorker“ dann eine lustige Glosse schreibt. Armut anders labeln, quasi, Fragen, die man sich am besten natürlich in der eigenen Kotze liegend stellt, oder in ´ner leeren Bierflasche oder für alle Umweltlinge stattdessen ´ne Biotonne. Ein Bart aus Maden, Stand-up-Paddling-Muskelwaden, once upon a time you were a hipster, die Herde hat dich verstoßen, als du keinen Bartwuchs bekamst und eine Allergie gegen Tatoo-Tinte entwickeltest, du armer Nerd, du bleibst in der Steppe, allein gelassen von der Hipsterherde, wo sollst du auch sonst nur hin, sicher nicht an die Seite der älteren Frau mit Sonnenbrille, Einkaufswagen voller Plastiksäcke, die vor dem Waschsalon sitzt und jeden anbettelt.

10.02.19
Drei blutige Striemen, Katzenunterschrift auf dem linken Handrücken, da freuen sich die ganzen Scheißkeime, die an den spitzen Krallen hingen und jetzt munter im Menschenorganismus freidrehen, wahrscheinlich Hand in Hand mit einem dieser Parasiten-fungis, die Ameisenhirne kapern – und eventuell auch die von Menschen, raffiniertes Mind-controlling also durch die Felidae, kein Wunder also, dass das Internet voller Katzenbilder und -videos ist, die Viecher planen doch irgendwas, so wie die dich komisch anschaut, während sie denkt, du bekommst das nicht mit, haha, aber nicht mit mir, Kollege Samtpfote, mir kannst du nichts vorma— ja, Meister, natürlich hole ich dir die Wurst aus dem Kühlschrank, sehr wohl, gnä´Frau, und natürlich dürfen sie auf dem Esstisch sitzen!

11.02.19
Die Achseln pieksen
der Zahn tut weh
Jammerorgien in Rotwein getränkt
Ätzende Scheißleute den ganzen Tag
so tradiert das Gemurmel aus dem Bad, draußen hat sich einer der Bäume zu Mohammed bekannt, scheint es ein Hidschab aus Plastik, geklaut vom Motorrad des Übellaunigen (2. Stock) und heute noch ins Moleskin notiert: dass Bäume in Wahrheit Kannibalen sind, fällt das eigene Blatt auf die Wurzelerde und zersetzt sich dort, nimmt das Baumsystem der Wurzeln dessen Reste auf, um sie erneut in frisches Blattwerk zu verwandeln, und wenn man weiterdenkt, wie viele Menschenleichen seit Jahrhunderten unseren Ackerboden düngen, geht es uns Kartoffelessern nicht anders.

12.02.19
Ode an oder aus
die Zuckerwatte bellt nach Geistern
und Zerberus schmeckt
wie aus Ektoplasma gegossen
du bist der König des Porzellans
du bist Ideal Standard
die beste Beleidigung des Universums
in deiner Mitte entspringt ein Fluch

Wer den Kopf abschraubt und neben die Bettseite legt, hat heute Nacht keine Alptraumbegegnungen, so steht es geschrieben. Ein Seil zum Springen und am Ende eines langen dunklen Tages eines zum Hängen der planlosen Worte – aber sei jetzt auch nicht stolz darauf, edler Galan der Monotonie, eines Tages wird dich der Regenbogen küssen, du wirst in goldenen Bädern baden und spüren, dass die Götter vor dir hier drin waren, aber bitte den Nektar nicht trinken, ja?

20.02.19
Zähne aufgebohrt
Pickel abgedeckt
Nasenhaar schön getrimmt
Heute Abend hast du ´nen Date
mit dem Spiegel
man sieht sich nie beim Altern zu
wer sich auf die Zunge beißt
träumt im Schlaf von blutigen Schlangen
eingewickelt in Alufolie
die Gestirne zerren den fetten Vollmilchmond
dir einmal durch die REM-Phase
Pass auf die weißen Schatten auf
die sich in die Tränensäcke nähen
die Wolken plappern von nackten Frauen
hinter brüchigen Jalousien
„We are jealous of you, my dear“
Weck‘ die schlafende Tigerkatze
bloß nicht auch
sonst setzt sie sich auf dein Gesicht
und baut dir ´nen neuen Bart.

21.02.19
Was du heute alles gesehen hat (16/3921):
Die Obdachlose mit der Kinderwagen-Buggy-Konstruktion voller Plastiksäcke, bei denen man sich fragt, was da alles drin ist, ist das der Rest der Wohnung, aus der sie ausziehen musste oder ist sie vielleicht ein Messi, der einfach weitersammelt, und weil sie keine Wohnung mehr hat, in der sie den ganzen Kram meterhoch bis an die Decke stapeln kann, nun also mit sich schleppt, oder wie der eine Obdachlose vor dem Bezirksgericht, der sich in einer Ecke ausgebreitet hat, umgeben von einer Schutzmauer aus knapp zwanzig Müllsäcken. Frage ist, ob sie isolierend wirken oder Angreifer abschrecken sollen, beim letzten Mal, als du an ihm vorbeikamst, kauerte er an der Wand und vor ihm brannte ein kleines Feuer, und du warst nicht sicher, ob er es selbst angezündet hatte oder doch irgendjemand anders, aber du gingst weiter.

22.02.19
Letzte Nacht vom Übergang in den Tod geträumt, du konntest dich entscheiden, wie viele Atemzüge du nimmst, lagst friedlich auf dem Rücken, die Hände auf der Brust, und nach dem letzten Atemzug riss in dir ein unsichtbarer Faden, völlig schmerzlos, und du schältest dich aus deinem Körper, schwebtest hoch, wie du das schon aus Büchern über Astralkörperreisen kanntest, also irgendwie nichts Neues oder Spektakuläres. Da du unsichtbar warst und immer noch in der Seele Mensch bzw. Mann, dachtest du daran, über eine Frau zu schweben und ihr von oben in den Ausschnitt zu sehen, merktest aber dann doch, dass es ungeschriebene Gesetze im Leben nach dem Tod gab und man den Geisterstatus nicht als Möglichkeit des Voyeurismus nutzen sollte, sondern als Anfang einer langen Phase der Reinkarnation.

23.02.19
Und überall liegt Staub, auf den Lidern und den Klamotten von früher, die du von verliebten Mädels geschenkt bekommen hast, auf den alten Briefumschlägen und in den Falten des vergilbten Papiers, auf denen einst geschriebene Buchstaben in Tinte von der ewigen Liebe geschwärmt haben, all die jungen Träume abtransportiert von Schergen des Berufsalltages und der Sektion fürs Erwachsenwerden, ins große Antiromantik-Krematorium kurz um die Ecke, wo sie von achselzuckenden Greifhaken in riesige Hochöfen geschaufelt werden, die die Turbinen im Unterbewusstsein antreiben; Tch-tsch-puff-puff-ich-muss-Geld-verdienen-ratatat-und-ein-Haus-kaufen-tschuck-tschuck-eine-Familie-gründen-Steuern-und-Versicherungen-erledigen, kommt es uns aus den Ohren – und oben aus dem Kamin die zu Staub zerfallenen Worte.

24.02.19
Jeden Sonntag ein Bild, und das als Schreiber und nicht Maler, aber wieso nicht, die weiße Wand aus Papier will vollgekritzelt werden, und dieses Mal zum allerletzten Mal – danach folgen nur noch blaue Streifen. Nun die alles entscheidende Frage: hat das letzte Bild jenes Wissen zu tragen oder ist es eines wie die anderen? Zuerst entsteht die Sprechblase und wird vom Ohrenlivemitschnitt gefüllt, eine eher spontane Sofortentscheidung, genau diesen Satz zu nehmen, an diesem leicht verstrahlt/verschwipsten Sonntagnachmittag, während die Decken abgezogen wie Wolken auf dem Bett liegen und irgendwo in einer selbstgemachten Höhle darin die Katze schläft und am Esstisch nach rechteckigen Blumenvasen gegoogelt wird.

04.03.19
Den miniweißen Hitlerbart mit Q-tips unter die Nase getupft, die Nasenflügel immer und immer wieder eingeölt, Sondermüll-Castor-Transport, um die mit giftigem Schleim vollgerotzten Tonnen benutzter Taschentücher steht vor der Tür und die Schleimfabrik im Hirn läuft auf Hochtouren. Ja, die sogenannte Männergrippe hat dich wieder erwischt, zwanghaft drückt man ständig auf die Nase, hält die eine Seite zu und pustet Luft durch das verstopfte andere Loch, dann klingt es, als würde man nasses Papier in zwei Teile reißen und man kann nicht aufhören damit, schlimm sowas, und dann das ständige Bewegen des Kiefers, um den Ohrendruck wegzugbekommen, man malt aus, dass der Rotz es bis in die Gehörgänge geschafft hat und da eine Familie gründet.

05.03.19
The first cut ist he deepest, sang die suizidale Nymphe, die eigentlich mal Modedesignerin werden wollte. Trink mehr Wasser, du bist betrunken, sagte Poseidon seiner Frau und stopfte sich zwei Quallen in die Ohren. Black is beautiful, schrieb der Schornsteinfeger auf das Röntgenbild seiner Lunge und lachte den Arzt vor ihm an, der sich aus zwei blutigen Golfschlägern ein Kreuz über den Eingang seiner Praxis gebastelt hatte, what’s the difference, du musst aufpassen, diese Fuckscheiße, das Leben – und das Alter – ist ein Arschloch, tönt es aus katzigen Kehlen, die kotzen können, weil die Erwartungen und soweiterundsofort, monologisierte das Seelenspiegelbild, und ich würde dich wütend erschlagen mit leergekratzten Kerzenständern, kotz kotz kotz!

06.03.19
Wir gratulieren dem Gewinner des Milliarden-Spermium-Rennens, der vor 41 Jahren den anderen Sack-Kaulquappen um eine Schwanzlänge voraus war: Survival of the fickest par excellence, allein deswegen müsste man sich eigentlich jeden Tag für diese Meisterleistung auf die Schultern klopfen: wir sind alle Gewinner der Fortpflanzungslotterie, mein Sohn, gedenken wir den unzähligen Spermienleichen, die den rettenden Hubschrauber aus Hanoi nicht erwischt haben – in dieser Eizelle ist nur Platz für einen! So viele mögliche andere Menschen, vielleicht war ja ein Genie darunter, das die Welt gerettet hätte, wer weiß, vielleicht aber auch ein wahnsinniger Massenmörder, der den 3. Weltkrieg auslösen würde… Happy Birthday to you – und auf 365 weitere Tage.

07.03.19
Strange day, beginnend mit Dackelhorde auf dem Weg zum Büro, später Mann mit Hund, den er „Kind“ rief, interessante Namensfindung, danach an Stelle vorbeigekommen, wo kurz davor wohl eine Radfahrerin von einem Auto angefahren wurde, herausspringender Sani aus dem RTW, der eine Frau anblaffte: „Aber erstmal das Handy rausholen!“, ob die wirklich gaffend gefilmt hatte, keine Ahnung, später lange keine Nachricht von MuP bezüglich der OP, Sorgen-gefühl im Bauch, gepaart mit dem Gefühl in puncto DB-Vertrag, man müsste Selbstbewusstsein als Tablette verkaufen. Viel geraucht, kein Hunger. Vielleicht einfach ins Bett gehen nach dem Essen und den ganzen Scheiß im Kopf in Träume verwursten oder doch ein Glas Weißwein trinken, vielleicht hilft das ja. Komischer Start ins 41. Lebensjahr.

08.03.19
Bau´der Katze ein schützendes Haus aus Kissen und Decke auf der Couchecke, das braucht sie gerade. Internationaler Frauentag und es fühlt sich an, als wäre man alleine auf der Welt, empty Sunday-Feeling, wo bleibt der Frühling, verdammte Axt! Katze kommt und schubbert sich am Notizbuch, während du schreibst, verteilt ihren Geruch über die Seiten, falls der Kater von drüben auf die Idee kommen sollte, das Buch zu klauen oder was. Klappernde Geräusche aus dem Badezimmer, in einer Stunde geht’s los ins Theater, ist vielleicht ganz gut, mal den Arsch vom Sofa abzulösen, sonst wächst man da noch fest. Mein Leben als Couchpotato in der Fritteuse des Lebens. Eine Zigarette auf dem Balkon und wieder mal die Frage, was sich eigentlich unter der Plane gegenüber versteckt: Who knows?

09.03.19
Nimm die Posaune aus deinem Hintern, der Tag will nicht mit einem Ständchen begrüßt werden, sondern mit dem Duft von frisch aufgebackenen Brötchen, Minze-Kamille-Tee und einem sonnigen Lächeln voller Elan und Energie, genauso wie in den Werbungen für Marmelade immer, wo sie sich das glibbrige Glück auf die Brote schmieren und ohne morgendlichen Mundgeruch sich an der Anrichte spielerisch-verliebt in die Arme nehmen und dem Partner da letzte leckere Stück wegschnappen, um es sich in den perfekt geschminkten Mund mit den blendend-weißen Zähnen zu schieben (kommen dir die Zähne nicht irgendwie bekannt vor? Das sind doch die aus der Zahnpastawerbung, die immer frühabends vor den Nachrichten läuft…). So machen wir das ab jetzt auch, Schatzi, denkst du, aber die Darmflöte unterbricht alles.

10.03.19
Gratulation, der offizielle Kalender ist voll, hat ja nur ein paar Jahre gedauert. Bleibt noch der Rest der Seiten zu füllen. Kriegst du auch noch hin, richtig? Nicht ganz so geordnet chronologisch, sondern dann, wenn es passt, kann bitte einer deiner Zunge mal sagen, dass sie damit aufhören soll, unten rechts irgendwelche Fleischreste zwischen den Zähnen herausholen zu wollen, und wenn wir schon bei Zähnen sind, war es wirklich notwendig, die vier Zähne mit Füllungen zu behandeln, seit dem spüre ich die Kälte und einen gewissen Druck, Herr Doktor. Never change a running system, heißt es doch, und dieser komische Druck auf den Ohren kommt sicher von den Nasenspülungen, wow, was Besseres fällt dir zur Feier des Tages nicht ein, Prima! Dann geh‘ jetzt ins Bett und lies doch ein Buch.

21.03.19
Freestyle-Kalendermodus ab jetzt und dazu das Piepen von der fertigen Waschmaschine, das Nasse will trocknen, aber noch nicht jetzt, jetzt läuft die Hoffnungsmaschine gerade, was wäre wenn und sowieso, warum nicht mal blaue Tinte im Schreiber, passt zum Promillegehalt des Blutes, das dreifache Piepen penetrant wie der vergessene Anschnallgurt. Da spitzt nicht nur die Katze die Ohren, da schwingt gerade was Euphorisches in der Luft, ein paar Sekunden Glück, und dann die Frage wie kann man das auf die eigene Seelenpartyliste packen? Du brauchst die eine richtige Mischung, Buttje, wie den ersten Kuss, den gibt’s auch nicht mehr auf VHS zum Wiederausleihen, denk nicht nach, wie lange die Seelenmassage noch dauert, bis es wieder aufhört, der Abspann kommt schneller als du denkst, lass die Hoffnungsmaschine laufen.

28.03.19
Wanda is dead. Die kleine Klauskatze. Jetzt steht da euer Kratzbaum als Memorial und die Frage ist, was dein bester Freund damit macht. Als Mieka gestorben ist, habt ihr die Näpfe, das Katzenklo und alles andere entsorgt, weil es euch an das kleine dicke schwarze Etwas erinnert hat. That’s life, und wie immer unfair, das Tierchen war noch jung, aber das gleiche könntest du natürlich auch von Menschen sagen, zu jung, zu gut, zu großes Herz, man hört nie von einem, der den Krebs verdient hat oder den Tod. Gott würfelt nicht, sagte Einstein, ich sage, Gott hängt besoffen im Spielcasino des Lebens rum und lässt sich von der Bedienung mit den dicken Titten ablenken, die einen behaupten ihr Name wäre S. Atan, die anderen sagen, er wäre S. Chicksal.

26.04.19
Der Sommer kommt langsam in die Stadt, auf der Straße liegt die abgeworfene Bubblewrap-haut der Plastikweltenschlange, ein Mann schreit bei seinem Bier einer Krähe gegenüber zu, sie soll die Schnauze halten, das Fahrrad wird endlich repariert, wird wirklich Zeit, wieder zum Sport zu gehen, aber Krankheitreparaturbesuche am Bodensee kam dazwischen, eines Tages schreibst du eine Kurzgeschichte mit dem Titel „C2“, hast du dir vorgenommen, wahrscheinlich geht es da um einen Alkoholiker mit inneren Blutungen und niedrigen Hb-Werten, der darauf besteht, dass man seinen Lottoschein abgibt, weil er gerade im Krankenhaus liegt und möglicherweise sterben könnte, vielleicht auch nicht, aber lass den Gedanken einfach mal im Hirn weitersimmern, dann schauen wir mal, was geht.

04.05.19
Innendrin röhren sich zwei Nilpferdbullen kampfeslustig an, that’s the sound oft he After-party-Peristaltik, deine Gesichtsfassade verschandelt von einigen Gläsern Gin Tonic, dein Hirn arbeitet ebenso langsam wie der Rechner, kann dir mal einer sagen, was da schon wieder passiert ist, welches Programm im Hintergrund zum Lag führt, so kannst du nicht arbeiten. Musste ja auch nicht, heute ist Samstag, da kannste in der Nase bohren, aber bitte nicht zu dolle, sonst triggerst du da vielleicht den Fluchtreflex und springst auf und davon, im Bademantel per Anhalter durch die Galaxis, vorbei an Supernovae und schwarzen Löchern, ins Herz des Universums, wo Gott sich überlegt, was er am Wochenende machen soll, vielleicht ja ein paar Freunde einladen?

09.05.10
Wenn das so weitergeht, hast du irgendwann kein Fleisch mehr an den Fingerspitzen, du knabberst das weg als wären es Salzstangen und eine Zukunft als Pedikürenmodell kannst du auch schonmal vergessen. Der Anfang des Kannibalismus ist schon gemacht, gepaart mit dem schon ewig bestehenden Drangzwang zum Rumgepuhle (weißt du noch, wie du so lange an dem Strickpullover rumgefummelt hast, bis letztlich ein Loch drin war und du ihn wegwerfen musstest?), der auch gerne nachts vorm Einschlafen einsetzt. Neben dir schnarcht Augen-maskenohrstöpsel-Frau, bei dir rattert es, die Feinmotorik reibt Fingernägel über zackige Hautrisse, ziept und zerrt daran, als wolltest du eine Tapete von der Wand ziehen, die vor 41 Jahren hautfarben gestrichen wurde.

17.05.19
Saufen am Gardasee und 2 kg mehr Fett, wird wirklich mal Zeit, die Jogginghose anzuziehen und die Bauchkugel mit Schweiß abzupolieren, abgesehen davon zahlst du pro Monat 20 Euro, also wehe du bewegst deinen Arsch nicht bald vom Sofa in die Muckibude. Und wenn du schon dabei bist, kannst du auch am Schreibhirn weiterarbeiten, das ist irgendwie auch ziemlich eingerostet, wie man ja unschwer an diesem nichtigen und öden Eintrag sehen kann. Die paar letzten Seiten kriegst du ja wohl noch gefüllt, und dann gibt’s ja auch noch „Irmi“, an der man weitertippen muss, nur, weil aus Nelly nix geworden ist und du auf mariTeam-Feedback wartest, musst du ja keinen Rost ansetzen zum Bauchspeck, also: Steh auf, du alte Hippe.

21.05.19
Da ist wiedermal der dunkle Klumpen, der dir weismachen will, dass die Sonne immer nur für die anderen scheint, dass nichts klappt und du das Unglück bzw. Pech mehr anziehst, und je länger du darüber nachdenkst, desto größer wird der Klumpen, teert dich von innen vollständig aus, da brauchst du auch keine Zigaretten, um das Gefühl zu zementieren, dass du es immer irgendwie schaffst, neben der Welle zu reiten, aufs falsche Pferd zu setzen und immer nur ins Loserteam gerufen zu werden, kein Wunder, dass deine Fingerspitzen die Zahntopia haben, du knubbelst unruhig daran herum, weil das Selbstbewusstsein irgendwo am Ende des Regenbogens verbuddelt ist und natürlich ist das nur dein Film im Kopf, aber nirgendwo ist der Stop-Knopf.

23.05.19
Der Pflanzenarm streckt sich aus und tätschelt deine rechte Wange, der E-Bike-Motorsound der vorbeifahrenden Postbotin sirrt durch die Gehörgänge, der alte Mann räuspert sich im Vorbeigehen an der weißen Schreibbank, 3 Pakete Küchenpapier schwingen vorbei, gegenüber die Haustür, an der immer attraktive Frauen stehen, dein Kopf ein leerer Stausee, in denen die visuellen Reize des Augennervs verhallen, „im Schnitt müssen 400 bis 500 Euro mehr aufgebracht werden“, meint die eine Frau zur anderen, der Doppelkinderwagen holt die Kids von der Kita ab, der Zigarettenstummel weht auf den Boden, vielleicht entwickeln sich ja bald mal Vogelarten, die Kippenreste fressen können und Fische, die den Plastikmüll der Meere verschlingen, die Natur ist und bleibt eine Welt der vielen Wunder.

24.05.19
Und natürlich fliegst du mal wieder aus dem TV-Kettenkarussell, die Laschen gelöst von ängstlichen Schwachköpfen, denen man Tony Soprano auf den Bauch binden könnte und das einzige, was ihnen dazu einfallen würde, wäre eine Kritik an der Schweinsnase und dem Bierbauch. Wenn du ein Superheld wärst, wäre deine Superpower wahrscheinlich, immer den falschen Zeitpunkt mit den falschen Leuten zu finden. Willkommen in den Zahnrädern der Unsichtbarkeit, wo parallel Entscheidungen getroffen werden, die dich am Ende aus der Maschinerie kicken. Been there, done that, und zwar viel zu oft, dabei hasst du Wiederholungen, aber was dagegen tun? Niederschlag um Niederschlag, aufstehen, abschütteln und sich neue Boxhandschuhe anziehen, einen neuen Gegner finden, gegen den man gewinnt.

28.05.19
Dir war, als träumtest du letzte Nacht von einer Parallelwelt, in der 9/11 niemals geschehen war und alles fühlte sich wie die 90er an. Vielleicht ausgelöst von dem Anblick des Typen, der im weißen Ganzkörperschutzanzug in einem vollgemüllten Einkaufswagen an einer Bushaltestelle gezwängt saß, Mundschutz auf, als wäre er den 12 Monkeys entsprungen, und natürlich fällt einem erst im Nachhinein ein, dass man mit dem Rad hätte anhalten, absteigen und den Mann etwas fragen können, bzw. sollen, bevor er in einem Lichtblitz auf Nimmer-wiedersehen in der nächsten Raumzeitspalte verschwindet. Wer weiß, vielleicht warst das ja sogar du, dein älteres Alter Ego aus der Raverworld, wo es keine Autos mehr gibt und alle nur zugedröhnt in Einkaufswagen abhängen…

02.06.19
Der Tag dreht schon morgens den Stadtbackofen auf Gluthitze, warte nur, mein lieber Freund Teer, du wirst auch noch weich und wirst dich in ein schwarzes Meer aus klebriger Schlacke verwandeln, gut so, dann bleiben die beiden Roma-Musikanten, die mit Trompete und Schifferklavier jeden Sonntagmorgen mit holprig-schiefen Melodien stören, in den Gehwegen stecken und versinken, werden eingeschlossen und für Jahrtausende konserviert, bis sie in ferner Zukunft von Alien-Archäologen ausgegraben werden und als weiteres Rätsel ins intergalaktische Museum gebracht werden, ein holographischer Text erklärt die letzte Theorie: „Es wird vermutet, dass es sich hierbei um Menschenopfer handelt, die als Ritual lebendig geteert wurden, um den Gott des Nikotin zu besänftigen, ähnlich wie die Ministummel. Ca. 2019 n. Chr.“

04.06.19
Und wieder mal brennen die Wälder, noch ist der Rauchgeruch nicht hierhergezogen, dafür roch es eben nach Urlaub in Italien in den 80ern, diese olfaktorischen Trigger sind immer wieder erstaunlich, aber leider genauso flüchtig wie Träume nach dem Aufwachen, viel zu kurz und unkonkret, da war mal was, erinnerst du dich nicht? Ein Augenblinzeln der Vergangenheit ohne Massentourismus, mit sauberen Stränden und Unterwasserfauna, mit den italienischen Teenagern, die abends am Strand eine krude nackte Frau aus Sand gebaut haben, die dann unter Gejohle reihum bestiegen wurde, und jetzt ficken wir die Erde immer noch, mit Schwänzen aus CO2 und Plastik, mal sehen, wann nicht nur die Wälder brennen, sondern auch der ganze Rest, schließ die Augen, atme ein und merke dir genau den Duft.

07.06.19
Eines Tages erschienen die weißen Fußspuren einfach so auf den Gehwegen dieser Stadt, niemand wusste, wer sie dort hinterlassen hatte, die meisten Menschen ignorierten sie, wie sie alles Neues ignorierten, aber einige Neugierige beschlossen, ihnen einfach zu folgen, die Idee war ihnen beim Warten an roten Fußgängerampeln gekommen, von denen sie dachten, es wäre doch eine wunderbare Idee, wenn an jeder roten Ampel der Welt Schrifttafeln erscheinen würden mit der Frage: „Wo willst du denn überhaupt hin in deinem Leben?“ Gleichzeitig fiel ihnen dann aber ein, dass diese Frage vielleicht etwas zu radikal sein könnte und bei einigen Passanten eventuell zu einer Schockstarre führen konnte, so dass sie einfach stehen bleiben würden, wie angewurzelt, erst zwei, dann drei, dann hunderte von Menschen, die den Gehweg verstopfen würden, also gingen sie der Spur nach.

09.06.19
Trophäe erhalten: 100.000 Euro-Grenze erstmals durchbrochen, eigenartiges Gefühl, die Zahl beim Online-Banking zu sehen, ein seltener Vogel, der gerade mal einige Tage vor deinen Augen hocken wird, bevor die Sensensteuer ihm radikal die Goldflügel stutzt; aber ein Foto davon zu machen ist ja auch lächerlich, wäre hinten noch eine Null dran, wär’s was anderes. Aber immerhin hast du das geschafft, hat zwar nur 41 Lebensjahre dafür gebraucht, aber was soll’s. Spare spare Häusle baue, Butterbrot statt Schnitzel kaue, ja klaro, das mit dem Haus, da fragst du mal den Klaus… wobei, laut Emilio&Edie gibt es da wohl aus dem Bekanntenkreis ein Häuschen auf Sardinien, das die verkaufen wollen, sag‘ also niemals nie, aber italienisch lernen musst du dann schon.

13.06.19
Die graue Schlange kriecht aus ihrem Feuerloch und windet sich durch die Luft auf der Suche nach ihren Lieblingsopfern: Nichtraucher, denen sie in die Nase fleucht, um oben im Gehirn Alarm zu schlagen: Ähh, ekelhaft, aber umsetzen bringt nichts, denn die Schlange ist symbiotisch mit dem Wind verbunden, auf dessen Strömung sie surft und die immer wieder sich den passenden Weg bahnen, vielleicht ist der Wind ja ein kleiner Maler, der sich mit Qualm aus der Unsichtbarkeit seine Dasein rettet und so seine Kunst manifestiert, aber höchstwahrscheinlich eher nicht, und der eigentliche Grund dafür ist ganz einfache Physik, thermische Aerodynamik, die Welt dreht sich ja schließlich auch nicht um die Sonne, weil sie gerne Karussell fährt, und der ganze poetische Gedankenquatsch ist nur wieder mal nichtiges Neuronengewitter.

20.06.19
Frühmorgens schallen Hilferufe durch den Hinterhof, und wenn einer „Zu Hilfe“ ruft, handelt es sich wohl um ein altes männliches Exemplar, das Ganze aber eher kläglich und nicht lebensbedrohlich, trotzdem suchender Blick mit müden Morgenbrillenaugen über die Fensterfronten, keine Ahnung was tun, dann zum Glück eine Nachbarin im Dialog, alle die wahrscheinlich genau wie du etwas alarmiert waren, atmen auf, gehen zurück ins Bett, Hilfe ist auf dem Weg, geht schnell, bis Sanitäter oder wer auch immer von unten Fragen stellt, und die Nacht war ziemlich heiß, wenn schon letztes Jahr in Berlin die Alten und die Säuglinge Opfer der Hitzewelle wurden, wird es wohl so weitergehen, und die oberen Stockwerke doch zwangsläufig frei werden, wo die Hitze die schwachen Leiber lebendig grillt.

24.06.19
In letzter Zeit kommt mittags eine Müdigkeit über dich, ob das am Älterwerden liegt oder an den Temperaturen, who knows, jedenfalls driftest du dann auf dem Sofa-Floss über das Meer der kurzen Träume, neben/auf dir die schnarchende Katze, und dann träumst du von deiner damaligen Freundin, die am Waschbecken steht und sich neben dir die Zähne putzt und dabei anfängt, lautlos zu weinen, also streichst du ihr tröstend über die Schultern, aber trotzdem weint sie weiter und vielleicht solltest du dich, denkst du träge nach dem Aufwachen, denn es ist nie ein Power Napping, nach dem du erfrischt und hochmotiviert aufstehst, vielleicht bei ihr melden und fragen, ob alles in Ordnung mit ihr ist? Auf dem Weg zum Nahkauf läufst du einfach über die rote Ampel, obwohl du schwören könntest, dass sie Grün war, gut, dass du nicht schlafwandelst.

27.06.19
Und oben in den Häuserfassaden stehen sie, die alten einsamen Menschen auf ihren Balkoninseln, zwischen Geranienpralinen und den störrischen Sonnenschirmen, die das ganze Jahr über aufgespannt bleiben, weil die Senioreninsulaner nicht mehr genügend Kraft in ihren faltigalterfleckigen Armen haben, um sie wieder zusammen zu falten, da stehen sie und schauen auf das Asphaltmeer, wo das Leben an ihnen vorbei treibt im ewigen Fluss vom Baby, Teens, Erwachsenen und Alten, die noch keinen Rollator brauchen oder die einen Aufzug bei sich zu Hause haben, sie stehen da wie Gestrandete und winken doch nicht hilfesuchend mit den Armen, damit man sie sieht und vielleicht rettet vor den Stolperfallen im Inneren der Wohnung, der brutalen Sommerhitze und all den anderen Dämonen des Alterns.

29.06.19
Du träumtest von mehreren Sachen, die Suppe der Bilder ist jetzt schon verwässert, aber einige Sachen bleiben, treiben an die Oberfläche: da war Bruno, der sich deinen dicken T-Shirt-Bauch ansah und sagte, ich müsse unbedingt „Edge“ betreiben, irgendeine neue Fitness-Form offensichtlich, was du durch Schlafgoogeln herausfandest; dann war da noch SIDO, der sich bei der Bank auszahlen ließ – in Goldbarren – die du wiederum in eine Jutetasche packtest und durch die Gegend trugst. Hier kannst du dir den Background zusammenreimen: der Obdachlose, der sich hinter all den blauen Müllsäcken verschanzt, war gestern Nacht noch Gesprächsthema und du dachtest, was für ein Wahnsinn es wäre, wenn sich herausstellen würde, dass alle Säcke bis zum Rand mit Geldscheinen gefüllt sind, nur hat eben nie einer nachgesehen. Letztens noch etwas mit überfüllten Flughäfen und Angestellte, die auf Riesen-Makis herumritten.

03.07.19
Den Glitter aus dem Schritt gewischt, den beiden Tauben auf dem Hochspannungskabel ist es egal, dass man ihnen beim Vögeln zusieht, wahrscheinlich war es deren Schuld, dass sie es so heiß getrieben haben, dass die Klimaanlage des ICEs den Geist aufgegeben hat, aber das alles ist ja auch schon wieder lange her, jetzt konzentrieren wir uns wieder uff Berlin, wa. Halberotischen Traum gehabt letzte Nacht, von Alina, die aber eigentlich eine Katze in Frauengestalt war, was irgendwie strange war, Brüste auch kaum vorhanden, aber zwischen den Beinen feucht, aber kurz vor der Penetration lief der Peepshow-Zähler auf Null, nix mit Ficken. Dafür CiaoTv ausprobiert und die McFit-Tv’s ausgefickt mit ihren Steroidbodybuildern und Grinsefressen, die einen ein schlechtes Gewissen beim Sport machen, fuck you, kill switch is here…

04.07.19
Wie viele Fotos von Menschen, die sich einen aufgeklappten Papierordner im Gerichtssaal vors Gesicht halten, gibt es eigentlich auf der Welt, und warum haben Werbefilmer darin noch kein Potential gesehen, die Ordner mit Logos vollzukleistern, man müsste natürlich dazu Partner finden, die kein Problem damit haben, Mörder oder Kinderschänder als lebende Litfasssäulen zu nutzen, eine Idee wäre ja der „Weiße Ring“ oder ähnliche Vereine, die sich mit dem Thema ja ständig auseinandersetzen, da wäre der Spieß quasi umgedreht, oder man druckt Bilder von verschwundenen Kindern darauf, vielleicht erkennt sie ja einer? Ein rattenhafter Gedanke. Apropos: heute sahst du wieder die Ratte im Vorgarten des Hauses auf dem Weg zur Arbeit, wobei Arbeit vielleicht der falsche Begriff ist – dafür, dass du sieben Stunden am Schreibtisch gesessen hast, ist eher wenig dabei rumgekommen, scheiß verdammte Prokrastination.

10.07.19
Du sitzt auf dem Balkon und siehst dir die Hummel an, die von einer zur nächsten Blüte brummt und versuchst, den Zigarettenrauch an ihr vorbeizublasen, um sie nicht zu stören. Im Gegensatz zu dir hat sie eine klare Aufgabe, was dich neidisch macht. Die Katze kratzt von innen an der Balkontür, du lässt sie raus, sie läuft schnuppernd über den Boden, findet eine weiße Daunenfeder und frisst sie auf, bevor du sie ihr aus dem Maul reißen kannst. Gut möglich, dass sie davon irgendwann in die Wohnung koten wird. Sie rennt zurück in die Wohnung und starrt dich von drinnen durchs Fenster an, gähnt lautlos und wartet darauf, dass du aufstehst, um ihr was zu Fressen zu geben. Fressen, schlafen, kacken – auch nicht schlecht, auf jeden Fall nicht so anstrengend wie das Leben einer Hummel. Du drückst deine letzte Zigarette aus und das war’s dann.

16.07.19
Patrick Bates würde für deine Visitenkarten wahrscheinlich töten, ob’s was bringt, die Dinger zu verteilen, ist eine andere Sache, aber in puncto Professionalisierung mal wieder ein Schritt gemacht, haha, das glaubst du doch nicht wirklich! Schnauze Bates, sonst gibt’s gleich Maultaschensuppe mit Nachschlag, mein lieber Herr Gesangsverein. Interessant wird allerdings die Frage, ob du gegen W&B tatsächlich prozessierst, auch da hätte sich natürlich der Mitgliedbeitrag beim VDD gerechnet, und sonst so, was ging ab, fragt sich Hanno, als er in ferner Zukunft das vollgeschriebene weiße Notizbuch durchblättert. Na wieder mal Worms plus Battenberg, morgen Friseur und Arbeit am Breinersdorfer-Projekt, Körpergewicht 90 kg, Wetter bedeckt und in etwa 2 Wochen geht’s nach Sardinien. Die Katze kotzt, Fingernagel immer noch wellig trotz Salberei, ansonsten alles wie immer eben.

19.07.19
Du träumtest unter anderen von einem lebendigen Wortwitz über ein Schild, vor das man sich „stillt“, auf dem wiederum stand, dass man hier chillt, klingt nüchtern und aufgeschrieben schwachsinnig, machte aber im Schlaf durchaus Sinn, gerade das ist ja auch das Schöne daran. Dann war da noch eine Szene auf einer Herrentoilette mit Urinal, die eine Eingangs- und eine Ausgangstür hatte, die ständig offengelassen wurden, irgendein dummer Nazi mit beschissen großen Ohrringlöchern war auch anwesend, trotz Bitte deinerseits schloss er die Türe nicht und wurde daraufhin von einem SEK extrahiert, am Ende zogst du dann deinen Pullover aus, genervt, und warfst ihn wie ein Lasso über die Klinke, um die Tür zu zumachen. Musstest natürlich kurz danach aufstehen und die volle Weinblase entleeren, interessantes Frühwarn-system, das.

20.07.19
Der Rettungshubschrauber rettet retterettetet durch die Nacht und unten sitzt mal wieder jemand vor einem Glas Weißwein, schreibt Zeilen für niemanden und für die Ewigkeit aus Aluminiumhüten, die sagen werden: aber so war es doch nicht, it’s all fake news, und jetzt atme doch erstmal einzweimal durch, deine Frau schippert sich gerade durchs Katzenklo und achja, da war doch noch die kleine Nebenanekdote beim Kippenholen von dem Kerl auf der Bank, der seine Flaschenbierfreundin eng mit den Fingern umschlungen hatte und plötzlich rief: „Feuer frei!“ und dich ansah und du starrst zurück und denkst, vielleicht gibt’s jetzt Ärger, und dann hat der Typ die Arschkarte gezogen, weil du schon lange darauf wartest, dass es irgendwann knallt, irgendein Fucker sich mit dir anlegt, und dann reißt sich das Monster in dir drin los und lässt den ganzen Frust ab in Sekunden.

22.07.19
Du träumtest von einem Cartoon im Gary Larson-Style, in dem ein Kerl mit einem langen Baumstamm zwischen den Beinen eine Treppe hochrannte, entweder etwas dabei sagte oder dachte, was genau, keine Ahnung, im letzten Bild landete er dann im Bett mit einer Frau, hatte also endlich den Platz für den Stamm gefunden, dann Großaufnahme des Frauengesichtes, die auf Englisch etwas sagte, sinngemäß etwa: Sei ruhig und verlier keine Tränen. Ganz klar natürlich, dass the morning wood dafür verantwortlich gezeichnet hat, die Verschwurbelheit und eigenartige eigene Logik des Unterbewusstseins eine Wundertüte, die bei genauerem Hinsehen die Gedankenkonfetti des Vortages ins nächtliche REM-Traumland rieseln lässt.

23.07.19
Kurz vor Mitternacht kriechen die ersten Minikopfschmerzen durchs Großhirn, der Wind schlägt Autotüren zu, mehr seltsamerweise gedacht an einem Auto verbaut sind, die Kerze auf Wanderschaft, Richtung blaue Linien, das Gekrakel ein Fiebertraum von Jackson Pollock, die Eiswürfel längst geschmolzen, im Alptraum der Titanic-Welt, steck‘ den Finger ins Ohr und reh ihn, hoffentlich kommt mit dem Gedankenschmalz des Tages something poetic oder so, frag‘ lieber nicht, wo die Hundertschaft Raben oder Krähenvögel sitzen, irgendwo hat sich der schwarze Federblock versammelt und plant die Übernahme der leeren Zivilisation, aber noch leben wir, jetzt, und C-Scans alle unauffällig, Sofas lernen in Hamburg zu fliegen und der Marquis de Sade saxofoniert sich über den Äther. Mach‘ die Kippe aus und geh‘ zu deiner Frau.

24.07.19
Der Blick schweifend in den Himmel, du altes Klischee der Ideenfindung des Autors, da sind nur Chemtrails und darunter zwitschernde Schwalben, die vom CIA gesteuert sind, jag‘ deren Piepsen durch ein altes Modem und du siehst, was Sache ist, die Viecher hacken gerade die Deutsche Bank – aber eine vorbeifliegende Muse mit Kreativflügeln ist nirgendwo zu sehen, stattdessen der banal-nervige Nachbaralltag vom oberen Balkon: „Du musst es da auf AUX stellen, nicht auf Video, ja? Und dann ein bisschen lauter.“ Seltsam, wie man andere Menschen ohne sie zu sehen einfach nicht leiden kann, vielleicht spielt ja auch die Größe des Balkons eine Rolle, Panoramahimmelbingo quasi, und sowieso, die haben doch sicher drei Zimmer mehr als ihr und arbeiten müssen die wohl auch nicht!

25.07.19
Last day in the office. Abschied von Menschen, mit denen du letztlich auch keinen engen Kontakt hattest, trotzdem klassische Filmszene von gefeuerten Managern, die in einem Pappkarton ihren Schreibtisch nach Hause tragen. Währenddessen blättert die Wandfarbe am Balkon ab, der Wind trägt ein wenig Temperatur ab, auf dem Balkon auf der anderen Strassen-seite juchzen besoffene Frauen in einer Frequenz, die Fledermausartig ist. Zwei Sachen, die in deinem Hinterhirn landen: a.) kann es sein, dass du den Katzenparasiten hast, weil der Geruch des Katzenklos ähnlich dem Geruch deines Urins bzw. deiner Schweißdrüsen in den Achseln ist und b.) welcher beschissen raffinierte Algorithmus von Linsenquelle.de ist da am Werkeln, der einem nach einer Bestellung mehrere Angebote schickt, die man jetzt sowieso nicht mehr nutzen kann und wird, weil man ja bereits seine Bestellung getätigt hat?

07.08.19
Am vierten Hochzeitstag träumst du u.a. einen Filmtrailer für eine Transen-Comedy á la „Priscilla“ (den du nie gesehen hast), in der Szene, an die du dich erinnerst mit verklebten Schlafaugen, kommt Ving Rhames (oder ein ähnlich bulliger schwarzer Schauspieler) gerade vom Kacken in der menschenleeren Wüste zurück, er steigt von einem Felsplateau herunter, spricht dabei mit sich selbst im Sinne von: unglaublicher Sonnenaufgang, genauso beeindruckend aber wie sein gewaltiger Kackhaufen, den er da oben im Panorama hinterlassen hat, er steigt herunter, und natürlich kommt ihm genau da einer der zwei anderen Transen entgegen, der sich unbedingt den tollen Sonnenaufgang ansehen will und nicht damit rechnet, dass ihn stattdessen der „biggest motherfucking shit I’ve taken“ erwarten wird. Interessante Parabel für diesen Tag…

12.08.19
Das Sandmännchen spritzt seit einiger Zeit jede Nacht in deine Augenlider ab, als hätte man es mit Viagra vollgepumpt, Sand-Bukkake-Gefühl beim Aufwachen, so bilden sich im Muschelinneren irgendwann Perlen und hinter deinen Augenlidern wahrscheinlich auch, wenn du sie einfach nicht mehr öffnen würdest, Scheiß auf die Sonne da draußen und neu erschienene Serien, die Augen machen jetzt mal Urlaub und fahren die Rollläden runter. Sommerpause bis unbestimmte Zeit. Einfach da im Bett liegen bleiben, Vorhänge zu und darauf warten, dass sich das Bettlaken symbiotisch um deinen Körper schlingt, mit ihm verwächst, als wärst du ein gefallener Baumstamm im gerodeten Dschungel des Lebens, den Mama Erde seufzend in die Arme nimmt, tröstend mit dunklen Fingern über die Rinde streicht und sagt: komm heim.

14.08.19
Gegenüber sägen sie die Nervendrähte kreischen durch, der Hummel ist das wurscht, die brummt sich durchs urbane Balkonblütenmeer, heute bekommst du den Schlüssel fürs neue „Büro“ and afterwards geht zum Audible-BBQ, da kannst du mal schön die neuen Visitenkarten verteilen und vielleicht einen Auftrag ergattern, der Rubel muss ja weiterrollen und für irgendwas muss der VDD-Beitrag ja auch nützlich sein, blöd nur, dass deine Fingerspitzen schon wieder von nervösen Mäusen angeknabbert wurden, vielleicht kaufst du dir mal stylische Handschuhe und machst es zu deinem Erkennungszeichen, auf sowas steht die Branche doch, werde zum Lagerfeld der Drehbuchautoren mit Sonnenbrille bei den Besprechungen, dann sieht man den Zorn in den Augen nicht mehr.

19.08.19
Unten schunkeln die Menschenkegel übers Trottoir, alles Flaschen, wenn du mich frägst, langer Hals mit kleinem Kopf, unten Bierbauchrundung, wo bleibt die Kugel, die euch umhaut, vielleicht ja ´ne Gruppe von asozialen Jugendlichen oder der Klimawandel oder der Krebs oder der Leistungsdruck oder der Hass der Nachbarn, die beim Onanieren gestört werden von dem lauten Gegröle und Flaschengeklimper, die Welt ist schlimm, sagt deine Frau, die Antinatalistin, die sich ein Hobby wünscht, weil andere es ihr vormachen, du sagst, dein Hobby ist das Überleben in der Ära Homo Freizeitis, ein kurzes Zeitalter nach Aufstehen, Arbeiten und Kochen, und wenn drüben die Kifferlache der dicken Studentinnen herüberweht und die Kerze im Windlicht flackert, dann ist das eben so, dann sind wir gerade am Leben, irgendwo auf der Welt, in Berlin, und der Rest kommt.

29.08.19
Der Höllengeruch aus den Tiefen des Porzellanthrons besteht aus den zerschnipselten Rauchzeichen eines indianischen Gottes und dem Endprodukt aus gärenden Sauvignon-Beeren und möglicherweise den inhalierten Worten über die Schlechtigkeit der Menschen per se und dem nervenden Rumgeknarze der Korkstühle von schräg oben, die sicherlich irgendwann schon einmal erwähnt wurden – was wiederum noch nicht schriftlich festgehalten wurde, ist das kleine zufriedene Gefühl, wenn das alte Ehepaar von oben entrüstet das Fenster direkt oberhalb des Raucherbalkons schließt, weil es reinzieht, ja, das kommt davon, wenn man morgens um beschissen 7 Uhr die Wohnung saugt und Elefantenherden hin- und herjagt, das Mobiliar verrückt oder was auch immer diesen Lärm verursacht. Der stille Rauch ist die Antwort, Punkt aus.

04.09.19
Gestern läuft der Messias über die Menschenmenge der Funktionsjacken, klopft mit seiner Besenstimme auf die dicken Schädeldecken der heimlichen AfD-Wähler, die den Herbie gut finden, aber dann doch nicht mitjohlen, wenn der türkische Rapper auch mit auf der Bühne steht, egal, Waldbühne füllt das nächtliche REM-Hirn auf jeden Fall mit genügend Input für seltsame Träume, Wortfetzen und Bilder, das meiste schon durchs Öffnen der Lider in den Ausguss der Wirklichkeit gespült leider, aber eines bleibt wie ein stures langes Nuttenhaar kleben: das Bild vom Universum, dargestellt als alter Kleiderschrank, in dem an verschiedenen Kleiderhaken diverse Jacken hängen, die Farben & Formen & Funktionen quasi Personifikationen der unterschiedlichen Galaxien, die Dunkelheit im Innern = die Unendlichkeit, der Urknall ebenso mysteriös wie die Herkunft des Schrankes.

05.09.19
Drüben, on the other side oft he street, nehmen sie ein Fußbad im blauen Fernsehlicht, während deine Frau mit sich selbst redend durch die Wohnung läuft, das Parkett knarzt als Basslauf dazu und erinnert dich an einen seltsamen Gedankenweg, den du vor kurzem hattest: liegt die Frauenrolle als Saubermacherin/Wäscherin eventuell angelegt auf der Grundidee, dass Frauen seit Jahrtausenden ihre Periode haben und somit automatisch früh mit Hygiene bzw. Säubern beschäftigt waren, im Gegensatz zu den stinkenden Alphamännertieren, die letztendlich immer nur davon profitieren. „Wir gehen auf 10 Grad runter, Schatzi“, sagt deine Frau und unterbricht den Schreibfluss, es ist Zeit ins Bett zu gehen, die Dinge Dinge sein zu lassen, aber vielleicht hast du ja doch recht?

08.09.19
Du wartest wieder auf den Blue-Line-Rider, aber der sitzt heute Abend nur auf der Couch und glotzt Serien, da muss man nicht viel denken dabei und die Fantasie haben andere für einen zusammengestellt, ein Bildtier nach dem anderen wird durch die Augenpforte getrieben, 25 Stück pro Sekunde, so schnell kann kein Mensch Buchstaben aufs Papier schreiben, kein Wunder, dass du Jahre brauchst, um dieses Buch zu füllen, aber der Plan ist es, dieses Jahr das Ding endlich zu beenden, mühsam ernährt sich das Schreibhörnchen, die Nüsse werden länger und länger, die Glocken länger als das Seil, da hilft auch nicht der gespeicherte Artikeltitel „Fettexplosion in Freudenberg“ im Hirn, was soll man damit anfangen, daraus einen Titel machen für eine Geschichte vielleicht, aber die muss ja irgendwer schreiben, du jedenfalls nicht.

15.09.19
Es herrscht Krieg auf meiner Nase
die Poren stopfen sich endlos voll
zum Glück ist es nur eine Phase
aus endloser Porenstopfigkeit
Oh, ich habe soviel versucht
bin mit allem nu-hur gescheitert
warum gi-hi-hibt es nichts
was ganz normal die Poren erweitert?
Und wenn du sagst es ist nur ein Körperteil
sag ich ja – und findst‘ du das egal?
Die roten Flecken einer Süßigkeit
hält bei mir ´ne Ewigkeit
Oh – dann lass das Süße stecken
und gib‘ dir Saures bis zum Verrecken
der Preis der Schönheit ist enorm
den Spiegel siehst du nur von vorn
aaah, ich muss ein Ende finden
und hör auf wie Herbie zu singen

17.09.19
Sei ruhig neidisch auf die Sirenen, die haben nämlich immer ein Ziel, du bist zwar ein Fass ohne Boden, nur leider nicht gefüllt mit Genialität. Du bist ein Bild, das niemand kauft und langsam an den Rändern ausbleicht – könnte natürlich auch alles am Wetter liegen, dein Drahtesel wartet draußen im Regen, die Ketten solltest du aber auch mal wieder ölen und die Reifen mit Frischluft versorgen, sonst geht ihm noch die Puste aus, wenn du mit ihm nach Hause oder in den Sonnenuntergang reitest, aber für den Gnadenschuss fehlt dir die Munition, für den Startschuss übrigens wohl auch, der Rest des Feldes läuft uneinholbar da vorne um die Ecke, verlier‘ sie nicht aus den Augen, sonst verlierst du das rennen und steigst in den Bus vor der Kehrmaschine.

23.09.19
Im Kalender steht Herbstanfang, auf der Couch liegt die eingemümmelte Katze, und wäre die Zeit ein Monster, das droht die Welt zu verschlingen, würden sie wahrscheinlich dich zur Hilfe rufen, den großen Zeittotschläger. Bewaffnet mit einem Laptop und Millionen Youtube-Videos würdest du dem Biest den Kopf mit Prokrastination füllen, bis er platzt. Dein Sidekick das kleinwüchsige, ogerhafte schlechte Gewissen, das ständig den rieselnden Sand deiner Lebensuhr beäugt und kommentiert. Um den Hals die Hätte-hätte-Fahrradkette, die langsam vor sich hinrostet. Na immerhin hast du Gründe fürs Zuhausebleiben, DHL-Paket und Schlüssel-übergabe, auch wenn das Paket jetzt doch erst morgen kommt, also schreib‘ wenigstens die Seite voll, dann hält der Oger für ein paar Minuten die Schnauze.

26.09.19
Manche Uhren ticken anders, bei deiner ist die Unruh gestört oder das Zeigerwerk war zu lange unterwegs und hat gesoffen, Folge: Filmriss, verlorene Zeit und keine Ahnung mehr, welches Datum wir eigentlich haben, aber das Grinsen um 10 vor 2 kehrt dafür immer wieder zurück aufs Blatt und 5 vor 12 ist sowieso jeden Tag für die vielen Zahnrädchen im Weltgetriebe, und weil du ja so empathisch und nett bist, lieferst du die hier abgegebenen Pakete an die Nachbarschaft aus, andere würden zwar behaupten, dass sei ein Ablenkungs-manöver, weil seit Tagen das in Erika (alias: „Hirnspalter“) eingespannte zu Hälfte vollgetippte Papier sich keine Silbe fortbewegt, irgendwie sind die Musen gerade alle ausgeflogen und streiken, wofür, weißt du leider nicht. Come back to me, flüsterst du, aber taub sind sie auch noch.

01.10.19
„Lass knattern, Schnöbi“, sagte Pantoffelheld und ging hinaus auf den Balkon in die Nacht, die ihn von oben mit zwei Sternenaugen anstarrte. „Was glotzt du so funkeltrunken, hmm!?“, knurrte PH und streckte seinen Mittelfinger in Mortimers Sturmnachwehen, „scheiße Mann, es ist Mitternacht und mir hängt da dieses kleine Stück Kaminwurzel irgendwo hinten unten rechts zwischen den Zähnen, das kriegste auch nicht mit ´nem Zahnstocher raus, also pulst du ewig mit der Zunge danach, das ist genau, wie wenn du was im Leben willst, aber doch nie wirklich kriegst, wenn du verstehst, was ich meine…“ PH ließ einen Seufzer von hier nach Bangkok, dann schnippte er seine ausgerauchte Kippe runter auf die Straße, zuckte mit den Schultern und dachte sich mal wieder seinen Teil dazu, kurz vor Mitternacht.

03.10.19
Ihr sagt Tatü, wir Tatoo: 30 Jahre Wiedervereinigung und immer noch wünschen sich ´ne Menge Leute auf beiden Seiten die Mauer zurück, jaja, früher war alles besser, raunt man im dunklen Osten, wo sie wieder Flüchtlinge jagen und AfD wählen, achja, denkt man da, wie kommt es eigentlich, dass ausgerechnet der Anteil von Deutschen, die noch am ehesten eigene Erfahrung mit Diktatur, Willkür, Überwachungsstaat und eingeschränkter Freiheit haben sollten, diejenigen sind, denen nun auf einmal die Empathie für Flüchtlinge fehlt, denen es teils noch schlimmer geht? Hat der Kapitalismus mit seiner „Ich-ich-ich“-Mentalität da möglicherweise die Hirne falsch verdrahtet? Jetzt soll es mal schön erstmal um sie gehen und nicht um die anderen, wir Ossis leben ja immer noch, denken und fühlen sie wohl, na gut, dann baut die Scheißmauer halt wieder auf!

05.10.19
Mozart hat seine nasse Perücke zum Trocknen auf die Heizung gelegt, sage ich und du antwortest: du meinst doch nicht etwa den schmuddeligen feuchten Wischmopp?
Und was ist das mit der Menschenbrücke für Liliputaner, frage ich dann.
Das? Ist nur eine Dehnübung für den unteren Muskel im Rücken!
Achso? Weil mir die sechs Glatzköpfe im Kühlschrank da nämlich was anderes gesagt haben…
Okay, ich hab’s verstanden, das Ganze wird langsam etwas platt, fällt dir nichts Besseres ein, mein lieber Herr Gesangsverein?
Nope, kann mir wegen der schnarchenden Katze einfach nichts Besonderes ausdenken.
Welche Katze? Du meinst den Schweinehund da drüben unterm Tisch, oder nicht?
Keine Ahnung, was das jetzt sein soll, den Dreck hier liest doch letztlich eh´kein Schwanz, also beruhigen Sie sich bitte!

08.10.19
Lebst du immer noch
vom Wäscheständer auf den Leib
oder spülst du jetzt die Becher aus
bevor sie im Gelben Sack verschwinden
siehst du erst auf die Uhr
bevor du dir reinen Wein einschenkst
(ja, irgendwo auf der Welt ist es immer zu spät)
und fragst du dich nie
wer ständig deine Zunge teert
früher wackelten die Wände
heute nur noch die Schreibtischlampe
dein Daumennagel bekommt Altersringe
und der Bauch einen Airbag
damit federst du den Aufprall in der Midlife Crisis ab
oder wofür ist der sonst da?
Was bleibt sind die Kuliflecken am kleinen Finger
und ein ständiges Ziehen am Arsch
das kommt vom vielen Sitzen sagt man
aber zum Stehen bis du wohl zu faul

09.10.19
Wo bleiben eigentlich deine Updates, kann man da nicht auch mal bestimmte Keycomponents bzgl. Fitness, Erfolg, Glück etc. mal aktualisieren? Die Firmware ist immer noch von 1978, da müsste es doch schon längst Patches geben oder sind die kostenpflichtig und man muss sich bei Gott registrieren lassen? Kein Wunder, dass die Knochenstruktur schon mehrfach geknackt wurde und das Hirn derart fragmentiert ist, das ist doch noch eine von den ollen Festplatten, die ständig die Ordner mit den Namenslisten löschen, wenn man Alkohol draufkippt? Kein Wunder, dass dein Wordprozessor ständig hakt und sich aufhängt, bei der Masse an Bildern und Videos, die das System zumüllen und verstopfen, packt die bitte doch alle mal in den Papierkorb – oder besser, setzt einen Wiederherstellungspunkt und startet einfach alles nochmal neu.

12.10.19
Wenn du dir einen Platz an der Bar suchst, nimm‘ den Hocker vor dem Spülbecken, da kommt die Barfrau immer wieder hin, oh fuck, wir wechseln die Farbe für heute, mal wieder schwarz statt blau, denk nicht dran, du bist sowas wie die zerquetschte Mücke an der Wand über den Pissoirs, und klar denkt die Dame de Bar, dass du so betrunken bist, dass du gar nicht merkst, dass sie dir einen Zehner zu wenig als Wechselgeld zurückgibt, aber nicht mit mir, Schatzi, ich bin ein verdammter Barveteran, schau‘ dir all die Auszeichnungen an im Gesicht, den Augen und dem Bauch, ich habe schon Gin Tonics bestellt, als du noch auf der Suche nach deinem perfekten Masterstudium warst, und ja, an der Bar zu schreiben ist ziemlich oldschool und hier wahrscheinlich von außen betrachtet als prätentiös zu betrachten, aber I don’t care, und ganz ehrlich, die nach links rüber schaut, die Dame mit dem Typ, der ihr gerade was im Handy zeigt, findet das nice.

15.10.19
Das kommt davon, wenn man sich stundenlang anhusten lässt, noch nie was von Tröpfchen-infektion gehört, doch schon, aber offensichtlich hält man sich heutzutage auch nicht mehr die Hand vor den Mund beim Husten. Körper also im Alarmmodus, irgendwas ist los, Hals fühlt sich komisch an, kratzt aber nicht, also vielleicht hast du ja Glück und kannst die drohende Erkältung nochmal abwenden… Her also mit Ingwer-Tee, Neo angin, Ibuprofen, Aspirin complex und präventiven Nasenduschen und ein Nickerchen auf dem Sofa, hoffen wir, dass es funzt, weil Freitag doch noch die Geburtstagsfeier ist, da musst du fit sein, also mal her mit den positiven Gedanken – und das Immunsystem auf Maximum, kein Bock auf die ganze Scheiße, den Schnodder, lass den Kelch vorbeigehen!

17.10.19
Leite die Salzfälle durch deine Gesichtsöffnungen, wir müssen den ganzen Schnodder inkl. Viren aus den Untiefen deiner Nase holen. Wer mutig ist, schnappt sich Axt und Seil und lässt sich in die frostigen Nebenhöhlen herab, wo im Dunklen polymutierte Ungeheuer leben, an den Nasenhaaren kitzeln, damit der Riesenwal, in dem sie sich auf Tröpfchen reitend eingeschlichen haben, niesen muss und einen gigantischen Luftsog auslöst, der die Biester Richtung Licht nach draußen an die Luft katapultiert, wo sie sich nach einem neuen Wirt umsehen, aber nee nee, hier ist keiner, ich bin ganz allein, hier ist verficktnochmal Endstation für euch, und wenn ich könnte, würde ich mich kleinschrumpfen und mit einem Flammenwerfer im gesamten befallenen Sektor Jagd nach euch und euch bis auf den letzten den Garaus machen, das schwöre ich euch!

18.10.19
Immer noch Nasi-Goreng mit Schleimsoße, friss oder stirb, als Gewürz ein wenig Red Bull, Aspirin komplex und Advil vermischen und das ganze mit Weißwein und Nikotin abschmecken, kill it with fire, jetzt wird der atomare Gegenschlag im Innern gestartet, du lässt dich doch nicht von diesen fucking Viren unterkriegen, enough is enough, und trotzdem gibt’s immer wieder den automatischen Griff ans atmende, offene Nasenloch, zuhalten und mit Schleimgeräusch durchs andere verstopfte Loch ausatmen, irgendwie wir das nie eintönig, man ist ja quasi der Humanmaschinist, der sich um die verstopften Rohre kümmert, sonst pfeifst du gar nicht mehr aus irgendwelchen Löchern, bis auf das hinten, aber das liegt an diesen abführenden Halstabletten, gell.

21.10.19
Next stage: dein Leben ist auf stumm geschaltet, voice box im Arsch, das gab’s so auch noch nicht, du willst was sagen, aber die Stimmbänder streiken einfach, die Worte werden kieksend erstickt, und ab jetzt also Schweigegelübde angesagt, schließlich ging’s schon Freitagnacht damit los, mitten im alkoholgeschwängerten Satz, als hätte da oben (oder da unten) jemand genug vom Gelaber gehabt und einfach mal den Saft abgedreht, Klappe zu, Affe tot. Immerhin hat dir die Erfahrung ´ne interessante Idee für eine mögliche Serie gegeben: eines Tages verlieren alle Männer auf der Welt simultan ihre Sprechstimme – und keiner weiß warum oder kann es heilen… jetzt haben die Frauen im wahrsten Sinne auf einmal das Wort… gute und originelle Prämisse á la high concept, das Problem ist nur, was und wie erzählt man das jetzt weiter, Stummboy?

24.10.19
Ein Lebenszeichen nach einer Dekade Funkstille erreich sie aus weiter Ferne, hat sie etwas die ganze Zeit lang da auf dem Steg am Wasser im Sonnenfleck gesessen und gewartet, Tag um Tag, Monat um Monat, Jahr um Jahr, in denen die Haare wuchsen und wuchsen, den Rücken hinab, vielleicht war der Plan, sie so lang werden zu lassen, dass sie damit im See der Erinnerungen fischen würde, in der Hoffnung, dass ein Fisch, ein bestimmter Fisch von dem Geruch angelockt werden würde, denn sie wusste, dass er niemals ihren Duft vergessen hatte, schließlich war er ihm so lange Zeit nachgeschwommen. Das viele Schwimmen hatte den Fisch müde gemacht, dass er sich schließlich einfach treiben ließ und in vielen Vogelschnäbeln und ihren Nestern landete, bis er entkam und zurück in die Untiefen tauchte, bis er sie im Netz fand.

25.10.19
Vielleicht spielt deine Familie in einer perversen Variante der Oprah Winfrey-Show mit, bei der das anwesende Publikum am Ende mit Preisen überrascht wird, nur, dass es bei euch keine Autos sind, sondern: „You get a cancer! And you get a cancer! And you get a cancer!“ Jetzt hat es die Prostata deines Vaters erwischt, mal sehen, ob der Dreck schon gestreut hat, hoffen wir mal nicht. Ihr seid schon ´ne Mutantenzellenfamilie, fragt sich, nach welchen Schwabensuper-kräften da eigentlich gesucht wird intern oder vielleicht steht das Familienhaus ja auf einer ollen Uranmine oder so, oder Tschernobyl hat da seine radioaktiven Finger im Spiel – oder vielleicht ist es auch einfach nur eine zufällige Häufung von bad luck, keine Ahnung. Letztlich tragen wir ja alle seit der Geburt den Tod in uns, der unsichtbare Trittbrettfahrer, der irgendwann dann einfach das Steuer übernimmt.

31.10.19
Da gefriert einem das Blut in den Adern, das radioaktive, wenn es darum geht, herauszufinden, ob der Krebs gestreut hat, auch absurd eigentlich, die Methode. Als hätten die Beteiligten schon versucht, die Sache konventionell zu lösen, und sich dann entschlossen, dass man einen bad boy von außen holen muss, einen Spezialisten, der sich darauf spezialisiert hat, andere miese Gestalten aufzuspüren. Radioactive Man vs. P-Cancer. Jedenfalls geht’s jetzt (9 Uhr) um die Wurst, in ein paar Stunden weiß man mehr, Daumen sind gedrückt, ob deine Mutter wohl schon gebetet hat für gute Nachrichten? Oder dein Vater? Oder er wohl irgendeinen Deal mit anderen Mächten versprochen hat, who knows. Wenn, dann funktioniert es gerade an Halloween, du musst nur die richtigen Goodies in der Tasche und die passenden Argumente im Kopf haben, um den Gevatter zu überzeugen.

02.11.19
Du träumst von der Optimisten-Regatta, an der du teilnimmst, und kurz vor dem Start bemerkst du, dass der Benzintank leer ist, woraufhin du zur nahen Tankstelle gehst, um dir dort für 3 Euro Diesel abzupumpen, den du dann einfüllst und somit ready to go bist. Was sagt der Küchenpsychologe dazu? Ein Optimist, dessen Tank leer ist und aufgefüllt wird, verstehe! Gut möglich, dass das mit den geisterhaften Röntgenaufnahmen zu tun hat, auf denen in verschiedenen Farben der Körper deines Vaters durchgeleuchtet wurde, Nacktscannerstyle, eine riesengroße Menschenqualle, deren Organe man dunkel erahnen kann, dies ist der Superman-blick bis ins tiefste Innere, das Gebiss mit dem typischen Grinsen eines Totenschädels. Ein Hoch auf die Technik, hätte er ein Schwert im Magen, würde man es sehen, da ist aber nichts, ein guter Grund, optimistisch zu sein.

05.11.19
Wer braucht schon Influencer, wenn’s ´ne Influenza gratis gibt? Ist ne Weile her, aber irgendwas hat dich erwischt, Kreislauf down, temperature up, Gliederschmerzen und das Gefühl, als wärst du 40 Jahre älter. Fragt sich nur wieder mal, wo das Drecksvirus herkam, mal wieder aus irgendeinem Biomutantenzoo ausgebrochen und auf die Menschheit losgelassen, eine Schlappe nach der nächsten, fucking Herbst. Parallel dazu heute der Tag der Wahrheit, ob der Krebs gestreut hat oder nicht, ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das „nicht“ angeht, singt der Engelschor auf der Daumendrückerbank, alles ist relativ, murmelt Sinatra besoffen und Bobby McFerrin grinst: „Don’t worry, be happy!“ Warte noch ein bisschen, dann tauchst du aus dem schweren stillen Wasser auf und hast Lust, wieder eine zu rauchen, sagt Dr. H. R.

09.11.19
Sie sind unter uns, die Kissenmenschen, gestern Nacht in der Staatsoper sahst du eine von ihnen vor dir an der Garderobe stehen, sie tarnte sich als dickliches Mädchen mit grauem Wollpullover, der ihr Hüftgold korsettierte, aber die Kissenfrau hatte geschlampt, ihr quoll aus der rechten Seite eine Daune aus dem Innersten, und kurz warst du versucht, sie wie sonst auch einfach herauszuziehen, hattest die Hand schon halb ausgestreckt, als sie sich kurz umdrehte und dich ansah, mit seltsamen Knopfaugen und einem Reisverschlusslächeln, da wurde dir klar, dass es sich nicht um einen Menschen handelte, oh nein, dies war eine gänzlich unbekannte Spezies, deren Kinder in Kokongestalt jahrelang als Spione unter unseren Köpfen und unseren Betten liegen und uns belauschen, um dann den Oberen Bericht zu erstatten, damit dieser wiederum an ihrem Plan der Weltherrschaft weiter feilen und arbeiten können.

12.11.19
Die ganze Nacht hindurch trägt der Himmel den weißen Button am Revers als Anti-Schlaf-Maßnahme, andere behaupten wiederum, das da oben sei ´ne Wachbleibpille, die die Erde alle paar Wochen einschmeißt, um Party zu machen und seltsame Träume auf die Bewohner loszulassen, irgendetwas absurdes mit Weltuntergangszenario, dem Beweis von Jesus‘ Existenz, einem Wettrennen über eine befahrene Kreuzung, wo trotz grüner Ampeln die Autos einen fast über den Haufen fahren. Kein Wunder, dass du am nächsten Morgen überall in den Augenwinkeln große Crack-Kristalle kleben hast, die Essenz der Verrücktheit muss ja auch irgendwie wieder aus dem Hirn gespült werden, damit du aufstehen und Richtung Alltag lostrampeln kannst, außer natürlich, das alles ist ein raffinierter Albtraum, der so real ist, dass du nie wieder auf-

13.11.19
An der Apotheke kauert ein Obdachloser, der laut Selbstgespräche führt, während die Leute an der roten Ampel warten und zuhören, dass er eine halbe Stunde auf dem U-Bahnsteig gestanden hat und aufs Display gestarrt und gewartet hat, weil wohl angesagt / angekündigt wurde, dass am 6.12. der Nikolaus kommt, aber wohin genau jetzt, in welche Bahnstation, das hatte der Mann eben nicht mitbekommen, und so wartete er wie laut gesagt eine geschlagene halbe Stunde, bis er doch wegmusste, weil sein Uber kam und dann wird die Ampel grün und man tritt in die Pedale und im Kopf das eben vernommene durch und analysiert den Wahngehalt, kommt dann zu der Entscheidung, dass es vielleicht tatsächlich Bahnhofsmissions / BVG-Nikoläuse gibt, die den Pennern am 6.12. Geschenke bringen und also googelt man danach, um dem Mann seine Info zu geben – aber findet rein gar nichts.

18.11.19
„Was ist in 15 Jahren, wenn ich in Rente gehe? Hmh-hmh… (räumt Spülmaschine ein) Ja, verstehe, das hat ihn ja auch richtig gekillt… ich versteh das, ja klar…. Hmhm-hmmhmh… ja, das stimmt! Nee, hmmh… (checkt Handy)..hmm.. (füllt Wasserglas auf) Der ist mehr als sicher mit den Immobilien und drei Booten, der ist safe, das ist ja unfassbar, der verdient in der Rente, was ich zu Lebzeiten nicht verdient habe… den kenn ich auch gar nicht, er wird auch immer Störfaktor bleiben… aber, wie gesagt, nochmal, wenn die mich loswerden wollen, da muss er mir dabei helfen, da mach ich nich… muss er ja nicht, aber er ist ja dann raus, das ist ja der Punkt… und was sollen die mir anbieten, wenn ich gehe? Ja, klar… es wird was passieren, da muss er dann irgendwann mit mir reden…. Sorry, aber..hmhmh… ja, so ist das…hmhmm.“

25.11.19
Gegenüber der Anfang von Leisure Suit Larry 3, wo man durch ein Fernglas in das Zimmer einer Frau sehen kann, die sich auszieht, aber davor das Rollo entsprechend der vorangegangenen Altersabfrage runterlässt – bist du Erwachsener, dann volle Sicht auf Pixelbrüste, sonst Rollo-zensor bis zum Bauchnabel. Und obwohl du definitiv 41 Jahre alt bist, scheint es da irgendeinen Bug in der Fensterrollladencodierung zu geben, weil die einzig attraktive Nachbarin im ersten Stock die schwarzen Sichtblocker komplett herunterlässt, Pech gehabt, wenn du Neo wärst, könntest du vielleicht den Reality-Mainframe hacken und dich am Anblick ergötzen, stattdessen gibt’s also den Cockblocker, den man eigentlich wiederum sehr nötig hätte, bei der Dicken aus dem 2. Stock links daneben, die überhaupt keine Vorhänge hat und einem einen Anblick bietet, der stört.

05.12.19
Im Außenposten des Hinterhofs Fasanenstraße hast du keinen zum Reden, die ollen dicken Stubenfliegen sind längst versummt, vor dem Galeriefenster wartet der Drahtesel und du auf irgendetwas; manchmal steht ein Mensch mit grauen Haaren draußen und wirft einen Blick hinein, aber keiner von ihnen ist ein reicher Russe, der für 20.000 Euro ein Gemälde kauft und dir eine mögliche Provision beschert, dabei ist doch bald Weihnachten, Leute! Aus dem Taschenbecher dringt der Geruch ausgerauchter Kippen, die Schreibmaschine eine alte Jungfer, die seit Tagen nicht mehr angefasst wird, da würde ein Feedback des Literaturagenten sicher helfen, aber von dem hast du seit Monaten nichts gehört, die einen sagen, du bist selbständig, die anderen „arbeitslos“, das Glas aber meistens eher halbleer, in der zu großen Freiheit lebt der Mensch zwar ungestört, aber unglücklich.

13.12.19
Freitag der 13., stöhnfurzendknarrende Türen warnen einen beim Rausgehen, es könnte ja was passieren, aber heute zieht die Karawane mit dem roten Hackenporsche nur ein paar Straßen weiter zum Einkaufen, du musst also nur mit dem Fahrrad in der Dunkelheit über zwei Hauptstraßen Frogger spielen, die dich incl. „Arbeit“ offensichtlich zum Schwitzen bringen und ergo deine Achseln zum Stinken und die Shirts zum Müffeln, warum sie auch bei 1200 Umdrehungen nassgeschleudert werden für knappe zwei Stunden, aber der Angst- oder Wasauchimmerschweiß hängt offensichtlich auf molekularer Ebene im Stoff und wartet nur darauf, reaktiviert zu werden, dann geht das Spielchen wieder von vorne los. Also beweg‘ dich nicht, leg dich einfach aufs Sofa, lies den New Yorker und warte auf das Fertigpiepsignal zum Wäscheaufhängen, aber hüte dich vor der hungrigen Trampolinkatze!

21.12.19
Du könntest dich ja auch irren, aber du würdest schwören, dass es noch nie so lange morgens so dunkel war, kein Wunder, dass man da nicht um 7.30 Uhr aufstehen will, auch wenn man davon geträumt hat, dass der Nachthimmel voller weißer Eulen war, die von den Menschen mit Pfeilen abgeschossen wurden und bald in Unmengen tot auf der Erde lagen – was will einem das Unterbewusstsein jetzt da schon wieder vermitteln? Das Abschlachten der Weisheit? Ein Hilfeschrei des Hirnes, weil Wein & Bingen nach und nach immer mehr Gehirnzellen vernichten? Immerhin hast du in der Nacht von Trumps erster Impeachment-Schlappe ja auch von einem gigantischen Engel am Himmel geträumt, der Türme zum Brennen brachte und möglicherweise sowas wie der Vorbote einer kommenden Apokalypse war… du sagst nur: Klimawandel ahoi.

01.01.20
Happy New Year, jetzt also die 20er Jahre in Berlin, mal sehen, wie das wird, kann und sollte eigentlich nur besser werden. Vorsätze: wieder mal keine, so ist das im Leben, wir nehmen was kommt, nur gerne keine Krankheiten etc. Relativ ruhiger Morgen, draußen suchen die Kinder nach ihren abgesprengten Fingerchen, drinnen werden die alten Kalender von den Wänden genommen, wer keine Böller gekauft hat, lässt einfach mal laut einen fahren und verbreitet Schwefelgeruch in den eigenen vier Wänden, siehste Schatz, dafür muss man nicht auf die Sylvestermeile, ditte kann ick dir och hier primastens simuliern, aber welche Fucker dann um 3 Uhr morgens direkt gegenüber im Hinterhof darauf kommen, eine Reihe Kanonen-schläge abzufeuern, will man eigentlich schon wissen, um denen etwas Böses an den Hals zu wünschen, mindestens ´ne kleine Verbrennung oder gerne auch einen 3-Tage-Dauerdurchfall.

02.01.19 20, Happy New Year, Idiot.
Der letzte Traumfetzen vor dem Aufwachen: Du liegst an einem idyllischen Strand mit wenigen Menschen, einer Frau, die oben ohne sonnenbadet, klares Wasser etc., als ein Mann mit Mikrofon (Interviewer) vorbeikommt und dir das Mikrofon gibt. Du nimmst es und sagst: „Guten Morgen – oder guten Abend, je nachdem, wo Sie sich gerade befinden, meine Damen und Herren, mein Name ist Christopho, mit einem „o“ und ich bin Ihr Unterhaltungs-programm…“, während du dir den Namen gerade ausgedacht hast und er ziemlich bescheuert ist wegen der Sache mit dem „o“ am Ende. Dann fütterst du die Katze, während die Intensität und Nähe zu der Traumsequenz bei jeder Bewegung und Gedanken so schnell verblasst wie draußen die Morgenröte über dem Dachfirst gegenüber.

09.01.20
The blast from the past, eine alte Freundin, mit der du lange zusammenwarst, meldet sich, weil gestern vor 20 Jahren der Bruder vom Zug überfahren wurde und damit die erste Schicksalsschippe auf die Sippe gepackt wurde, dann fast forward 19 Jahre und sie verliert ihre sechsjährige Tochter aufgrund eines Hirntumors, jetzt ist das Familiengrab dreifach gestapelt, mit Bruder, Vater, Tochter, und verdient hat das keiner, sie schonmal gar nicht, also rufst du nach Jahren an und sie freut sich, deine Stimme zu hören, die Stimme, die ihr damals Lügen-geschichten erzählt hat über die Affären (wobei das alles mit ihrer Untreue anfing, aber das ist eine andere Story), und es freut dich, dass sie immer noch an dich denkt, weil du das auch tust und dich hin- und wieder fragst, was aus euch beiden geworden wäre, wenn wenn wenn wenn wenn wenn wenn.

16.01.20
Am Himmel stellen Seemöwen und Raben die Luftschlacht von England nach, greifen sich gegenseitig mit Klauen an und du bist der einzige Mensch auf der Straße, der nach oben schaut und dabei zusieht, du alter Hanno-guck-in-die-Luft. Früher als Kind bist du bei Familien-spaziergängen immer stehen geblieben und hast dir Insekten am Boden angeschaut, damals die Augen zu Boden, jetzt also zum Himmel, aus dem die Nachricht kommt, dass die OP gut verlaufen ist, Prostata inkl. Krebs entfernt, und die Frage ist, ob dein Vater ab jetzt nicht mehr so cholerische Ausbrüche hat, weil kein Testosteron mehr? Danach ab zur Massage, du musst deinen zerknitterten Body mal wieder glattbügeln lassen – und später dann endlich das Mendel-Projekt abschließen und eine Seite hier drin füllen.

21.01.20
Währenddessen, irgendwo im Schwäbischen, liegt deine erste große Liebe im OP-Saal und bekommt den Krebs rausgeschnitten, und du schlägst die Zeit im Literaturcafé tot, trinkst zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder mal eine heiße Zitrone, das hast du früher am See gemacht, während alle anderen ihren Kaffee tranken, später kam dann das Colaweizen, weil du den Biergeschmack nicht mochtest, bis du Gin Tonic entdeckt hast und das Rauchen dazu, hat alles mit der Dame zu tun, die gerade unterm Messer liegt, eine ungesunde Liebe für die Leber, wenn die Angehimmelte als Barfrau arbeitet und du an einem der Kneipentische sitzt und dir die Finger wund schreibst, ach, du Muse, hättest du dich in mich verliebt, hätte ich womöglich aus Glück nicht mehr geschrieben und das Leben hätte einen anderen Pfad eingeschlagen.

22.01.20
Manchmal sind die Gespräche mit deiner Frau bei Kerzenschein und Weißwein wie eine Schlittenfahrt an, bei der der Schnee von Fackeln erleuchtet wird und der Schlitten nimmt an Fahrt auf, sie vor dir, du hinten, ihr rast den Hang hinunter und lacht, weil euch die Eiskristalle ins Gesicht fliegen und ihr rast den Berghang hinunter, Kurve um Kurve, es wird dunkler, aber ihr schlittert immer weiter und weiter und werdet schneller, du presst die Hacken deiner Stiefel in den Schnee, um den Kurs zu korrigieren, bis du merkst, dass das gemeinsame Gewicht den Schlitten zu einem unberechenbaren Geschoß gemacht hat, das immer weiter rast, Richtung Tod, wo die Schneedecke immer dünner und dünner wird, bis ihr plötzlich durch Dreck und Gras rast, genau auf eine Kreuzung zu.

29.01.20
Das Leben tritt aus wie ein Pferd, dem einen in die Kronjuwelen, dem Schwager gegen die Brust, aus China kommt mal wieder das nächste Coronavirus als Export in den Rest der Welt, und du hast ständig das Gefühl, als wärst du der einsame Baum auf dem abgemähten Weizen-feld neben der Autobahn. Und dann ist da der sehnsüchtige Blick in den vorbeirauschenden Wald, vorne die Front der Stämme und tiefer hinein verdichtet es sich, und dort ist noch nie ein Mensch gewesen, einfach anhalten und aussteigen, denkst du, und in den Wald gehen, bis man von den Autos nichts mehr hört, bis zu dem einen bemoosten Fleck, auf den die Sonne scheint, wie damals auf Korsika, wo du auf einmal das Gefühl hattest, in eine andere Welt getreten zu sein, ein Märchenwald ohne Wölfe und Jäger, wo du dich hinlegen und ruhen kannst.

06.02.20
Am Hochzeitstag deiner Eltern fliegen die Federn im Hinterhof der Galerie, ein Falke hat eine Taube geschlagen und rupft dem toten Vogel die Daumen vom Körper, hackt mit dem scharfen Schnabel ein Loch in den Brustkorb, rotes Tintenblut rinnt in die Zwischenräume der Pflastersteine, ein paar Körner liegen verstreut herum, wohl das letzte, was die Taube gefressen hat. Nature pur in der Großstadt, ein Anblick, wie man ihn eigentlich nur aus den HD-Tierdokumentationen im TV kennt. Hin- und wieder bleibt eine kleine Feder am gebogenen Schnabel hängen, die sich der Falke dann mit der Kralle elegant wegzupft, als würde man mit einer Serviette sich den Mund beim Festmahl abwischen, fragt sich, wer die tierischen Überreste später mal wegräumt, der Falke frisst seelenruhig weiter, pausiert kurz, um zu hacken, bis er schließlich davonfliegt, zurück zu seinen Jungen, um sie zu füttern.

12.02.20
Unter euch müssen Gespenster eingezogen sein, man sieht und hört nichts, dabei könnte man ihnen doch sicherlich eure alte Couch andrehen, falls Geister Arsch und Netflix haben, wäre das doch was. In other news: Einbruch in der Galerie, Rückkehr ins Fitnessstudio, wo sich abgemagerte Skelette auf die Crosstrainer stellen, um das allerletzte Nasenfett wegzutrainieren. Draußen tobt sich Sabine aus, drinnen Job- und Lustflaute, trotz Eingecreme verwandeln sich die Finger in trockene Stöckchen, warte nur auf den Zunder, dann musst du schnell was tippen, um das Feuer zu löschen. In der Zwischenzeit: zupf‘ bloß nicht an den Hautfetzen rum, sonst lassen die dich leprösen Autoren bei der Berlinale nirgendwo rein. Die Zukunft ist sowas wie das Quaken eines Vogelschwarms hinter den Wolken, unsichtbar, keine Ahnung, wo’s hingeht, am besten Richtung Sonne.

01.03.20
To do: eine Email an den Kundendienst der „Corona“-Bierbrauerei schicken und fragen, ob die Absatzzahlen hinsichtlich der Pandemie gesunken oder angestiegen sind, und inwiefern sie überlegen, den Brandname zu ändern. Das ist einer der Gedanken, der sich derzeit einschleicht, der andere bei jedem Husten oder lautem Röcheln von anderen Menschen die Vorstellung von Mikroviren, die mit durch das Zugabteil segeln und dann eingeatmet werden. Vielleicht hat die Welt ja auch endlich die Schnauze voll von uns, jedes System hat schließlich auch immer seine Defensivmechanismen, die Natur ja sowieso und das schon seit Milliarden von Jahren, und es scheint ja schon in China zu helfen: über Wuhan sinkt die Konzentration von Stickstoffoxid in der Atmosphäre. Wenn das so weitergeht, ist „12 Monkeys“ bald ein Dokumentarfilm.

02.03.20
Die Eisenmoleküle im Blut der toten Taube (siehe 06.02.20) auf den Steinplatten des Innenhofs haben sich in Blutrost verwandelt, der sich als Fleck in den Boden eingebrannt hat. Fragt sich, ob man das mit Schrubben überhaupt noch wegbekommt, und es fragt sich ebenfalls, wie eigentlich die Straßen der umkämpften Städte im 2. Weltkrieg ausgesehen haben mussten, bei all den ausgebluteten Soldaten – ob man danach alles neu asphaltiert hat? Coronavirus jetzt auch in der Hauptstadt angekommen, war ja klar. Infektionsrisiko als selbständiger Autor, der alleine in einer Galerie hockt, daher aber eher gering. Nachdem „Mendel“ im Schlafzimmer und „Heidi“ in der Küche hängt, jetzt wieder Arbeit an „Irmi“. Sinnfrage danach ist bitte auszuklammern, sonst wird das Ding nie fertig. Arschbacken zusammen, Eier einklemmen, Hände waschen und Finger raus aus dem Gesicht!

03.03.20
Wenn du richtig gezählt hast, sind bis zum Ende des Buches noch 21 Tage zu füllen. Der Plan: es genau am 23.04.2020 zu beenden, also genau 3288 Tage nach dem allerersten Eintrag. Wie viele Einträge letztlich zusammengestellt dabei rauskommen, wird man sehen, spätestens wenn du dich dazu entscheiden solltest, alle Seiten auf den PC zu transkribieren, auch so eine Mammutfleißaufgabe. Eben beim Einkaufen einen Hamsterer vor dir gehabt, der eine blaue IKEA-Plastiktüte mit Tiefkühlkost vollgefüllt hat, während an den Türen der Apotheken Zettel kleben, auf denen steht, dass Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel leider ausverkauft sind. Irgendwo reibt sich der Hersteller die Hände, weil er durch die Panikkäufe einen Reibach macht, so ist das heutzutage: irgendwer verdient immer an den anderen.

06.03.20
Happy Birthday to you, vor 42 Jahren auf diese Welt geschickt, the fastest and strongest one aller Millionen Spermien, da kann man sich schon was drauf einbilden, wenn man mag. Und immerhin auch bis hierhin geschafft. Tatsächlich werden warme gute Socken im gehobenen Alter eine nicht zu verleugnende Sache, du sagst nur: Teppich im Schuh! Eigenartig, dass sich der Körper oder das Unterbewusste einen Dreck darum schert, dass es ein Jubiläumstag ist, auf der anderen Seite wiederum nicht, da die Zeit ein Menschenkonstrukt ist. Egal, immerhin fällt der Tag auf einen Freitag, ab 20 Uhr kommen die Gäste und wie immer wird es eher unangenehm sein, im Mittelpunkt zu stehen, aber da muss man durch. Fakt ist, sollten dir die Zigaretten ausgehen, werden dir gerne welche angeboten werden. Auch gut.

10.03.20
Na prima, nach 9/11, Irak-Kriegen und Flüchtlingskrise kommt jetzt noch die Pandemie-Erfahrung dazu, ist also definitiv nicht so, als wäre dein Generation X-Leben unspektakulär, ach so, globale Erwärmung steht natürlich auch mit auf der Liste, der Tsunami, der Reaktorunfall in Japan, fehlt nur noch, dass Tom Waits auch noch demnächst den Löffel abgibt. Kein Wunder, dass sich alle die 80er Jahre zurückwünschen mitsamt der naiven Unschuld im prädigitalen Zeitalter, in der sich nur die größten Satiriker haben vorstellen können, dass ein US-Präsident auf Twitter die ganze Welt beschimpft, also, wenn Corona für eine Sache richtig nützlich wäre (abgesehen davon, dass es der Natur / dem Klima eine kurze Durchschnaufpause verschafft), dann, wenn es den Weg in Donalds Lungen finden würde.

13.03.20
Freitag der 13. Und eigentlich war es nicht geplant, dass sich das hier zu einer Art Pandemie-bericht entwickelt, aber das Ding schlägt immer größere Wellen, und obwohl es jetzt nicht der klassische Bösewicht-Killervirus ist und man sich all die Jahre während der Grippewellen auch nicht großartig anders verhalten hat, scheint es dieses Mal anders, das seltsame Druckgefühl auf der Seele ist etwas anderes als Angst, etwas subtileres, eine Art Misstrauen gegenüber anderen Menschen und der Umwelt, keine gute Zeit für Hypochonder, beim kleinsten Huster oder Nieser zuckt man zusammen, nimmt Abstand, und wenn’s von einem selbst kommt, spult sich augenblicklich das gesamte angesammelte Corona-Video-Wissen im Kopf ab. Früher dachte man vielleicht an Krebs, jetzt an was anderes, das Leben fährt derweil auf Standby. Wir bleiben alle zuhause und schauen den lieben langen Tag Medicals auf Netflix und Konsorten.

18.03.20
Unter dem Mikroskop ähnelt das Coronavirus irgendwie ein wenig der Erde, auf der zeitgleich mehrere Atompilze in die Luft schießen. Die Zahlen steigen, die Grenzen werden dichtgemacht, und irgendwo tief in dir drin sabbelt ein Verschwörungstheoretiker, dass es vielleicht bei der ganzen Sache um etwas anderes geht, vielleicht rast ja gerade ein Meteorit auf die Erde zu und der Shutdown soll präventiv schonmal für Ruhe und Kontrolle sorgen? Hoffentlich nicht, denn dann wäre die Scheiße richtig am Kochen. Apropos Scheiße: tatsächlich kaufen die Leute wie bekloppte Lemminge Klopapier en masse. Es scheint ein deutscher Reflex zu sein, ein Symbol der Sicherheit, dass wenn alles an den Arsch geht, man ihn wenigsten dann auch vierlagig putzen kann. Das Klopapier als dünne Trennschicht zwischen der Scheiße und dem menschlichen Arschloch.

21.03.20
Der Frühling lacht sich in grünen Knospen über die #stayathome-Bürger schlapp und lockt sie wie Kaa hinaus auf Plätze zum Eis essen, netter Versuch, aber nicht mit dir. Stand jetzt: 11664 Tote weltweit, 282338 bestätigte Infektionen, von der Dunkelziffer reden wir mal nicht, in Amerika kaufen sie natürlich wie irre Waffen und Munition, da reiben sich die ganzen Prepper vergnügt die Hände, weil sie’s ja immer schon gewusst haben, und angesichts leerer Regale und möglicher Ausgangssperre ist das dumpfe Gefühl in der Brust eben keine Infektion, sondern die parallel zur Infektionskurve wachsende Angst, gepaart mit Unsicherheit. Es wird sich zeigen, ob sich die Leute am Riemen reißen können und zusammenhalten – wär‘ ja mal wenigstens eine positive Nebenwirkung auf die verkrönten 20er Jahre der Neuzeit.

23.03.20
Kneif die Augen zu und stell dir vor, du bist auf einer einsamen Insel mit Frau, Katze und Internet, draußen im Meer patrouillieren die Corona-Haie, die Sonne lacht uns alle aus. Wann fangen wir an, die Wände mit Strichlisten zu füllen, die Tage im Kalender durchzustreichen? Wer jetzt Kinder in der Bude hat, ist nicht zu beneiden, wer immer schon ein einsamer Wolf war, dem macht das Ausgangsverbot nicht soviel aus. Zeit, an „Irmi“ weiterzutippen oder bald das Notizbuch, wenn es gefüllt ist, zu digitalisieren. Vielleicht eine letzte Mendel-Geschichte schreiben, Klavier spielen, den Stapel der „TLS“ und all die anderen Bücher zu lesen. Wir verkriechen uns in den Winterschlaf im Frühling und wachen hoffentlich bald wieder auf, mit langen Bärten und wild gewachsenen Frisuren.

01.04.20
Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür, die ganze Sache als ziemlich blöden Aprilscherz aufzuklären, die 42333 Toten sind alle nur Schauspieler gewesen, die ihren Beruf richtig ernst nehmen und den Job beängstigend gut machen… aber nix da, Corona rollt weiter durch die Städte auf seiner World-Tour, man fragt sich, wie lange noch, einige sagen „Ostern“, klammern sich an Kalenderdaten fest, stell‘ dir mal vor, an Ostern würde jetzt wirklich Jesus wiederauferstehen und die Welt erlösen, das wäre ja mal richtig passend, da würde sich nicht nur die katholische Kirche freuen, sondern der Rest der Welt, dann würden vielleicht mal die ganzen Schlagzeilen das vermaledeite „C“-Wort streichen und mit „Jesus“ ersetzen und all die, die die Isolation zur Bibellektüre genutzt haben, wären die neuen Experten im TV, Radio und Print.

04.04.20
Wieder einmal eine Pilotfolge einer selbsterdachten Fernsehserie geträumt, war ziemlich gut, sagt das Erinnerungsgefühl, aber leider sind wie so oft all die Bilder schon wieder verschwunden, bzw. von anderen Traumsequenzen überschrieben worden, eine davon ist hängengeblieben: du stehst am Küchenfenster, lehnst dich etwas heraus und siehst schräg unter dir das offene Badezimmerfenster der Nachbarn, wo sich gerade eine nackte Frau mit einem Handtuch abtrocknet, um besser zu sehen, lehnst du dich noch etwas weiter heraus (alter Voyeur!), als du plötzlich merkst, dass dich etwas unsichtbares aus dem Fenster ziehen will, du klammerst dich fest und verstehst es nicht, weil du ja innen auf dem Fensterbrett hockst, also eigentlich kein Grund zur Panik, aber dennoch bist du wie gelähmt, kannst dich nur noch im Zeitlupentempo bewegen und kämpfst gegen diesen unsichtbaren, starken Sog an, der dich gepackt hat.

08.04.20
Fragt sich (bei aktuell 81809 Toten weltweit), ob es in Zukunft eine Wiederkehr der Zeitenbe-zeichnung b.c. bzw. a.c. geben wird, nur, dass „C“ nicht für Christus steht, sondern für Corona. Immerhin gibt es positive Nebenwirkungen des Ganzen: das Pandabärenpaar in China im menschenleeren Zoo fickt zum ersten Mal seit 10 Jahren (wenn die Nachricht denn stimmt..), was für zukünftige Zeugungsprogramme unter Pandabären vielleicht zu gebrauchen ist: die Viecher haben einfach keinen Bock miteinander intim zu werden, wenn ständig irgendwelche Leute am Gehege stehen und rüberspannen, sehr verständlich das Ganze. Ansonsten hast du auch seit 3 ½ Wochen nicht mehr geraucht, gut für den Geldbeutel und hoffentlich auch für die Regeneration der Lungenbläschen. Man braucht eben doch nur einen guten Grund.

11.04.20
Demnächst also der Countdown der letzten Seiten, mal sehen, ob Jesus (oder ein 21th century-Version) morgen vom Himmel herabsteigt und die Infektionskurve plattmacht, wäre auf jeden Fall das perfekte Timing und auch der perfekte Look (Bart und lange Haare) für den Zeitheiligengeist. Von irgendwoher ertönen mehrere Stimmen simultan, klingt verräterisch nach einer Ansammlung von mehr als zwei Personen, da sollte man mal die Denunzianten-drohne losschicken und an den offenen Fenstern patrouillieren lassen. Das Leben insgesamt auf Pause, fühlt sich ein wenig wieder an wie die Sommerferien der Kindheit, die scheinbar endlos lang waren, der Papst hält einsam seine Osterprozession ab und telefoniert mit dem Fernsehen und die Boxershorts solltest du langsam wirklich wegwerfen, die ist zu klein.

12.04.20
Jahrelang mit der Erde um die Sonne schleudern zeigt sich Fliehkraftmäßig in Hängebusen und -hoden, das wird dir bewusst, wenn sich der Fahrradsattel plötzlich eher etwas einengend bzw. abdrückend anfühlt [hier billigen Scherz über Osterhase und dicke Eier einfügen, wenn erwünscht]. Die Katze zieht sich zurück, vielleicht / hoffentlich ist sie es nur nicht gewohnt, dass sie ständig Gesellschaft hat. Und weil die USA ja überall immer die Number one sein müssen / wollen, haben sie jetzt nicht nur die meisten Infektionen auf der Welt, sondern auch die höchste Anzahl an Verstorbenen. Hat Uncle Trump wieder mal richtig great hingekriegt. Wenn sie den Kerl nicht irgendwann teeren und federn und aus dem Weißen Haus jagen, dann verstehst du die Amerikaner nicht mehr. Get on it, dudes!

15.04.20
Neueste Sportart: täglich nach den Zahlen von Infektionen, Toten und Verdoppelungsraten weltweit schauen und nachsehen, auf welchem Platz Deutschland steht. Das weltweite Corona-Turnier hat so seine Favoriten und Loser, wahrscheinlich gibt es auch im Internet irgendwo Wettbüros, bei denen durch den Wegfall aller Sportarten derzeit improvisiert werden muss, all die Spielsüchtigen bzw. Wettsüchtigen müssen und wollen ja weiterhin beschäftigt sein, statt Transfermarkt werden nun die Nachrichten studiert, aha, das macht also Erdogan oder Trump, da setze ich doch glatt einen Hunni darauf, dass die Totenzahl um 2000 ansteigt bis übermorgen etc. pp. Wären die ganzen Wettbüros offen, würden auf den TV’s nicht Sky News HD laufen, sondern n-tv, tagesschau24 und CNN, und in den Tickern die neuesten Zahlen zur Pandemie.

16.04.20
Und wieder wiederholt sich das Leben offenbar, diese Mal mit einem Corona-Twist, den man sich so auch nicht ausdenken kann. Die Furzmaschine hat höchstwahrscheinlich eine mutierte Version des Coronavirus in sich, der Bauchraum gefüllt mit Flüssigkeit, die Katze liegt apathisch im Wäschekorb und natürlich könnte es doch etwas anderes sein, aber wenn man ehrlich in sich hineinhorcht, weiß man, was Sache ist, das Tierchen spürt, dass etwas kommt, weiß aber zum Glück nicht, dass es der Tod ist, den ihr für sie in die Wege leiden werden müssen. Frage ist wann – das Internet sagt, die Katzen sterben ca. neun Tage nach Diagnose, leider weiß man nicht, ob das Tier Schmerzen hat oder leidet, aber denken wir kurz mal daran, wie wir es machen würden, besser früher und rechtzeitig als letztlich zu spät.

17.04.20
Die Augen blass geweint, bis sie wie rostige Kieselsteine in den Höhlen hingen, das kommt davon, wenn man FIP googelt, insbesondere die feuchte Form mit 9 Tagen Restzeit nach Diagnose, und dem Spruch der Tierärztin, man solle die Maske mitnehmen, das Hirn denkt zwischen den Zeilen „fürs Einschläfern“, und dann ist der Ultraschall der neue Ultraknall, eben doch keine Flüssigkeit, fragt sich, was das Röntgenbild dann eigentlich gezeigt hat, wie auch immer, irgendwas ist mit dem Katzentier, und wenn Gott oder der Plotmaster oder der Leser dieser Einträge ein Happy End will, wäre der Twist am Montag zu wünschen, es war alles nur ein schlechter Corona-Wortspiel-Witz, why not, think positive, die Ansteckungszahl ist auf 0,7 gefallen, ein leichtes Aufatmen geht durch die Covid-19-Lungen, da ist doch noch Platz für die Katz.

20.04.20
Am 18.04.20 also so durcheinander gewesen, dass die leere Seite überblättert wurde, tststs, dann machen wir hier schnell einen „Lost“-Flash-forward und fangen mit der aufgekratzt hungrigen Katze an, die um 6 Uhr morgens wieder Kopfstöße im Bett verteilt; das etwas so nervige so schön sein kann… nur leider gibt es für das Pelztier kein Frühstück, sie muss nüchtern zum Tierarzt. Was einem das Herz bricht, aber hart bleiben die Devise, versuchen, die vorwurfsvoll hungrig bettelnden Katzenaugen irgendwie zu verdrängen, wo ist Dr. Dolittle, wenn man ihn braucht? Jetzt warten auf den Anruf, um das Felltier wieder nach Hause zu holen und erst am Ende der Woche dann der zytologische Befund. Krebs oder Entzündung, FIP wohl zum Glück eher doch nicht, und dein Gefühl sagt dir, dass es auch kein Krebs ist. Abwarten & Pfoten drücken.

18.04.20
Wir besorgen uns morgen einen Spaten, weil die Ratio all‘ die Symptome von FIP sieht, das Herz zwar an Wunder glauben mag, aber das Leben kein Wunschkonzert ist, oder vielleicht ja schon, nur derzeit ohne Zuschauer wg. Infektionsgefahr. Wenn also am Montag nicht das ganz große Ass aus dem Ärmel des allmächtigen Kartengebers rutscht, das Ganze sich als schlechte Folge der „Versteckten Kamera“ herausstellen sollte, werden wir erneut Abschied nehmen von einem kleinen Pelztier, womöglich (Diagnose und Klarheit übermorgen) dann also mitten in einer menschlichen Corona-Pandemie an einem mutierten Katzencoronavirus zugrunde gebracht, was für ein beschissenes und gleichzeitig absurdseltsames Timing, auch weil der Plan, eine Weltreise nach dem Tod des Tierchens zu machen, unmöglich ist.

19.04.20
Willkommen in der Achterbahn des Lebens, dem putzigen Tierchen scheint es besser zu gehen, ob das an Karma, Katzenpower oder Wunschdenken liegt, keine Ahnung, es wird gefressen, ein wenig mehr als die letzten Tage, ein wenig wacher, aber irgendwas ist da noch, was, finden wir hoffentlich morgen heraus, Stichtag oder Spatentag, vielleicht ist ja die ganze FIP-Idee völliger Quarantänequatsch, Corona-infiziertes Denken beim Tierhalter, man sieht nur noch den Tod und überall die Nebenwirkungen wie bei einem Beipackzettel von Tabletten, oder doch schon die geistige Konfrontation mit der Idee, des Konzeptes und der Realität, die einen ruhiger macht. Wenn es denn so sein soll, finden wir einen schönen Baum, unter den du dich betten kannst, für die Ewigkeit, wenn nicht, soll es vom Himmel ewig Leckerlis auf dich regnen.

21.04.20
Three days to go, muss man da jetzt ein geistreiches Fazit finden oder rein dramaturgisch den allerersten Eintrag nochmal lesen, um ihn in abgeänderter Form erneut zu zitieren, oder lässt man den gekünstelt selbsteitlen Gedanken einfach weg, dass sich irgendjemand außer dir für dein Leben interessiert? Schau lieber nach der 3,6 kg Katze, die wir versuchen, auf 4 kg zu bringen, Essen in Hülle und Fülle, sie schläft und in ihren Eingeweiden zuschelt und gluckert es wie in alten Rohren, ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, Darmgeräusche, hast du jedenfalls irgendwo mal gelesen, es bedeutet, dass da Verdauungsprozesse im Gange sind. Wie heißt nochmal der Autor, der in seinen Tagebüchern über seinen Stuhlgang geschrieben hat? Thomas Mann? Wie man nur auf so ´ne Die kommen kann, ist dir schleierhaft, die Nachwelt liebt doch Katzen.

22.04.20
Und dann ist irgendwann das Fass voll, die Fucker aus dem Nachbarhaus füllen die Altpapier-tonne mit riesigen Kartons, ohne sie zu verkleinern, und das beobachtet ihr zufällig von den oben durchs Küchenfenster und als die zweite Fuhre kommt, brüllst du wie Meckerpaule nach unten, dass sie die Scheißkarton ja hoffentlich noch zerreißen, weil das hier eine soziale Hausgemeinschaft ist, was den Glatzkopf schon ziemlich in flagranti ertappend doch irritiert, er lügt und behauptet, das täte er, woraufhin du ihm sagst (weil du ja den Vogelblick in die offene Tonne hast), dass es nicht stimmt, und du das ganze Zeug ihnen auch gerne in den Hausflur rübertragen wirst. Nenn mich ruhig spießig, aber ich habe die Schnauze von asozialen Menschen, gerade in Coronazeiten, voll, mal sehen, ob die Tonne voll ist oder nicht, das Fass auf jeden Fall.

23.04.20
9 Jahre (oder 108 Monate bzw. 3288 Tage) nach dem allerersten Eintrag, der an den Blattseiten bereits verblichen ist, kommt das Projekt zu seinem Ende. Die Idee, jeden Tag beharrlich etwas aufzuschreiben, hat nur über Teilphasen funktioniert, aber was soll’s: Gut Ding will Weile haben, und Pläne sind sowieso überbewertet. Hauptsache, das Ding ist endlich durch, da darf man sich schon auf die Schulter klopfen. Wie viele Seiten, Wörter und Zeichnungen insgesamt zusammengekommen sind, wie viel davon Schwachsinn, Nichtiges, Poetisches oder Sinnvolles ist, bleibt letztlich jedem, der irgendwann all‘ das hier lesen wird, selbst überlassen. Vielleicht sind alle Seiten auch nur an ein Vakuum der Unsichtbarkeit gerichtet, von einem Menschen, der nun den Stift weglegt und in den Wald spazieren geht.

EPILOG
Am 26. Juni 2020 gehst du mit deiner Frau gegen frühen Abend wieder in den Wald, ihr verlasst irgendwann den Wanderpfad und geht dann durchs Unterholz, bis ihr ein kleines ungestörtes Plätzchen findet, wo du mit einem Spaten ein Loch gräbst. Für einen Moment fängt es an zu regnen, du gräbst weiter, lässt den Himmel weiterweinen, und als das Loch tief genug ist, kniest du dich hin und legst vorsichtig eure in ein Handtuch gepackte Katze hinein, wartest einen Augenblick, dann schaufelst du es mit Erde zu. Und in genau diesem Moment hört der Regen auf, die Wolken verschwinden, die Sonne strahlt durch die Bäume und scheint auf den Tod und das Leben und den ganzen Rest auf diesem Fleckchen Erde hinab.